Nur die halbe Wahrheit. Und was folgt daraus? Kommentar von Morad Bouras

(iz). Volker Kauder betont seine Ansichten und tritt in die Fußstapfen des CSU-Manns Friedrich. Jener Innenminister, der wie Kristina Köhler so einige Parolen geschwungen hat und Studien instrumentalisierte, zeigte mit seiner ersten Amtshandlung seine Position und revidierte Wulffs Aussage der Islam gehöre zu Deutschland. Was bedeutet diese Aussage eigentlich und welche Konsequenzen ziehen Schröder, Friedrich und Co. daraus?

Über 4.000.000 Muslime sind in Deutschland zugegen. Davon ist ein großer Teil vor mehreren Generationen zugewandert. Von diesen vier Millionen Muslimen sind etliche in Deutschland geboren und besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Mittlerweile zählen auch zahlreiche Deutsche dazu, die ihren alten Glauben ablegten, und den Islam für sich persönlich aussuchten, um so ihr Heil zu finden. Verwerflich?

Kaut Kauder auf einer längst ad acta gelegten Debatte herum, oder versucht er bereits jetzt, Wahlkampf zu machen? In konservativen Kreisen findet diese Parole oft Anklang. Es scheint, als gäbe es nichts Wichtigeres, als eine Meinung zu betonen, die zu begründen auf Wege führt, die allenfalls ins Verderben münden. Wie argumentiert eine Person diese Position? Mit äußeren Merkmalen der Muslime? Mit ihrem Verhalten? Ihrer Bildung? Ihren sprachlichen Fähigkeiten? Ihrer Gewalt, sei sie wenig oder etwas stärker ausgeprägt? Und wenn nun diese Position vertreten wird, welche Schlussfolgerung zieht sie nach sich?

Die Anwesenheit der Muslime in Deutschland begann weit vor 100 Jahren. In Europa seit über 1.000 Jahren. Das sind Fakten, keine Hirngespinste. Im Zuge der Gastarbeiterrekrutierung, in Zeiten in denen man vom Wirtschaftswunder sprach, wurden gezielt ungebildete, aber kräftige Männer aus der Türkei, Griechenland und anderen Ländern angeworben. Natürlich sorgte man sich um sie und bot ihnen eine nette Rückkehrprämie an und fügte Anfang der 1980er hinzu, dass mit der Annahme der Prämie alle Rentenansprüche aufgehoben werden würden. Dass die meisten aus der Türkei stammten und Muslime waren, ist dem Kapitalismus egal. Er funktioniert einfach.

…und was folgt daraus?
Keine Gotteshäuser für Muslime? Keine freie Schul- und Berufswahl? Extra Steuern? Keinen Islamunterricht an Schulen? Wie soll es denn mittel- und langfristig aussehen? Sollen die Parolen, die Instrumentalisierungen der Studien, die Uminterpretation der islamologischen Erkenntnisse so lange vollzogen werden, bis die Muslime selbst verwirrt sind und ihres Selbstbewusstseins beraubt werden? Ist mit Integration tatsächlich Assimilation gemeint? Was will man von den Muslimen und dem Islam? Wieso wird andauernd um den heißen Brei geredet?

Das Herumreiten von Kauder auf dieser Frage kommt zur richtige Zeit. Die Koranverteilung einiger Muslime, denen das Staatsfeindtrikot übergezogen wurde, erregt die Gemüter dieses Landes. Das der „Wachturm“ der Zeugen Jehovas an jeder Straßenecke zu finden ist und einem in die Hand gedrückt wird, wird dabei außer Acht gelassen und gar nicht thematisiert. Traut man den bundesdeutschen Bürgern so wenig zu, als das sie sich selbstbewusst und vernünftig mit einer Weltreligion auseinandersetzen?

Ist Deutschland nicht das Land der Dichter und Denker, das Land der Ingenieurskunst und nicht zuletzt eine Kulturnation? Es scheint als sei das Selbstvertrauen in die geistigen Fähigkeiten der Deutschen verloren gegangen. Die Aussage, „Der Islam gehört zu Deutschland“, ist richtig. Die Aussage, dass die Muslime zu Deutschland gehören ist auch richtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Muslime aus Deutschland auswandern, ist gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sanktioniert werden für das was sie sind, scheint zu steigen. Zu Recht?

Ein Kommentar zu den aktuellen „Verteilaktionen“ in deutschen Fußgängerzonen. Von Cemil Sahinöz

(iz). Zunächst sei einmal gesagt, dass niemand bei gesundem Verstand gegen das Verteilen von Übertragungen der Bedeutungen des Qur'ans ist [nach islamischer Sicht lässt sich der Qur’an so nicht „übersetzen“; Anm. d. Red.]. Kaum einer wird dies negativ einstufen oder als sinnlos sehen. Auch wir Muslime bekommen ständig Bibeln in die Hand gedrückt. Das ist völlig legitim – und vor allem legal.

Warum aber Muslime selbst gerade diese Verteilung anzweifeln, hat einen anderen Hintergrund. Es liegt nicht am Qur’an oder an seiner Verteilung. Die Salafiten können nicht mit dem Argument kommen, Muslime wären gegen die Verteilung von Allahs Offenbarung. Dies ist schlicht und einfach falsch. Schon jetzt werden Muslime, die sich dagegen aussprechen, in salafistischen Kreisen als Feinde oder sogar als „so genannte Muslime“ apostrophiert.

Muslime – allen voran die Dachverbände – sind aus anderen Gründen gegen diese Verteilung. Schauen wir uns dazu einfach mal den Effekt dieser Verteilungen an: Die Verteilenden behaupten, dass sich dadurch die Meinung zum Islam verbessern würde. Demnach würden die Menschen den Qur'an lesen und so ein anderes Bild vom Islam bekommen.

Mal Hand auf Herz, liebe „Salafiten“? Ist das wirklich so? Ist nicht durch diese Aktion genau das Gegenteil bewirkt worden? Hat man so die Herzen der Menschen gewonnen?

Der Prophet Muhammed hat immer kontext-gebunden gehandelt. Er hat die Psychologie der Menschen gut verstanden und dementsprechend Liebe in den Herzen der Menschen erzeugt? Leider ist durch diese Aktion genau das Gegenteil entstanden. Nur noch mehr Hass, noch mehr Provokation und noch mehr undifferenzierte Polemiken.

Das Ganze hat einen psychologischen Effekt, der bisher ganz außer Acht gelassen wurde: Im unseren Unterbewusstsein werden nun die Begriffe „Salafismus“ und „Koranverteilung“ miteinander verknüpft. Jedes Mal, wenn nun ein Qur’an verschenkt wird, wird man an Salafiten denken. Das ist sehr schädlich. Das Thema des Schenkens von Qur’anübertragungen wird damit sicherlich für viele Moscheevereine nicht mehr in Frage kommen. Und das ist der eigentliche Knackpunkt dieses Theaters. Der Weg für die Verteilung von Qur’anübertragungen wird hier ganz verschlossen.

Dass, was die Betreiber der Aktion also erreichen wollen, erreichen sie aber nicht. Sie bewirken genau das Gegenteil. Warum tun sie es aber trotzdem?

Der Salafist hinter dem Stand wird sich dafür nicht wirklich interessieren. Dieser würde sagen, er mache es „für Allah“ – was immer er auch damit meint. Schauen wir daher nicht auf die Theaterbühne und auf die Inszenierung, sondern dahinter. Fragen wir uns einfach einmal, wem das Ganze nützt?

Nichtmuslimen? Wohl kaum. Wie bereits oben beschrieben, hat es hier genau den Gegeneffekt erzeugt.

Muslimen? Sicherlich nicht. Da der Islam und die Muslime allgemein wieder im Visier stehen, muss sich jeder Muslim rechtfertigen. Es folgen wieder viele undifferenzierte Meinungen und Berichterstattungen zum Islam.

Den Salafiten? Richtig. Die Salafiten sind die einzigen, die davon profitieren. Maximal 5.000 gibt es in Deutschland. Im Gegenzug gibt es ca. 4,5 Millionen Muslime. Dass heißt, 0,11 Prozent der deutschen Muslime haben einen Nutzen davon. Die restlichen 99,89 Prozent müssen es ausbaden.

Es scheint also alles eine PR-Strategie zu sein. So, wie wir es schon in der Vergangenheit von diesen Gruppierungen kennen. Das Schlimme dieses Mal ist jedoch, dass dafür der Qur’an missbraucht wird. Ob sich dessen wirklich alle Salafiten bewusst sind?

