, ,

Deutschland und Malaysia wollen enger kooperieren

Malaysia Steinmeier Staatsbesuch

Bundespräsident Steinmeier wird in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur mit großem Zeremoniell empfangen. Beide Seiten betonen die Gemeinsamkeiten – die sie noch vertiefen wollen.

Kuala Lumpur (dpa). Deutschland und das südostasiatische Malaysia wollen ihre Beziehungen wirtschaftlich und politisch weiter ausbauen. Das haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Premierminister Anwar Ibrahim am Freitag nach einem Gespräch in der Hauptstadt Kuala Lumpur bekräftigt. Steinmeier machte deutlich, dass Malaysia der deutschen Wirtschaft dabei helfen könne, einseitige Abhängigkeiten etwa von China zu verringern.

Malaysia als Alternative zu China?

„Ich bin sicher, dass Malaysia einer der Standorte sein wird, von denen aus deutsche Unternehmen ihre Diversifizierungsstrategie weiter voranbringen“, sagte Steinmeier. Ibrahim nannte den Besuch ein wichtiges Signal für den Ausbau der bilateralen Beziehungen.

Steinmeier hält sich seit Donnerstag zusammen mit seiner Frau Elke Büdenbender zu einem Staatsbesuch in dem überwiegend muslimisch geprägten Land mit knapp 34 Millionen Einwohnern auf. 

Am Vormittag wurde er von König Al-Sultan Abdullah mit militärischen Ehren begrüßt. Am Abend gab der Monarch ein Staatsbankett. In seiner Tischrede betonte Steinmeier dabei, er wisse, wie wichtig der Handel mit China für Malaysia sei. Heute müssten sich die Staaten aber vor einseitigen Abhängigkeiten schützen. „Vernetzung ausbauen, Verwundbarkeit abbauen, das ist das Gebot der Stunde – besonders für unsere Länder, die beide Handelsnationen sind“, sagte Steinmeier.

Ein wichtiger Partner unter den ASEAN-Staaten

Malaysia ist bereits jetzt der wichtigste Handelspartner Deutschlands in der Gruppe der Asean-Staaten. Laut Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik (GTAI) wuchs der bilaterale Handel 2022 kräftig und lag mit einem Volumen von 19,6 Milliarden US-Dollar (ca. 18,3 Milliarden Euro) deutlich über dem Niveau vor der Corona-Pandemie.

Steinmeier wies darauf hin, dass mehr als 700 deutsche Unternehmen in Malaysia tätig seien und zusammen rund 65.000 Arbeitsplätze geschaffen hätten. Das Land habe sich zu einem wirtschaftlichen „Schlüsselpartner“ Deutschlands entwickelt, sagte er.

Gefestigte Demokratien

Der Bundespräsident betonte die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern. Beide seien gefestigte Demokratien, stünden Seite an Seite beim Klimaschutz, bestünden auf der Einhaltung des Völkerrechts und legten Wert auf freien und fairen Welthandel sowie nachhaltiges Wachstum. „Ich finde, darauf lässt sich aufbauen“, sagte er.

Steinmeier und Büdenbender beenden den Staatsbesuch an diesem Samstag mit einem Abstecher auf den malaysischen Teil der Insel Borneo. Dort wollen sie sich über den Schutz des Regenwaldes informieren und eine Aufzuchtstation für Orang-Utans besuchen.

, ,

Erdbeben in Türkei und Syrien: Deutschlands Muslime reagieren mit Anteilnahme und Hilfsbereitschaft

Erdbeben Türkei Syrien

„Die Katastrophe hat auch uns tief im Herzen getroffen.“ Zenahir Mrakovic, Islamische Gemeinschaft der Bosniaken

Köln (iz). Nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet haben MuslimInnen in Deutschland mit Anteilnahme und Hilfsbereitschaft auf dessen verheerende Folgen für die Menschen in den betroffenen Regionen reagiert. In vielen deutschen Moscheegemeinschaften wurde die Katastrophe in den Freitagsgebeten erwähnt und für die MuslimInnen vor Ort gebetet. Darüber hinaus wurden in vielen Moscheen Hilfsgelder gesammelt.

Am Freitag trafen Repräsentanten der Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland e.V. (UIAZD und der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD) in der Zentrale des Moscheeverbands DITIB zu Kondolenzbesuchen ein. Dabei sprachen sie Überlebenden und Angehörigen ihre Anteilnahme sowie Solidarität aus. Mansur Khalili (Vorsitzender UIAZD) betonte: „Wir wollen am Freitag ebenfalls bundesweit in allen unseren Moscheen Spenden sammeln für die Erdbeben-Opfer. Unser Prophet sagte, dass die Ummah einem Körper gleicht, und wennn ein Glied leidet, so leidet der ganze Körper.“ Im Gespräch wurden Hilfsgelder und weitere Hilfen angeboten.

Muharrem Kuzey als Vorsitzender des obersten Religionsrates der DITIB und Leiter der Spendenkampagne bedankte sich für den Besuch. Er zeigte sich beeindruckt von der großen Anteilnahme und Solidarität in Deutschland sowie dem Zusammenhalt der Menschen in dem Katastrophengebiet in diesen schwersten Stunden. „Natürlich beten wir in unseren Moscheen für die Rettung so vieler Menschen, wie nur möglich. Gleichwohl sind wir als Menschen, als Gläubige dazu aufgerufen, zu helfen, wo und wie wir nur können. Bezeichnend dafür ist, dass Moscheen für die obdachlosen Erdbebenopfern geöffnet werden, ihnen Zuflucht bieten vor Kälte, Einsamkeit und Verzweiflung.“

Muslime sammeln Hilfen

Wie die IGMG am 10. Februar wurden alleine in ihren Reihen sowie im Hilfsverein Hasene International eine Million Euro für die Betroffenen im Erdbebengebiet gesammelt. „Die Hilfs- und Spendenbereitschaft der Menschen hält ungebrochen an. Die Situation vor Ort ist jedoch weiterhin katastrophal und wird zunehmend unerträglich“, teilte der Moscheeverband mit. „Was wir hier vorfinden und erleben, ist kaum in Worte zu fassen. Das Leid der Menschen ist unermesslich. Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Bekleidung wird zwar immer besser, ausreichend ist das aber noch lange nicht“, teilte IGMG-Vorsitzender Kemal Ergün aus der Region mit.

Direkt, nachdem das Beben und seine Folgen bekannt wurden, erklärte der Zentralrat der Muslime: „Der ZMD ruft zudem alle Hilfsorganisationen, Menschen guten Willens und insbesondere die muslimische Gemeinschaft in Deutschland auf, schnell und unbürokratisch Geld- und Sachspenden in die Erdbebengebiete zu schicken.“

Konkrete Unterstützung von Hilfsorganisationen

Am 6. Februar gab der Verein WEFA e.V. den Beginn seiner Nothilfe (https://wefa.org/de/nothilfe-tuerkei-wefa/?44005) bekannt. WEFA e.V. hat in Abstimmung mit verschiedenen Vereinen Hilfsmaßnahmen im Katastrophengebiet koordiniert und durchgeführt. Die in Europa gesammelten Spenden werden in Zusammenarbeit mit dem AFAD, dem Türkischen Roten Halbmond und der Diyanet Stiftung Türkei an die Erdbebenopfer übergeben.

Auch Islamic Relief Deutschland war kurz nach den Beben mit Helferteams vor Ort (https://www.islamicrelief.de/erdbeben-tuerkei-syrien/). Dabei wurden Lebensmittel und Winterkleidung verteilt, „um Betroffene vor der Kälte zu schützen“. Des Weiteren lieferten die Helfer Decken, Matratzen, Medikamente und weitere Unterstützung.

„Bei einer solchen humanitären Katastrophe wird jede Hilfe benötigt. Auch wir bemühen uns darum, unseren Brüdern und Schwestern beizustehen. Damit wir jedoch bei Notfällen wie diesen schnell handeln können, benötigen wir genügend Mittel“, gab muslimehelfen e.V. auf Facebook bekannt.