Der Hype um die „Salafiten"

(iz). Wir Muslime lieben nicht nur unseren Propheten, sondern auch die ersten Generationen der Muslime und ihre Gemeinschaft in Medina. Ohne genaue Kenntnisse des Ursprungs des Islam wüssten wir weder, was „der ‘Amal von Medina“ ist, noch könnten wir den geraden Weg bestimmen, der sich auch aus der Abneigung des Islam gegenüber den Extremen ergibt.
Ohne die Liebe zum Ursprung wüssten wir nicht, das der Prophet Moschee und Markt etablierte und damit die geistigen und materiellen Bezüge vereinte. Ganz zu schweigen hätten wir keine Kenntnis von der entscheidenden Rolle der Frauen, die den Propheten mit zu dem gemacht hat, was er war: ein Vorbild.
Die aktuelle Hype um die Salafiten hat eine andere Bedeutung. Es geht dabei nicht wirklich darum, auf die Ursprünge des Islam hinzuweisen und ihre wirkliche Bedeutung im hier und jetzt zu bestimmen. In diesem Fall müssten wir ja in erster Linie die ökonomische Regeln des Islam debattieren, die Mu‘amalat studieren und die Beachtung der Regeln der Zakat anmahnen. Dies wäre eine konstruktive und interessante Debatte für Jedermann. Aber wie gesagt, darum geht es nicht.
Hier geht es vielmehr um eine destruktive Dialektik zwischen den Extremen, die einige Handvoll Außenseiter zwischen den Randbereichen des Puritanismus und der Esoterik gestalten. Der Islam wird dabei entweder als kulturell fremdartig und orthodox präsentiert, oder aber als individualistisch und beliebig. Diese Debatte geht zu Lasten der großen Mehrheit der Muslime, die sich in den Rechtsschulen gut aufgehoben sehen und aus dieser Verortung heraus den ‘Amal der ersten Generationen studieren. Diese Mehrheit präsentiert den Islam, so wie er ist: offen, positiv und attraktiv.
Nicht unschuldig an der Lage sind auch Medien, die eine besonnene Auseinandersetzung mit dem Islam durch die Beförderung der Extreme besorgen. Wer den Islam wirklich kennenlernen will, sollte sich inmitten etablierter Gemeinschaften bewegen. Er sollte eine Dschama’at suchen, die nicht kulturelle Abgrenzung betreibt, sondern die Maximen des Islam vorlebt. Die Stärkung der Extreme ist auch der Diffamierung vieler muslimischer Gemeinden geschuldet. Sie sind die eigentliche Mitte des Islam, die dann verloren geht, wenn das islamische Recht nicht mehr gelehrt wird.

Interview mit dem MacherInnen des Auktionshauses SelishA

(iz). Wer heute einen Laden eröffnen will, braucht nicht nur eine gute Geschäftsidee, sondern muss auch mit unzähligen Kosten rechnen, von denen die Ladenmiete einen großen Anteil auffrisst. Gleichzeitig hat sich das Internet in den letzten zehn Jahren als wichtiger Marktplatz für alle Menschen entwickelt, die gerne handeln möchten, aber keinen Laden führen wollen oder können. Der Erfolg von Unternehmen wie Ebay spricht für das Modell.

Muslimen ist von Haus aus der Handel nicht unbekannt. Viele der ersten Gemeinde, unter anderem der Prophet Muhammad selbst, waren teil sehr erfolgreiche Händler. Die beiden Institutionen, die der Gesandte Allahs in Medina hinterließ, waren die Moschee und der Markt. Während die Regeln der Moschee auch heute noch lebendig und bekannt sind, hat eine Mehrheit der Muslime vergessen, wie ein islamischer Markt funktioniert.

Seit einiger Zeit besteht das „islamische Auktionshaus“ SelishA, auf dessen Webseite Normalbürger und professionelle Händler ihre Waren anbieten können. Die potenziellen Kunden können die Produkte, die zumeist auf die Bedürfnisse von Muslimen ausgerichtet sind, entweder direkt kaufen, oder bei Auktionen zu ersteigern.

Die SelishA-Macher wollen haben vor, international zu expandieren und die Webseite zu einer weltweiten Plattform erweitern. Wir sprachen mit ihren MacherInnen darüber, wie ihr Projekt funktioniert, wie Muslime darauf reagieren und was es mit Auktionen im Islam auf sich hat.

Islamische Zeitung: Wie funktioniert SelishA?

SelishA: Unser Projekt SelishA ist ein islamisches Auktionshaus, das vergleichbar mit Ebay ist. Es handelt sich demnach um eine Auktionsplattform, wo islamische Artikel gewerblich sowie privat verkauft werden können. Diese können ersteigert oder direkt gekauft werden. Bei den islamischen Artikeln handelt es sich hauptsächlich um Konsumgüter für Muslime, wie beispielsweise Kleidung, islamische Bücher, Halal-Lebensmittel, Pflegeprodukte, Kinder- und Babywaren, aber auch neutrale Güter wie beispielsweise elektronische Geräte usw.

Islamische Zeitung: Was waren eure Motive und was ist euer Ziel?

SelishA: Die Idee für SelishA entstand daraus, dass wir merkten, wie rar das Angebot an islamischen Artikeln auf dem deutschen Markt ist. Es gibt wenige online Shops, die oft schwer zu finden sind und meist nur über ein kleines Angebot an islamischen Waren verfügen. Islamische Geschäfte mit Sitz sind meistens nur in Großstädten zu finden, welche wiederum wenige sind und auch nur ein begrenztes Spektrum an Artikeln anbieten. Muslime, die außerhalb von Großstädten leben, haben es oft schwer an islamische Artikel zu kommen.

SelishA hat sich zum Ziel und Streben gemacht, den Muslimen einen leicht zugänglichen Marktplatz bereitzustellen, wo sich die meist kleinen und unbekannten Shops mobilisieren können, um der Ummah ein großes und vielfältiges Angebot an islamischen Artikeln anbieten zu können. Die Shops selbst können so ihren Bekanntheitsgrad steigern und einen größeren Kundenstamm erreichen. Aber nicht nur sie profitieren, sondern auch jeder einzelne Muslim, denn dieser hat nicht nur leichten Zugang zu einem größeren islamischen Angebot mit besserer Markttransparenz, sondern kann auch selber gebrauchte wie auch neue Waren privat verkaufen. In der heutigen Zeit wünschen sich Muslime den Kauf von islamischen Artikeln online abzuwickeln. Wir erhoffen uns also SelishA zum größten islamischen Online-Marktplatz zu entwickeln, dies nicht allein in Deutschland, sondern weltweit inscha'Allah.

Islamische Zeitung: Wie sprechen die Muslime auf euer Angebot an?

SelishA: SelishA ist auf professionellem Fundament gegründet worden und hat aufgrund seiner Nische eine große Lücke im islamischen Handeln gefüllt. Ein islamisches Auktionshaus war unserer Meinung nach dringend von Nöten. Dementsprechend sind die Muslime von dem Projekt sehr begeistert. Wir erhalten des Öfteren Emails von Geschwistern, welche nicht in Deutschland leben, mit der Bitte, SelishA auch in anderen Ländern anzubieten. Die Nachfrage ist demnach sehr hoch. Gewerbliche Verkäufer sehen den Vorteil von SelishA für ihr eigenes Unternehmen. Viele teilen uns mit, dass durch den Launch von SelishA ihr Umsatz sich positiv gesteigert hat.

Witzig ist, dass wir immer wieder Sponsoringanfragen oder Praktikumsbewerbungen erhalten. Viele Muslime sehen uns durch das Auftreten größer als wir sind. SelishA befindet sich, alhamdulillah, durchaus in einem sehr starken Wachstum, dennoch befinden wir uns im Hinblick auf unsere Ziele noch relativ am Anfang.

Islamische Zeitung: Wie sieht die Entwicklung der Webseite aus?

SelishA: Nach dem Start von SelishA sind wir schon früh auf eine sehr große Nachfrage von Muslimen im In- und Ausland gestoßen. So haben wir unser Konzept stetig verbessert und lukrativer gemacht. Wir versuchen den Wünschen unserer Kunden gerecht zu kommen. Um SelishA für Muslime noch attraktiver zu machen, haben wir beispielsweise ein sehr profitables System eingeführt: Gebühren nur bei Verkauf. Das Prinzip ist sehr einfach: Wer Artikel auf SelishA einstellt und gebührenpflichtige Zusatzoptionen wählt, zahlt solange keine Gebühren, bis er seinen angebotenen Artikel auch wirklich verkauft. Sollte der Artikel nicht verkauft werden, erhebt SelishA absolut keine Gebühren. Da SelishA keine Einstellgebühren verlangt, hat der private Nutzer nichts zu verlieren, falls der Artikel nicht verkauft wird. Gewerbliche Verkäufer können bei uns ihren eigenen Shop eröffnen.