Auch die Tuisa Hilft Stiftung war mit HelferInnen vor Ort (https://tuisa.de/catalog/product/view/id/481/s/verheerendes-erdbeben-turkei-syrien/), um schnell Nothilfe zu leisten. „Menschen die alles verloren haben, stehen vor ihren zuerrütteten Häusern und warten darauf das Rettungskräfte ihre Kinder, Eltern, Ehepartner, Enkel oder Freunde bergen können. Darum sind wir hier, um den Menschen die überlebt haben, die warten und weinen aber auch hoffen eine helfende Hand zu sein.“

Einige muslimische Hilfsorganisationen in Deutschland:

WEFA e.V. https://wefa.org/de/
Islamic Relief https://www.islamicrelief.de/erdbeben-tuerkei-syrien/
muslimehelfen e.V. https://spenden.muslimehelfen.org/?emergency_disaster_relief=70
Hasene International https://www.hasene.org/de/
Tuisa Hilft Stiftung https://tuisa.de/catalog/product/view/id/481/s/verheerendes-erdbeben-turkei-syrien/

, , , ,

Strafanzeige gegen Myanmars Militärjunta in Deutschland

Naypyidaw/Berlin (dpa). Eine Menschenrechtsorganisation und 16 Beschwerdeführer aus Myanmar haben in Deutschland Strafanzeige gegen Mitglieder der Militärregierung des südostasiatischen Krisenlandes gestellt. Die Gruppe will erreichen, dass die Generäle im Zuge ihres Putsches vom 1. Februar 2021 wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestraft werden. Die in Südostasien tätige Organisation Fortify Rights begründete den Schritt am Dienstag in einer Mitteilung mit dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit bei schweren Verbrechen.

„Das Militär von Myanmar genießt immer noch völlige Straffreiheit, und das muss ein Ende haben. Diese Verbrechen können nicht ungesühnt bleiben“, sagte Matthew Smith, Geschäftsführer von Fortify Rights. Das im deutschen Recht verankerte Weltrechtsprinzip sei ein globales Modell zur Bekämpfung der Straflosigkeit bei den schlimmsten Verbrechen, „unabhängig davon, wo die Verbrechen begangen werden oder wo sich die Überlebenden aufhalten.“

Seit dem Putsch, der sich in der kommenden Woche zum zweiten Mal jährt, versinkt das frühere Birma in Chaos und Gewalt. Die Junta unterdrückt jeden Widerstand mit eiserner Faust. Immer wieder gibt es Berichte über brutale Angriffe und schwere Folter. Die entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi (77) wurde vor Gericht gestellt und zu insgesamt mehr als 30 Jahren Haft verurteilt.

Bei dem Strafantrag geht es auch um die blutigen Attacken in dem mehrheitlich buddhistischen Land gegen die muslimische Minderheit der Rohingya. Seit Beginn der Militäroffensive im August 2017 flohen Hunderttausende Rohingya über die Grenze nach Bangladesch.

„Die 215-seitige Anzeige und mehr als 1.000 Seiten Anhänge liefern Beweise, um die Bundesanwaltschaft bei der Untersuchung und Verfolgung der Verantwortlichen des Rohingya-Völkermords sowie der Gräueltaten im Zusammenhang mit dem (…) Staatsstreich der Militärjunta zu unterstützen“, so Fortify Rights weiter. Bereits im vergangenen Jahr hatten Menschenrechtler in der türkischen Hauptstadt Istanbul Strafanzeige gegen Mitglieder der Junta gestellt.

, , ,

Migrationsbericht: Nettozuwanderung stieg nach Pandemie-Delle an

Antidiskriminierungsarbeit Debattenklima gesellschaft Deportationsszenarien solingen gemeinschaft

Berlin (dpa). Die Zuwanderung nach Deutschland hat schon vor der Ankunft von rund einer Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine deutlich zugenommen. Wie aus dem Migrationsbericht hervorgeht, der an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden soll, wurden 2021 rund 1,32 Millionen Zuzüge nach Deutschland erfasst. Das war ein Anstieg um 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2020, das noch stärker von den Reisebeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geprägt war.

Die Abwanderung nahm 2021 ebenfalls leicht zu, allerdings nur um 2,9 Prozent. Damit lag die Nettomigration 2021 mit rund 329 000 Menschen in etwa auf dem Niveau von 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa. Wichtigstes Herkunftsland der Zuwanderer war im Jahr 2021 – wie schon im Vorjahr – Rumänien. Von dort kamen 202.686 Menschen nach Deutschland. Auf Platz Zwei der Liste standen Zuwanderer mit deutscher Staatsangehörigkeit, gefolgt von Menschen aus Polen, Bulgarien, Syrien und der Türkei.

Am höchsten war der Anteil der ausländischen Bevölkerung demnach in Berlin. Im Jahr 2021 hatte laut Ausländerzentralregister rund jeder fünfte Hauptstadtbewohner (20,2 Prozent) keinen deutschen Pass. In Bremen lag der Anteil mit 19,3 Prozent fast genauso hoch. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hatten rund 14 Prozent der Einwohner eine ausländische Staatsbürgerschaft. Der Migrationsbericht wird alljährlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erstellt.

Im Jahr 2021 war die Mehrheit der Zuwanderer, die nach Deutschland kamen, männlich. Laut Statistischem Bundesamt kamen rund 802.000 Männer und 521.000 Frauen nach Deutschland. Für das Jahr 2022 dürfte das Bild etwas anders ausfallen, da die Flüchtlinge, die als Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zugewandert sind, mehrheitlich weiblich sind.

„Um unsere sozialen Sicherungssysteme zu erhalten und den Arbeitskräftebedarf zu decken, müssen sich jedes Jahr 400.000 Menschen netto für ein Leben und Arbeiten in Deutschland entscheiden“, sagte die Innenpolitikerin Misbah Khan. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete mahnte: „Wir müssen also unser gesamtgesellschaftliches Unwohlsein beim Thema Migration endlich ablegen und eine Debatte darüber führen, wie wir als Einwanderungsland attraktiver werden.“ Dazu gehöre auch, dass rassistische Ressentiments abgebaut und das Ankommen in Deutschland erleichtert werde.

,

Hintergründe: Wer sind die Reichsbürger?

woche

Am 7. Dezember hat die Polizei 25 Personen verhaftet. Nach weit mehr als 120 Hausdurchsuchungen wurde ihnen die Planung eines Staatsstreiches zur Last gelegt. Insgesamt laufen laut Behörden Ermittlungen gegen […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

,

Geschichte prägt den Umgang europäischer Regierungen mit Muslimen

straßengewalt palästina

Der Umgang mit Religion hängt in Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik erheblich von der jeweiligen Geschichte ab. Von Jeanne Prades (The Conversation). Die Art und Weise, wie Islam wahrgenommen wird […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.

,

Theologin: Muezzinruf ist keine Frage der Religionsfreiheit

Aachen (KNA). Die Debatte um den Muezzinruf in Köln dreht sich nach Ansicht der katholischen Theologin Anja Middelbeck-Varwick nicht um rechtliche Fragen. Es gehe stattdessen darum, „welche Rolle die Religion einer Minderheit in der Öffentlichkeit einnehmen darf“, sagte sie am 14. November bei einer Online-Konferenz zu Populismus und Religionsfreiheit.

In Deutschland habe der Islam eine besonders schwierige Position. „Der Muezzinruf ist hierbei für Muslime vermutlich gar nicht von entscheidender Bedeutung, sondern vielmehr von symbolischem Wert.“

Die Gleichberechtigung von Musliminnen und Muslimen sei in Deutschland noch keinesfalls erreicht, so die an der Goethe-Universität Frankfurt lehrende Professorin. Vor allem Hürden der Alltagsdiskriminierung müssten überwunden werden – dies fange bei Fragen des islamischen Religionsunterrichts an und gehe hin bis zu Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Die Lösungen dieser Probleme seien „weitaus gewichtiger“ als Debatten um den Muezzinruf.

, ,

Sarglose Bestattungen sind trotz Gesetzeslockerungen noch ein Nische

Tod kurzmeldung

Fast alle Bundesländer erlauben Bestattungen ohne Sarg. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Dem Zentralrat der Muslime zufolge ist die sarglose Bestattung in Deutschland auch eine Generationenfrage.

Nürnberg (dpa). In fast allen Bundesländern können Tote inzwischen aus religiösen Gründen ohne Sarg bestattet werden. Doch bisher wird diese Möglichkeit nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Bestatter nur wenig genutzt. „Aktuell ist die sarglose Bestattung eine Nische“, sagt Generalsekretär Stephan Neuser. Die Lockerung der Sargpflicht richtet sich vor allem an Muslime, die ihre Verstorbenen in ein Leichentuch gehüllt beerdigen.