Derzeit arbeitet SelishA an einem großen Projekt, nämlich „SelishA-International“. Wie der Name schon sagt, haben wir vor, nicht nur den Muslimen in Deutschland ein leicht zugängliches und großes Angebot an islamischen Artikeln zu bieten, sondern der gesamten Ummah weltweit. Wir erhoffen uns inshallah das Angebot insofern ins Immense zu steigern, als das Muslime in den verschiedenen Ländern durch die Artikelvielfalt voneinander profitieren können. So wird ebenso ein länderübergreifender Zusammenhandel ins Leben gerufen.

Ganz neu stehen den SelishA-Nutzern „SelishA-Kleinanzeigen“ online zur Verfügung. Dabei handelt es sich um kostenlose, muslimische und lokale Kleinanzeigen, bei denen wir den Muslimen anbieten, ihre Artikel lokal zu verkaufen. Es können Anzeigen sowie Gesuche aufgegeben werden.

Unsere Programmierer arbeiten täglich daran die Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität von SelishA stets zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Islamische Zeitung: Einige Muslime sehen das Bieten etwas kritisch, Wie steht ihr dazu?

SelishA: Viele Muslime, welche von einem Auktionshaus hören oder reden, denken oft in die falsche Richtung, nämlich, dass das Bieten in einem Auktionshaus islamisch gesehen nicht gestattet ist. Dem ist jedoch nicht so, denn nicht wenige Muslime verkehren dennoch gängig auf den ebaY Plattformen, wogegen tatsächlich nichts einzuwenden ist.

Auktionen sind eine Art des Verkaufs, welche in der islamischen Scharia als erlaubt erklärt sind. Diesbezüglich haben wir eine Fatwa von Sheikh Muhammed Salih Al-Munajjid als Beleg sowie Argumentation auf unserer Plattform zur Verfügung gestellt.

Islamische Zeitung: Es gibt nicht viele muslimische Konzepte in Sachen Ökonomie und Handel? Seht ihr euer Projekt als Beitrag auf diesem Bereich?

SelishA: Wir sehen SelishA als eine große Bereicherung im islamischen Handel für die gesamte Ummah weltweit. Wir sind kein einzelner Shop, sondern eine umfangreiche Auktionsplattform, eine Shoppingmall, die versucht alle islamischen Shops auf der ganzen Welt zu vernetzen, sodass die Muslime eine optimale Markttransparenz, eine Artikelvielfalt und leichten Zugang zu islamischen Artikeln haben.

Wir erhalten oft Fragen von Geschwistern, welche vielversprechende Ideen haben. Ihnen fehlen oft das nötige Know-how und der Mut zur Umsetzung. Durch unseren Schritt erhoffen wir uns inscha'Allah den Geschwistern als ein gutes Beispiel voranzugehen und rufen die Muslime auf, im islamischen Bereich tätig zu werden, da dieser in den westlichen Ländern noch relativ unerforscht und unbesetzt ist.

Islamische Zeitung: Vielen Dank für das Interview.

Link zur Webseite:
Selisha.de

Open Source vs. Stratfor: Die Veröffentlichung von Firmen-Emails durch Wikileaks erlaubt einen Blick hinter die Kulissen. Von Sulaiman Wilms

(iz). Meine erste, wohl eher unbewusste Begegnung mit Philosophie war mein Biologielehrer in der 7. Klasse. Er erklärte uns, dass jedes Wissen von der Welt – inklusive der vermeintlich objektiven Wissen­schaften – von unserem Weltbild abhän­gig sei.

In den Zeiten, als die Welt der ­meisten Menschen (mit Ausnahme einiger Abenteurer) aus dem bestand, was sie selbst erlebten, speiste sich ihr Weltbild aus ihrer direkten Anschauung. Heute ist die direkte Erfahrung einer globalisierten Welt und unser Bild von ihr in den aller­meisten Fällen voneinander getrennt. Eine bekannte Ausnahme dazu stellt wohl der Tourismus dar. Für den Rest benötigt die Mehrheit aller Menschen, die nicht aus beruflichen Gründen oder auf der Suche nach Wissen unterwegs ist, die verschiedensten Medien zur Vermittlung ihres Weltbildes.

Je größer die Komplexität der Welt ­(eines ihrer wichtigsten Elemente sind heute die unterscheidungslosen Weiten des Internets) wird, desto schwieriger wird in ihr die Aneignung echten ­Wissens und direkter Erfahrung. Vor allem dann, wenn die Weisheit offenbarter Religion aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt wird.

Meinung versus Information
Für uns mediale Normalverbraucher hat das in der Regel keine gravierende Auswirkungen, da wir (eine der Ironien unserer durch-säkularisierten Welt) bei Schicksalsfragen immer häufiger auf die säkulare Glaubensform der „Meinung“ zurückgreifen (der Glaube an die Stabili­tät einer irrationalen Währung, an die vom Menschen gemachte Klimaerwärmung, an Vorstellungen vom globalen Kampf „Gut“ gegen „Böse“ etc.). Ein Autor der „Tageszeitung“ sprach vor ­einiger Zeit davon, dass wir in einer Welt leben, die von „Meinungen“ diktiert sei.

Moderne „Entscheidungsträger“ wie Politiker, Denkfabriken, institutionelle Investoren und internationale Unternehmen sind auf korrekte ­Informationen und mittel- bis langfristige Analysen angewiesen. Mit den vergleichsweise oberflächlichen Erzeugnissen der Tagespresse, die darüber hinaus seit Jahren einem stetigen Qualitätsverlust unterworfen sind, oder digitalen Informationsschnipp­­seln lassen sich weder außenpolitische Strategien, noch langfristige Auslandsinvestitionen planen. Soviel ist klar: Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind Informationen zu einem Gut geworden, dass nicht nur einen realen Wert besitzt, sondern aus dem sich auch Kapital schlagen lässt.

Der Einfluss der Privaten
Es sind schon längst nicht mehr nur staatliche Einrichtungen, die ein Mono­pol auf nicht-öffentliche, gelegentlich geheime Informationen haben. Seit 1989 ist das globale Gewerbe der Informations­beschaffung, auf dem auch die Geheimdienste arbeiten, einem rasanten Wandel unterworfen. Experten gehen davon aus, dass in den USA (für andere Regionen kann eine ähnliche Entwicklung vorausgesetzt werden) mittlerweile die Hälfte aller staatlichen Mittel für die Informationssammlung, -auswertung und -manipulation an Privatunternehmen gehen. Parallel dazu wurden – der Irakkrieg und die folgende Okkupation sind ein Musterbeispiel – militärische Strukturen und Dienstleistung an Privatfirmen (Halliburton, Blackwater/Academi etc.) „outgesourct“. Experten sprechen von diesen Söldnerfirmen mittlerweile als einer Form der „Privatisierung des Krieges“.

Von privaten Verhörexperten im iraki­schen Foltergefängnis Abu Ghraib, über US-Firmen, die im Auftrage des US-Heimatschutzes in Windeseile Millionen Emails analysieren bis zur Observierung unliebsamer Gewerkschafter: Längst ist eine Welt privatisierter Geheimdienste entstanden. Diesem Bereich der Informa­tionsbeschaffung und Strategieberatung zuzuordnen sind auch unzählige, international agierende Denkfabriken. ­Einige Beispiele hierfür sind die RAND Corpo­ration oder Lincoln Group in den USA, Parteistiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung in Deutschland oder aufstrebende Denkfabriken der wohlhabenden Staaten am Golf oder in Ostasien. Sie beraten die Politik, sind aber auch an der Beeinflussung globaler Meinungstrends beteiligt.

So mag ein Blick auf die internationa­len Publikationen und Symposien ­dieser Denkfabriken erklären helfen, warum in den letzten 10 bis 15 Jahren in allen westlichen Ländern die beinahe deckungsgleiche Islamdebatte ausgebrochen ist. Diese strategischen Think Tanks vernet­zen und koordinieren Strategien und definieren einprägsame Schlagworte, die dann über massenkompatiblen Medien verbreitet werden. Leider wird, insbeson­dere im deutschen Diskurs, viel zu ­selten auf den Einfluss derartiger Strukturen verwiesen. Als Fußvolk dienen ihnen gelegentlich auch vermeintliche Islam- und Terrorexperten, die sich des Öfteren in dem Dunstkreis aus privatisierten Geheimdiensten, Denkfabriken und Medien bewegen.

Die Welt von Stratfor
Die dritte Säule des privaten Informationswesens bilden die mehr oder weniger kleinen, aber exklusiven Informationsdienstleister. Sie verdienen ihr Geld entweder mit Recherchen für hochkarätige Auftraggeber aus Privatwirtschaft, Militär und Politiker. Andere generieren ihr Einkommen durch kostenpflichtige Newsletter über strategische oder regionale Themen. Das beste, weil nun öffentlich zugängliche Beispiel dafür ist der Informationsdienst Stratfor Forecasting Inc. (kurz: Stratfor), der beide Dienstleis­tungen in seinem Portfolio vereint.

Das 1996 vom Pub­lizisten George Friedman in Austin gegründete Unternehmen beschäftigt eine ganze Reihe ehemaliger Mitarbeiter aus US-Geheimdiensten und dem FBI. Am 27. Februar rückte es für einen kurzen Moment in das Blickfeld einer ­breiteren Öffentlichkeit, als die Informationsplattform Wikileaks – in Kooperation mit internationalen Medienpartnern wie dem NDR – die Webseite „The Global Intelligence Files“ startete.

Auf ihr sollen rund fünf Millionen interne Emails – vom Juli 2004 bis Ende Dezember 2011 – der privaten Schnüffler veröffentlicht werden. Gestohlen wurden die Daten von der internationalen Hackergruppe Anonymous. Laut Wikileaks offenbarten diese Emails „die inne­re Funktionsweise einer Firma, die sich als ein Herausgeber von Informationen ausgibt, aber vertrauliche Spionagediens­te für große Unternehmen (…) wie Dow Chemical Co., Lockheed Martin, Northrop Grumman, Raytheon und Regierungseinrichtungen (…) bereitstellt.“

Nach Ansicht von Wikileaks belegt die interne Stratfor-Kommunikation, wie private Geheimdienste funktionieren und wie sie Individuen und Gruppen im ­Auftrage ihrer Kunden und Abonnenten „abschöpfen“. So habe der CIA-Verschnitt im Auftrage des Chemieriesen Dow ­Chemical (der für die Katastrophe im indischen Bhopal verantwortlich ist) Aktivis­ten wie die „Yes Men“ überwacht und analysiert. Für Coca Cola observierte Stratfor die Tierschutzorganisation PETA.

„Die Emails stellen die ‘Drehtür’ bloß, wie sie in den privaten Geheimdienstfirmen in den Vereinigten Staaten operiert. Quellen aus Regierung und Diplo­matie in aller Welt liefern Stratfor hochwertiges Wissen über globale Politik und Ereignisse im Austausch gegen Geld. (…) Stratfor rekrutierte ein globales Netzwerk von Informanten, die über Schweizer Banken oder vorab bezahlte Kreditkarten entlohnt werden.“ Die so genannten „Quellen“, für die Stratfor-CEO Friedman ein System der Kategorisierung eingeführt hat, werden nicht nur gegen Bezahlung entlohnt. Manchmal müsse auch „Kontrolle“ eingesetzt werden. „Kontrol­le bedeutet finanzielle, sexuelle oder psychologische Kontrolle“, schrieb ­Friedman am 6.12.2011 an seine Analystin Reva Bhalla.

Trotz personeller oder ideologischer Überschneidungen mit der US-Regierungspolitik, so Wikileaks, operierten Stratfor und vergleichbare Firmen vollkommen im Geheimen und ohne politische Aufsicht oder Rechenschaftspflicht. „Stratfor behauptet, dass es ‘ohne Ideolo­gie, Agenda oder nationales Vorurteil’ arbeitet. Und doch belegen die Emails, wie sich die privaten Geheimdienstange­stellten eng mit der Politik der US-Regierung verbinden und Hinweise an den Mossad geben“, verlautberte Wikileaks in einer Erklärung, die am Tag des Launches seiner Seite über Stratfor verbreitet wurde.

Beunruhigt zeigte sich Wikileaks, das seit Längerem eine beidseitige Intimfeindschaft mit Stratfor verbindet, auch über Stratfors „Bündnisprogramm“ mit verschiedenen Medienhäusern. Es sei für Journalisten durchaus akzeptabel, Infor­mationen zu tauschen oder von ­anderen Medien bezahlt zu werden. Aber Stratfor sei ein privater Geheimdienst, der im Dienste von Regierungen und Privatkun­den steht. Derartige Beziehungen hätten einen korrumpierenden Einfluss auf die beteiligten Medien.

Strafor-CEO Friedman sah die Wikileaks-Aktion verständlicherweise anders. In einer Nachricht an seine Kunden beschrieb er die Veröffentlichung der inter­nen Kommunikation als „verabscheuungswürdigen, unseligen – und ­illegalen – Bruch der Privatsphäre. (…) Die Veröf­fentlichung der Emails ist ein direkter Angriff auf Stratfor.“ Stratfor widerspricht auch seiner Außenwahrnehmung als privater Geheimdienst. In einer Einführung findet sich: „Stratfor arbeitet im Verlags­wesen und verlegt ein einziges Produkt: unseren online-Intelligence-Service. Stratfor konzentriert sich auf ein einziges Thema: internationale Beziehungen. Es arbeitet mit Geheimdienstinformationen anstatt mit journalistischen Methoden, um Informationen zu sammeln, und benutzt die Geopolitik als analytisches Modell, um die Welt zu verstehen.“

Grundfragen
Wie in anderen Fällen erlebte auch dieses Thema nur einen Nachrichtenzyklus und verschwand wieder aus den Schlagzeilen. Das individuelle Unternehmen Stratfor wurde kurz skandalisiert – der Dunstkreis um Denkfabriken, Medien und Geheimdiensten aber scheint in Deutschland nicht von vorrangigem Interesse zu sein.

Dabei sind Stratfors Analysen gehaltvoller und sachlicher als das, was „Spiegel“, „Die Welt“, „Taz“ & Co. bei strategischen und geopolitischen Themen zu bieten haben. Das Team um George Friedman ist sich beispielsweise zu Schade, vom iranischen Präsidenten als dem „Irren von Teheran“ zu sprechen. Trotz Überschneidungen mit den Neocons findet sich in Stratfor keine Panikmache, sondern nüchterne Analyse. Und während manche „Edelfeder“ unter Deutschlands Chefredakteuren von Präventivangriffen gegen Teheran und einem „Befreiungskrieg“ in Syrien träumt, schlagen die Analysen aus dem Hause Friedman und die – unfreiwilligen – Veröffentlichungen seiner Emails andere Töne an.

Hinterfragt werden muss hingegen das generelle Verhältnis zwischen unabhängige, Investigativ-Journalismus (dem Ideal) und real existierenden Überschneidungen zwischen einer zeitgenössischen Medien- und Meinungsindustrie einerseits und den privatisierten Geheimdiens­ten andererseits. Wie die Liste der Wikileaks-Kooperationspartner zeigt, ist ein derartiger Verfall durchaus real. Und es sind eben jene Medien, die unser Bild vom Rest der Welt mitprägen.

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Hintergrund: Über das Verhältnis westeuropäischer Staaten zu den Moscheen. Von Jonathan Laurence