Bisher seien Bestattungen ohne Sarg deshalb eher in Großstädten mit größeren muslimischen Gemeinschaften gefragt, erläutert Neuser. Diese seien aber nicht flächendeckend auf jedem Friedhof möglich. Am Ende liege die Entscheidung bei den Kommunen, da es auch auf die Bodenverhältnisse ankomme.

Während Städte wie Berlin oder Köln bereits jahrelange Erfahrungen mit Bestattungen im Leichentuch haben, wird das in Nürnberg zurzeit noch erprobt. Bayern war im vergangenen Frühjahr eins der letzten Bundesländer, die die Sargpflicht aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen abgeschafft oder gelockert hatten. Nur in Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt diese aktuell noch. Beide Bundesländer planen aber, ihr Bestattungsrecht zu ändern.

Mit einem Dummy, also einer lebensgroßen Figur, hat die Nürnberger Friedhofsverwaltung verschiedene Szenarien durchgespielt. Vor allem müsse eine Möglichkeit gefunden werden, die Toten auf eine würdige Weise im Tuch in das Grab herabzulassen und diese korrekt Richtung Mekka auszurichten, sagt Leiter Armin Hoffmann. Am Dienstag wollen er und sein Team den muslimischen Verbänden und dem Stadtrat ihre Lösung vorführen.

Dem Zentralrat der Muslime zufolge ist die sarglose Bestattung in Deutschland auch eine Generationenfrage. Man könne davon ausgehen, dass ältere Muslime mit Migrationshintergrund immer noch mehrheitlich in ihrem Geburtsland beigesetzt werden wollen, erläutert ein Sprecher. Deren Kinder hätten diesen Wunsch dagegen kaum noch.

,

Bestattungskultur in Deutschland immer vielfältiger

Im Begräbniswald oder am Friedhof, in Urne oder Eichensarg, mit individuell gestalteter Trauerfeier oder anonymer Bestattung: Die Bestattungskultur in Deutschland ist immer vielfältiger geworden. Ein kleiner Überblick.

Königswinter (KNA). Nicht nur der Anteil der Bundesbürger, die einer der beiden großen Kirchen angehören, ist unter die 50-Prozent gefallen. Auch der Anteil kirchlicher Bestattungen macht bundesweit erstmals weniger als die Hälfte aus. Insgesamt wird die Bestattungskultur in Deutschland immer vielfältiger.

Wie die in Königswinter bei Bonn ansässige Verbraucherinitiative Bestattungskultur „Aeternitas“ ermittelt hat, wurden 2020 in Deutschland 489.664 Bestattungen katholisch oder evangelisch begleitet. Damit gab es 49,7 Prozent christliche Beerdigungen. Im Jahr 2000 machte ihr Anteil noch 71,5 Prozent aus.

Einen Wandel stellen die Experten auch bei der Form der Bestattungen fest. Wurden vor 30 Jahren noch weniger als ein Drittel der Verstorbenen eingeäschert, sind es mittlerweile rund 70 Prozent. Der Trend dürfte sich noch verstärken. Denn nach einer aktuellen Umfrage von „Aeternitas“ wollen nur noch 12 Prozent der Befragten klassisch in einem Sarg auf einem Friedhof begraben werden. 25 Prozent bevorzugen demnach die Beisetzung in einem Bestattungswald. Auch pflegefreie Grabangebote würden mit 18 Prozent immer beliebter. Dazu zählen etwa Urnenwände. Ein klassisches Urnengrab auf einem Friedhof wünschen 14 Prozent und eine Beisetzung auf See 6 Prozent.

Rund drei Viertel halten es laut Umfrage für veraltet, dass Verstorbene auf Friedhöfen beigesetzt werden müssen. 13 Prozent hätten gerne ihre Asche in der freien Natur verstreut; 8 Prozent würden bevorzugen, dass Angehörige die Urne zuhause aufbewahren oder die Asche im heimischen Garten beisetzen.