Die Beziehungen zwischen Staat und Moscheegemeinden in Westeuropa ­haben sich in den letzten 15 Jahren erkennbar weiter entwickelt.
(CGNews). Etwas mehr als ein Prozent aller weltweiten Muslime, rund 1,5 Mil­liarde Menschen, leben in Westeuropa. Ungeachtet dessen hat diese Minderheit eine überproportionale Wirkung auf Religion und Politik in ­ihrer neuen Heimat. In nur 50 Jahren wuchs die muslimische Bevölkerung von einigen zehntausend auf 16 oder 17 Millionen in 2010 an – schätzungsweise jeder 25. Westeuropäer.
Auf der einen Seite wächst die Vorstellung unter einheimischen Europäern, dass dem Islam – der einstmals ungehin­dert im Nachkriegseuropa wachsen durfte – Einhalt geboten werden müsse. ­Diese Weltsicht fordert von den Europäern, dass sie aus ihrem Schlaf aufwachen und „Eurabien“ besiegen. Als Gegenentwurf zu diesem Narrativ gibt es die Meinung, wie sie von einigen muslimischen Vertre­tern vertreten wird, wonach die europä­ischen Regierungen grundsätzlich repres­siv und intolerant gegenüber Vielfalt eingestellt seien.
Beide Sichtweisen sind unangemessen und – was noch wichtiger ist – verpassen den breiteren Trend, der vor Ort abläuft.
Europäer und Muslime haben in den letzten zehn Jahren erfolgreich ­verhandelt und sich aneinander angepasst. Dies wurde durch verschiedene, entscheidende Momente bestätigt. In dem, was alltägli­che, aber trotzdem entscheidende Bereiche für religiöse Integration zu sein scheinen, sprechen muslimische Gemeinschaf­ten und europäische Regierungen miteinander und handeln gemeinsam. Dazu zählen Moscheebauten, die Ausbildung von Imamen und Seelsorgern, die Verfügbarkeit von Halal-Lebensmitteln und die Vergabe von Hadschvisen.
Vergleichen wir dies mit der ­Situation vor 10 oder 15 Jahren, als der Islam in der Innenpolitik bei europäischen Politi­kern und der Bürokratie im Wesentlichen unbekannt war. Insofern religiöse Fragen tangiert wurden, war dies die Zo­ne der Einwanderungsbehörden und der Diplomatie – nicht von Parlamenten und Innenministerien. Die Organisationen der islamischen Gemeinschaften in den [west-]europäischen Städten ­reflektierten diesen Zustand. Weit entfernt davon, organisch in ihrer lokalen, europäischen Kultur und Politik verwurzelt zu sein, waren sie immer noch von ausländischen Regierung und internationalen NGOs dominiert.
Mittlerweile erwächst eine neue Landschaft, in der muslimischen Verantwort­liche in steigendem Maße ihren Platz in Gesellschaft und den Institutionen ­ihrer Aufnahmeländer finden. Ein ­neuer poli­tischer Konsens – und die ­entsprechende Verwaltungspraxis – fasst Fuß. Dies reflektiert die sich ausbreitende, pragmatis­che Anerkennung der ununkehrbaren muslimischen Präsenz in [West-]Europa.
Die Periode zwischen der Mitte der 1990er und der Mitte der 2000er Jahre war eine Phase des größten Wachstums in der Beziehung zwischen dem Islam und den europäischen Staaten. Das eindrücklichste Beispiel einer europaweiten Bewegung hin zu einer Integration des Islam kam mit der Entwicklung nationa­ler Beratungsgremien. Vorbei waren die adhoc getroffenen Entscheidungen bezüglich jener Fragen, die sich muslimischen Gemeinschaften stellten. Vorbei sind die Arbeitsgruppen der vorangegan­genen Jahrzehnte, die zwischen den Ministerien gebildet wurden. Ersetzt wurden sie durch den Aufbau kooperativer Institutionen und Einrichtungen von Stellen zur Klärung der staatlichen Beziehungen mit den Moscheen.
Quer durch Europa war einer der Höhepunkte die institutionelle Anerkennung und Heimischwerdung des Islam die Form zentraler Gremien. Führungsgremien wie der Französische Rat für den Muslimischen Glauben, der Spanische Islamrat, Deutschlands Islamkonferenz und das italienische Islamkomitee ­halfen bei der Lösung praktischer Fragen zur religiösen Infrastruktur mit. Diese reichen von der Einrichtung von Plätzen für Imame und Seelsorgern in öffentlichen Institutionen über die Regulierung von Moscheen, der religiösen Bildung bis zu Halal-Lebensmitteln und Visen für die Hadsch.
Während diese neue Realität anhält, entsteht eine neue Ordnung der Gemein­schaftsführung und der Imame. Eine, die sich stärker mit lokalen Gesellschaften mischt und besser vertraut ist mit den pluralistischen Systemen der Beziehungen von Staat und Islam, den ­kulturellen Normen Europas sowie den einheimischen Sprachen. Dazu gehören Muslime mit unterschiedlichen Hintergründen, aber auch Nichtmuslime. Während muslimische Organisationen sich ihren Weg durch die Institutionen bahnen, die die Religionsausübung bestimmen, können Behörden die Chancen zu Beratungen nutzen, aber auch strukturelle Anreize für den interreligiösen Dialog und die Sicherheitspartnerschaft mit lokalen Vertre­tern bereitstellen.
Organisationen und Führungsgremien, die zuvor ausschließlich jenseits der europäischen Grenzen auf der Suche nach islamischer Autorität und Authentizität waren, gewinnen langsam an einheimischen, institutionellen Bezügen.
Es gibt immer noch viel Raum für Verbesserungen, innerhalb neuer Zonen der Vermittlung. Aber dazu wird es nur kommen, wenn die Zugewinne des letzten Jahrzehnts nicht dem übersteigerten Pessimismus einer negativen Erzählung über die Zukunft der europäischen Muslime geopfert werden. Soll dieser Prozess andauern, müssen beide „Seiten“ nach oben schauen und im Geiste erkennen, dass ihnen der Himmel nicht auf den Kopf fällt.
Jonathan Laurence ist Außerordentlicher ­Professor für Politikwissenschaften am ­Boston College und Gastdozent am Brookings Insti­tute. Sein jüngstes Buch heißt ­“The ­Eman­cipation of Europe’s Muslims“.

Feuilleton: In einer ungerechten Gesellschaft kann es keine wahre Zivilisation geben. Von Ahmad Gross­

(iz). Nichts geschieht ohne Notwendigkeit. Im Deutschen spricht das Wort „Notwendigkeit“: Es besteht aus den beiden Worten „Not“ und „wenden“. Erst die Not wendet, verändert die Situation ­eines Menschen. Heidegger sprach von der „Not der Notlosigkeit“. Solange die Menschen nicht wissen, dass sie in der Not sind, solange kann sich an ihrem Zustand auch nichts ändern.

Schaikh Ad-Darqawi sagte in einem ­seiner berühmten Briefe über die Not: „‘Hätten die Menschen die Geheimnisse und Segnungen gekannt, die in der Not sind, so hätten sie nichts ande­res als die Not gebraucht.’ Es heißt, dass sie anstelle des Größten Namens steht.“ So gesehen ist die heutige Finanzkrise, die in Wirklichkeit eine fundamentale Systemkrise ist, ein reiner Segen. Indem sie die Schleier der gescheiterten Projek­te lüftet, zwingt sie uns zur Veränderung, also zum Leben selbst. Uns Muslimen sind Kreisbewegungen sehr vertraut. Mindestens einmal im Leben versammeln wir uns aus der ganzen Welt in Mekka für eine Kreisbewegung um das Haus Allahs. Zudem wird diese Kreisbewegung bekanntlich auch von den geometrischen Figuren der Linie (dem Gang zwischen Safa und Marwa) und des Punktes (dem Stehen auf einem Punkt auf der Ebene von Arafat) begleitet. Solange wir uns also auch „lineare Ziele“ setzen und damit irgend­wann auch „auf den Punkt kommen“, haben wir kein Problem damit, uns im Kreis zu drehen. Ganz im Gegenteil. Entscheidend ist nur, dass wir uns um die richtigen Dinge drehen.

Dieses Kreisen um das gleiche ­Thema benennt Goethe einmal mit einem Begriff aus der Chemie als „cohibieren“: Durch immer höhere Konzentration zum Wesentlichen, zur Essenz einer ­Sache vordringen. Es erinnert an die Homöopathie: Manchen Menschen erscheint sie als Schwindel und Placebo. Anderen hilft sie, durch Allahs Befehl. Der große Sufi Sidi Ali al-Dschamal sagte sinngemäß: Das Unsichtbare beherrscht das Sichtbare. Die Ideen des unsichtbaren Ruh (arab. Geist) rufen nach der Manifestation in der sichtbaren Welt, nach Erde, nach Menschen und ihren Taten.

Woher kommt der Begriff „Kultur“? Der Begriff „Kultur” meinte ursprüng­lich die Kultivierung von Seele und Geist. Seine neuzeitliche Bedeutung in den Schriften deutschsprachiger Denker des 18. Jahrhunderts (Kant, Pestalozzi, Herder). Als geistiges Kind von Descartes, Erasmus und Francis ­Bacon bestellte ihr so genannter ­Rationalismus den Boden für den Atheismus des 19. und den Nihilismus des 20. Jahrhunderts. Wie konnte das geschehen? Indem sie das Kind (den kindlichen Glauben an unseren Schöpfer) mit dem Bade (die irrationale Doktrin der Kirche) ausschütteten. So wurde Gott, der Herr der Welten, der Schöpfer und Erhalter des Universums, so wurde aus Allah nach und nach eine bloße Idee des Verstandes; eine Idee, die bewiesen werden musste, damit man sie glauben ­konnte.

Alles geriet aus den Fugen. Allah sagt im Qur’an: „Und Ich habe die Dschinnen und die Menschen nur erschaffen, damit sie Mich anbeten.“ (Adh-Dharijat, 56) Doch nun spielte das Geschöpf Schöpfer. „Die Welt ist die Hände der Menschen gefallen“, wie Rilke schrieb. Angesichts von Inquisition und Hexen­verfolgung versteht man die humanistische Begeisterung für die Freiheit und Helle der Antike. Doch wer brachte sie ins Europa der Renaissance? Die muslimischen Übersetzerschulen von Al-Andalus – so viel zur Zugehörigkeit des Islam zu Europa. Doch ohne die entscheidende Rückbindung zum Göttlichen wurde aus den Statuen des Phidias bald der frierende, nackte Mensch der Neuzeit, Agambens homo sacer der Lager. Wie anders empfand es noch Goethe. Als 1831 viele Menschen an der Cholera starben, tröstete er ­Louise Adele Schopenhauer: „Hier kann niemand dem andern rathen; beschließe was zu thun ist jeder bey sich. Im Islam leben wir alle, unter welcher Form wir uns auch Muth machen.“

Da wir Europäer so durch die Jahrhunderte unsere gelebte Religion verlo­ren, machten wir unsere Kultur zur Religion. Laut Rilke will alle Kunst und Dichtung rühmen, preisen. Im 18. Jahrhundert vergaßen die Europäer jedoch, wen sie preisen sollten. Im 19. und 20. Jh. verging ihnen das Preisen überhaupt und das große Klagen begann. Wenn der Mensch glaubt das Höchste zu sein, wenn sich die Schöpfung die Eigenschaften des Schöpfers anmaßt, dann mündet die Wirklichkeit des Menschen ins Menschenunwürdige: Der „Übermensch“ impliziert den „Untermenschen“. Ohne Gott ist laut Dostojewski alles erlaubt. Ohne Ihn gibt es keine allgemein verbindlichen Regeln, keine Schranken mehr. Aber auch kein Ge­länder mehr am Abgrund. Und nieman­den, Der einen auffängt.

Heute scheinen die bedeutendsten Köpfe Europas – Denker, Dichter und Wissenschaftler – auf ihre je eigene Art und Weise ein allgemein greifbares Gefühl zu bestätigen: Dass das Schiff sinkt. Wer kann heute sagen, er leiste mehr, als „die Verluste zu zählen“, wie es Botho Strauß nannte? Wer vermag heute mehr, als die Meditation über den „Knacks“ (Roger Willemsen) unserer Sterblichkeit?

Als ich den spanischen Historiker und Ibn-Khaldun-Experten Sidi Karim Viudes nach seinem Begriff von „Kultur“ befragte, winkte auch er eher trocken ab. Je mehr von „Kultur“ die Rede ist, desto weniger habe man vermutlich (…) Als er meine Ratlosigkeit bemerkte, schob er nach, dass dieser Begriff eigentlich erst im 18. und 19. Jahrhundert in Mode kam. Die Antike gebrauchte ihn – außer für die Kultivierung im agrarischen Sinne – nur zur Bezeichnung der Erziehung der Kinder in der Schule. Später griff ich zum „besten deutschen Buch“ (laut Nietzsche), Eckermanns „Gespräche mit Goethe“. ­Darin sagt Goethe zu Eckermann: „Wir bewundern die Tragödien der alten Griechen; allein recht besehen, sollten wir mehr die Zeit und die Nation bewundern, in der sie möglich waren, als die einzelnen Verfasser.“ Jede kulturelle Einzelleistung der Griechen „(haftet) nicht bloß einzelnen Personen (an), sondern (…) sie (gehört) der Nation und der ganzen Zeit an und (war) in ihr in Kurs.“ (24. April 1827) Wer sich von seinem Schöpfer abwendet und glaubt, ohne einen alltäglichen Bezug zu Ihm existieren zu kön­nen, der muss – der Mensch ist zur Anbetung geschaffen – sich seine Ersatz-Götter, seinen Pseudo-Din (Arabisch für Religion/Lebensweise) schaffen. Wer keinen Din hat, der macht sich seine Kultur zum „Din“. Im Bild des Hausbaus gesprochen: Wer die variable Ausschmückung eines Hauses mit seiner mathematischen, universalen Statik verwechselt, der hüte sich vor dem Zusam­menbruch seines Hauses! Allah schütze uns davor, indem Er uns einen klaren Din (Religion, Lebensweise des Islam) und Unterscheidungskraft (Furqan) gewährt, sodass wir niemals Din und Kultur verwechseln! Wir wissen dass der Din (die Statik menschlicher Existenz) keine Kultur, sondern ein Filter für jede Kultur ist, der sie reinigt und veredelt.

Wir wissen – heute mehr denn je zuvor – dass das, was einst im Europa zwischen dem Mittelalter und dem 19 Jahrhundert den Namen „Kultur“ verdient hat, heute vom „Staub des Wuchers“ (wie es der Prophet vorausgesagt hat) bedeckt ist. In einer ungerechten Gesell­schaft, einer Gesellschaft, die Wohlstand monopolisiert, kann es keine Kultur geben, die die Bezeichnung Kultur oder Zivilisation verdient. Lassen wir den Begriff der „Kultur“ auf sich beruhen und wenden wir uns der Bildung zu. Das Deutsche und die slawischen Sprachen unterscheiden zwischen „Bildung“ und „Erziehung“, während im Englischen und in den lateinisch-romanischen Sprachen das Wort „education/educación“ genügt: Lat. ēducāre „auf-, großziehen, ernähren“.

„Erziehung“ im Deutschen und Slawischen ist etwas, das den Menschen von außen kommend erzieht/aufzieht, also eher den pädagogischen Vorgang der Schul-Erziehung beschreibt. „Bildung“ steht dagegen für die weiter gefasste Erziehung, die man auch aktiv selbst unternimmt, die das Selbst auf seinem Weg zur Verfeinerung, Reinigung, Veredelung unternimmt. Bilden bedeutet „Gestalt annehmen“, das „Sich-Bilden“, die Formung von etwas. Der Begriff „Bildung“ ist mit dem griechi­schen Begriff der Paideia verwandt.

Das Bild, nach dem wir Muslime uns formen/bilden, ist das Bild, das uns von Allahs Propheten Muhammad, Friede und Segen seien auf ihm, als Besten der Schöpfung überliefert wird. Um den Propheten Muhammad, Friede und Segen seien auf ihm, überhaupt in einen unvoreingenommenen, freieren Blick nehmen zu können, musste Europa nach „Al-Andalus“ Jahrhunderte warten. Goethe und Thomas Carlyle sind hier zu nennen. Goethe und Schiller haben wie weni­ge ihrer Zeitgenossen geahnt, was Bildung im besten Sinne sein kann. Goethe schrieb die beiden Schlüsselromane, welche die literarische Gattung des Bildungsromans, begründeten: Wilhelm Meisters Lehrjahre und Wilhelm Meisters Wanderjahre.

Ein wiederkehrendes und zentrales Motiv des Romans ist die Entsagung, der Abwendung von der diesseitigen Welt. Die berühmteste Abschnitt ist wohl jene Episode, in der Wilhelm und sein Sohn Felix die so genannte „Pädagogische Provinz“ aufsuchen. Dies ist ein landschaftliches Areal der Lehre und des Lernens, in dem ungewöhnliche Sitten herrschen und eine eigene pädagogi­sche Philosophie und Methode angewandt werden: Musik, insbesondere Gesang ist wesentliches Element der dort praktizierten Pädagogik; Fremdsprachen, Poesie, ein ausgeprägter Sinn für Respekt, Bescheidenheit und Ehrfurcht bilden den Kern dieser Weltsicht. Es wird vermutlich immer Leute geben, denen die Künste und alle ­Dinge, die wir traditionell unter Kultur verstanden haben – Literatur, Malerei, Musik, Theater – ein Herzensanliegen sind. Was ist die Rolle von Kultur, von Dichtern, Künstlern? Für Roger Willemsen ist Kultur „im Kern (…) eine Über­brückung von Einsamkeit“. Für Heidegger ist es das dichterische Denken, für Rilke das denkende Dichten. Vielleicht braucht es, bevor wir wieder zu einem gerechten Austausch kommen, auch Künstler, die sich des ­unhaltbaren Status quo des Wuchers auf ihre je eigene Art und Weise annehmen.