„Traditionen, Konventionen und religiöse und familiäre Bindungen verlieren an Bedeutung“, so fasst es der Vorstand der Verbraucherinitiative, Christoph Keldenich, zusammen. „Mobilität und Vielfalt der Lebensentwürfe nehmen zu.“ Das hat auch Auswirkungen auf Tod und Sterben.

Kirchen, Friedhofsverwalter und Bestatter beobachten zwei gegenläufige Trends: auf der einen Seite immer mehr pflegeleichte Grabstellen, etwa Rasengräber oder Urnenwände. Das klassische, über Generationen gepflegte Familiengrab wird Auslaufmodell. Auf der anderen Seite wächst der Wunsch nach persönlich gestalteten Grabmalen.

Der Trend zu anonymen Gräbern scheint allerdings durch das stärkere Angebot pflegeleichter Grabstellen gestoppt, sagt Aeternitas-Pressesprecher Alexander Helbach. Zugleich nimmt die Zahl der Baumbestattungen weiter zu. Rund 250 Bestattungswälder gebe es mittlerweile in Deutschland, schätzt Helbach. Auch auf immer mehr öffentlichen und kirchlichen Friedhöfen sind Baumbestattungen möglich.

Weit flexibler sind die Regelungen zum Sargzwang: Insbesondere aus Rücksicht auf Muslime, bei denen die Bestattung in einem Leichentuch stattfindet, wurden in allen Bundesländern bis auf Sachsen und Sachsen-Anhalt Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen.

Solche Vielfalt war lange unmöglich: Es war die Angst vor Seuchen, die etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu der Vorschrift führte, dass Tote nur auf festgelegten Flächen außerhalb der bewohnten Orte beerdigt werden durften. Seit 1934 gilt dies zwingend auch für die Asche von Toten. Eine Ausnahme ist die Seebestattung. Während andere Länder inzwischen erlauben, die Asche Verstorbener auch daheim aufzubewahren, bleibt Deutschland streng. Lediglich Bremen hat seit 2015 Ausnahmen ermöglicht.

Insbesondere die Kirchen wehren sich gegen eine Aufhebung der Friedhofspflicht: Friedhöfe sollten als Orte des Gedenkens, der Mahnung und des gemeinschaftlichen Trauerns erhalten bleiben. Auch Städte und Gemeinden haben ein Interesse am Erhalt von Friedhöfen. Schließlich können sie ihre Kosten kaum noch decken, weil es immer weniger Erdbestattungen gibt.

Jahrzehntelangen Streit gab es um die Zulassung von Feuerbestattungen. Die Kirchen wehrten sich lange gegen das Verbrennen der Leichen, sollten die Toten doch für den Tag ihrer „fleischlichen“ Auferstehung in ein Grab gelegt werden. Leichenverbrennungen galten als besonders schändliche Bestattungsform, etwa für vermeintliche Hexen.

1960 waren gerade mal zehn Prozent der Bestattungen in der Bundesrepublik Feuerbestattungen. Die evangelische Kirche gab 1920 ihren Widerstand auf. Erst 1963 erlaubte der Vatikan auch Katholiken Einäscherungen.

,

Für Deutschland zieht der aktuelle europäische Islamophobiebericht eine durchwachsene Bilanz

berlin CLAIM

Für den Kampf gegen den Hass fordert der Islamophobiereport 2021 von der Bundesregierung, mehr für Bildung, den Kampf gegen Gewalt und die Sichtbarkeit von Minderheiten zu tun. (iz). Seit sieben […]

IZ+

Weiterlesen mit dem IZ+ (Monatsabo)

Mit unserem digitalen Abonnement IZ+ (Monatsabo) können Sie weitere Hintergrundbeiträge, Analysen und Interviews abrufen. Gegen einen Monatsbeitrag von 3,50 € können Sie das erweiterte Angebot der Islamischen Zeitung sowie das ständig wachsende Archiv nutzen.

Abonnenten der IZ-Print sparen beim IZ+ Abo 50%.

Wenn Sie bereits IZ+ Abonnent sind können Sie sich hier einloggen.

* Einfach, schnell und sicher bezahlen per Paypal, Kredit-Karte, Lastschrift oder Banküberweisung. Das IZ+ Abo verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn es nicht vorher gekündigt wurde. Sie können ihr bestehendes Abo jederzeit auf der Mein Konto-Seite kündigen.