Welcher Schiller ruft uns heute zum Kampf gegen die Tyrannei der „Märk­te“ und für unsere Freiheit auf? Welcher Regisseur dreht heute einen Film wie Truffauts „Fahrenheit 451“, in dem die Gefahren eines sorglosen Gebrauchs der Technik geschildert werden? Ein Zeitgenosse Goethes, Johann Peter Hebel, (1760-1826) schrieb: „Wir sind Pflanzen, die, – wir mögens uns gerne gestehen oder nicht, – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Aether blühen und Früchte tragen zu können.“

Der Text ist die gekürzte Variante eines längeren Vortrags zum Thema Erziehung.

"Muslime & Globalisierung" – Inflation, Währungsspekulation und Finanzkrise ändern Einstellungen gegenüber dem Papiergeld. Von Abu Bakr Rieger

(iz). In der Ausgabe des deutschen Magazins „GEO-Epoche“ über die Wikinger steht es Schwarz auf Weiß: „Bis zu 100 Millionen arabische ­Münzen schafften die Wikinger einst nach Norden, mehr als 80.000 sind allein in Schweden gefunden worden“. Die als raue Antichristen verschrieenen Heiden hatten auf ihren Marktplätzen offensichtlich kein Problem mit dem Symbol des Glaubens aus dem fernen Osten. Auf abenteu­erlichen Wegen hatten die kleinen Boote der Wikinger die fernen islamischen Städte bis nach Bagdad erreicht. Über Jahrhunderte hatten diese Münzen aus der islamischen Welt eine völkerverbindende Funktion.

In diesen „goldenen“ Zeiten war der islamische Dinar ein sicheres Mittel ­gegen Inflation. Die Kaufkraft von Gold blieb im Orient für beinahe 2.500 ­Jahre ohne größere Veränderungen und dient als Bezugspunkt für alle Silberwährungen, die in ihrem Wert immer wieder Schwankungen unterworfen waren. „Unter Darius dem Großen (522-486)“, berichtet der Münzkundler Walther Hinz in seinen Untersuchungen zu islamischen Währungen, „kostete ein Hammel im Durchschnitt 5,40 Goldmark; der selbe Preis ist – um nur ein einziges Beispiel herauszukriegen – in Anatolien im Jahr 1340 bezeugt“.

Sucht man heute mit Google nach dem Islamischen Dinar, finden sich über zwei Millionen Einträge. Tausende Internetseiten diskutieren Nutzung, Vertrieb und Einsatz der traditionellen islamischen Währung.

Die berühmte 4,25 Gramm schwere Münze aus Gold schien mit dem globalen Siegeszug der Fiat-Währungen aus dem islamischen Bewusstsein gedrängt. Der Niedergang der islamischen Welt zeigte sich auch im Bedeutungsverlust ihrer Währungen. In seiner „Osmanischen Geschichte“ beschreibt Halil Inalcik nicht nur den Fall der osmanischen Dynastie, sondern auch die ­gleichzeitige Aufgabe der Gold- und ­Silberwährungen zu Gunsten der zunehmenden Einführung von Papiergeld ab dem Jahre 1840.

Gold- und silbergedeckte Währungen hatten in Europa zunehmend, den Ruf altmodisch zu sein und die Zeichen der Zeit zu verkennen. Der weltweite Sieges­zug der europäischen Banken war ohne die gleichzeitige Einführung von strategi­scher Verschuldung und Papiergeld nicht denkbar. In Zeiten absehbarer Inflation und verbreiteter Ungerechtigkeit durch Währungsspekulationen ändert sich heute wieder die Einstellung zum Papier.

Seit der Schulden- und Bankenkrise erinnern sich auch Muslime vermehrt an den Sinn ihrer alten Maßeinheiten. Die Erinnerung tut not, denn der Dinar hat als Einheit nicht nur mit profanen ökonomischen Interessen zu tun, sondern ist auch mit der korrekten Zahlung der Zakat verknüpft. Die Standardisierung des Gewichts und die Feinheiten der Wechselkurse der Einheiten waren, im muslimischen Alltag, praktisch immer mit der Notwendigkeit einer korrekten Zahlung der Zakat verknüpft. Bereits zur Zeit des Kalifen ‘Umar ibn Al-Khattabs wurde ein festes Standardgewicht der zu dieser Zeit benutzten Münzen ermittelt, ­gerade eben auch um die Zakat besser berechnen zu können.

Der Herrscher ‘Abdulmalik hatte später in einer – für die Muslimen ­wichtigen Währungsreform – die Münzprägung in muslimische Hände genommen und eine eigene Münzprägeanstalt etabliert. ­Philip Grierson beschreibt in seiner Abhandlung „die Geldreform Abdulmalik’s“ die Bemühungen um einheitliches Aussehen und Standards der Münzen. Die Münzhoheit wurde nun auch im Islam ein wichtiges Zeichen der politischen Souve­ränität. Ibn Khaldun widmet in seiner berühmten „Muqqadima“ der Prägung von Münzen ein eigenes Kapitel. Dort erinnert er an die verbindliche Verpflich­tung politischer Führung: „Er muss sich um die Münzprägung kümmern, um die Währung zu vor Betrug schützen, die von den Leuten in ihren gegenseitigen Transaktionen benutzt wird.“ Heute wird die neue Dinarwelt von hunderten, voneinander unabhängigen Akteuren mit neuem Leben erfüllt. Grundsätzlich kann jede islamische Autorität an jedem Ort der Welt – mit ­völlig unterschiedlichem Design – einen ­neuen Dinar in Umlauf bringen. Die ­führenden Hersteller haben sich allerdings neben dem Gewicht und der Größe auch auf bestimmte Standards bei der Herstellung geeignet. Die technischen ­ ­Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts erlauben die Herstellung von Münzen von höchster Qualität und besonderer Reinheit.

In einer Welt mit globalen Handelsströmen ist die Qualität und Authentizi­tät der Münzen wichtig. Der Umlauf von Falschmünzen ist ein altes Problem. Heute sind allerdings neue Sicherheitsmerkmale auf den Münzen möglich, die man früher nicht kannte. Auf die Goldmünzen können in einem aufwändigen ­Verfahren beispielsweise Hologramme gespritzt werden, die die im Umlauf befindlichen Münzen fälschungssicher machen sollen. Andere Anbieter experimen­tieren bereits mit unsichtbaren Sicherheitsmerkmalen, die aber mit einfachen Geräten von den Nutzern erkannt werden können.

Moderne Zahlungssysteme im ­Internet machen deutlich, dass das Bekenntnis zum Dinar keine rückwärtsgewandte Romantik ist. Dinare sollen nicht etwa für das Museum geschaffen werden, sondern können heute wieder in Wadias gesammelt, über Wakalas vertrieben und mit modernen Zahlungssystemen in alle Welt gesendet werden. Dinare – so gesehen die Basis eines ausgeklügelten Wirtschaftssystemes und eine potenzielle „Weltwäh­rung“ – können auch die wertbeständige Grundlage von Investmentvereinbarungen im Rahmen islamischer ­Verträge sein. Wichtig ist die zu jedem Zeitpunkt zu gewährleistende physische Existenz der Währung. Der Handel mit auf Papier gedruckten Zahlungsversprechen ist im islamischen Recht ausdrücklich nicht erlaubt. Das Zusammenspiel der diversen ökonomischen Einrichtungen machen im Islam auch ein Wirtschaftsmodell ohne klassische Banken denkbar. Auch im Westen wird diese wirklich alter­native Seite des Islam zunehmend ­entdeckt.

Ob und wie man den Dinar nutzt, ist kein Politikum, es ist kein Indiz, ob man eine liberale oder konservative Weltanschauung hat, sondern der Dinar ist nur die einfache Grundlage und Recheneinheit des islamischen Wirtschaftsrechts. Auf dem Markplatz kann der Dinar – wie seit jeher – das Zahlungsmittel von Kaufleuten, Konsumenten und Händlern – natürlich auch von muslimischen ­Frauen, Juden und Christen – sein. Der islamische Markt erlaubt die freie Wahl der Zahlungsmittel. Die Nutzer vertrauen dem Dinar allein wegen seinem Gewicht und dem jeder Münze inne wohnenden Wert.

Der Dinar als Maßeinheit beschäftigt auch wieder eine Philosophie, die in der Einführung des Papiergeldes – wie das zum Beispiel Goethe voraussah – einen Schlüssel für den entfesselten Kapitalismus und damit die Gefährdung der Schöpfung sah. Die Begrenzung der Macht der Technik und insbesondere der Finanztechnik ist tatsächlich eine wichtige Dimension des islamischen Wirtschaftsrechts. Dabei gerecht und im Konsens mit Jedermann zu handeln, ist eines der wichtigsten qur’anischen ­Gebote.

Es gibt inzwischen aber auch andere Motivationen, gold- und silbergedeckte Währungen einzuführen. Mittlerweile existiert so etwas wie eine weltweite Bewegung der Gold-Befürworter. Alleine in den USA wollen 13 Bundesstaaten echte Münzen wieder als „Legal Tender (legales Zahlungsmittel)“ einführen. In Europa sind dem Vertrieb von Dinaren oder anderen goldgedeckten, privaten Zahlungsmitteln praktische Grenzen gesetzt. Zwar kann man auch in Deutschland, wie ein Blick in das Münzgesetz und die Medaillenverordnung zeigt, so genannte Medaillen produzieren. Sie sind aber mit Mehrwertsteuer zu verkaufen und damit gegenüber staatlichen Münzen (Legal Tender) nicht wettbewerbsfähig.

Inzwischen gibt es auch in Deutschland gewichtige Stimmen, sogar im deutschen Bundestag, die die freie Wahl von Zahlungsmitteln ohne Benachteiligung gegenüber staatlichem Geld befürworten. Nach der liberalen Überzeugung des FDP-MdB Schäffler kann nur durch einen fairen Wettbewerb der Zahlungsmittel verhindert werden, dass Staaten Unmengen schlechten Geldes in Umlauf setzen. Diese Position die auch die Marktgesetze für Geld gelten lassen will findet immer mehr Anhänger.

Die Sure Al-Baqara ist nicht nur die längste, sie behandelt auch viele Bereiche der Offenbarung. Von Selma Öztürk

Die Sure Al-Baqara ist die erste medinensische Sure in der Offenbarungsreihe. In der Reihenfolge im Mushaf [arab. Kopie] ist sie hingegen die zweite Sure nach der Al-Fatiha. Als medinensisch werden alle die Kapitel und Verse bezeichnet, die nach der Auswanderung des Propheten nach Medina 622 n. Chr. offenbart wurden. Alle Suren und Verse, die vorher offenbart wurden, werden mekkanische Suren und Verse genannt.

Folglich ist die Unterscheidung zwischen mekkanischen und medinen­sischen Suren und Versen nicht örtlich, sondern temporal zeitlich. Demzufolge wird ein Kapitel (oder ein Vers), die nicht in Medina, aber nach der Hidschra offenbart wurden, als medinensische ­bezeichnet.

Al-Baqara gehört zu den insgesamt 29 Suren des Qur’ans, die mit den Hurufu Muqadda beginnen, also Buchstaben, deren Bedeutung unbekannt ist. „Alif“, „Lam“, „Mim“ sind die Hurufu Muqadda der Sure Al-Baqara. Über diese Buchstaben haben Gelehrte und Qur’ankommentatoren viel nachgedacht.

Ihre endgültige Bedeutung blieb unklar. Ebenso wurde überlegt, ob diese Buchstaben auch Verse des Qur’ans darstellen oder man sie aus dem Verskomplex des Qur’ans rausnehmen sollte. Sie haben den Stellenwert eines Verses ­(einer Aja); sind also Offenbarungen Allahs, wenn auch ohne direkt erkennbare ­Bedeutung.

Die Sure Al-Baqara ist das längste ­Kapitel des Qur’ans und beinhaltet auch gleichzeitig den längsten Vers (282). Der größte Teil der Sure Al-Baqara wurde in der ersten Zeit in Medina offenbart. Das Kapitel trägt wie einige andere Kapitel des Qur’ans auch einen Tiernamen, nämlich „die Kuh“. Der Grund liegt ­darin, dass in diesem Kapitel (in den Versen 67ff.) die Parabel von der Kuh (dem goldenen Kalb) erwähnt wird. Die berühmte Geschichte der Bani Israeli und den vierzig Wüstentagen werden nur in diesem Kapitel erzählt, nirgendwo anders im Qur’an. Ein anderer Name ist Al-Kursi, weil der Thronvers (Ajat Al-Kursi) in ihr vorkommt, (255). Die letzten Verse der längsten Qur’ansure bringen ihre Botschaft noch einmal abschlie­ßend auf den Punkt. Sie sind Verse mit einer großen Bedeutung für die Muslime und auch Verse, die häufig gelesen werden. Das Kapitel endet mit einem Bittgebet (Du’a).

Am Anfang spricht Allah in ihr über drei Menschengruppen: die Gläubigen (Muminun), diejenigen, die die Wahrheit bedecken (Kafirun) und die Heuchler (Munafiqun). Danach wird Bezug genommen auf die Schöpfungsgeschichte, auf die Erschaffung des Menschen, auf das Gespräch zwischen Allah und den Engeln, auf den Urvater Adam und seiner Gattin sowie auf Iblis.

Danach werden die Schriftbesitzer erwähnt und angesprochen, die die ihnen offenbarten Schriften verfälscht haben und somit Muhammed als den angekündeten letzten Propheten nicht anerkannt haben. Diese Sure erwähnt auch den Propheten Ibrahim und seinen Sohn Ismail, die gemeinsam die Ka’aba wieder erbauen.

Die Gebetsrichtung der Muslime zur Ka’aba wird auch in diesem Kapitel festgelegt. (Verse 142ff.). Der Prophet Ja’qub und seine letzte Ermahnung beziehungs­weise seine letzten, weisen Worte an ­seine Söhne auf seinem Sterbebett finden in dieser Sure Erwähnung.

Darüber hinaus werden zahlreiche Grundsätze der islamischen Glaubenslehre in diesem Kapitel festgelegt. Es sind überwiegend Gebote und Verbote, die die Gemeinde und das Zusammenleben in einer Gemeinschaft betreffen. Hierzu zählen unter anderem das heute besonders relevante Wucherverbot, Behandlung von Waisen und Frauen (während ihrer Menstruation, ihre Scheidung, die Entwöhnung etc.), das Gebet, die Vermögensabgabe (Zakat), sowie das Verbot von Wein, Glücksspielen, Unzucht und dem Verzehr vom Schwein. Es sind also die schwerwiegende falschen Handlungen (Kabair), die man in ­dieser Sure findet. Das Gebot des Fastens im Monat Ramadan wird ebenfalls in der Al-Baqara behandelt sowie die Zeugenaussage. Viele weitere Themen – wie auch die Geschichten von Saul, David und Goliath – kommen in Al-Baqara vor.

Ein Blick auf diesen Qur’anabschnitt zeigt, dass sie entscheidende und grundlegende Themen behandelt. Die längste Sure des Qur’ans offenbart uns nicht nur essenzielle Elemente über die Einheit Allahs, der Glaubenslehre und Prophetengeschichten, ­sondern auch Handlungsanweisungen aus den Bereichen der Anbetung (‘Ibada) und der sozio-ökonomischen Transaktionen (Mu’amalat). Deshalb wurde sie vom Propheten auch als der Rumpf, also der Hauptbestandteil des Qur’ans bezeichnet.

Niedersachsens Innenminister Schünemann setzt auf volle Überwachung

Mit seinem neuem Konzept für die Intensivierung einer so genannten „Sicher­heitspartnerschaft“ will Niedersachsens Innenminister Schünemann die Überwachung potenzieller „Gefährder“ noch weiter ausbauen.

(iz). In Zeiten erschütternder Terrorakte wie in Toulouse, müssen Politiker, die eine Verschärfung bestehender Kontrollmechanismen verlangen, nur im Ausnahmefall mit Widerspruch von der Öffentlichkeit rechnen. Wie dies funktioniert, lässt sich am französischen Präsidentschaftswahlkampf erkennen. Amtsinhaber Sarkozy spielt geschickt auf der Klaviatur der Ängste seiner Wählerschaft und holte gegenüber seinem Mitbewerber auf.

Im beschaulichen Niedersachsen allerdings braucht es solche schrecklichen Ereignisse nicht, um die betriebsamen Hüter der öffentlichen Ordnung auf Trab zu halten. Bereits in der Vergangen­heit fielen die dortigen Behörden unter der Ägide des Innenministers Uwe Schünemann (CDU) dadurch auf, dass sie ­gewohnheitsmäßig verdachtsunabhängige Personenkontrollen vor unverdächtigen Moscheen durchführten; trotz mehrfacher Proteste seitens der dortigen ­muslimischen Gemeinden und ihrer ­Interessenvertreter.

Am 7. März veröffentlichte sein Minis­terium ihr Handlungskonzept für „Antiradikalisierung“ und „Prävention im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus“ in Niedersachsen. Das ministerielle Papier setzt auf volle Vernetzung, wobei auch Lebensbereiche (wie Sozialbehörden oder Schulen) mit einbezogen werden sollen, die nichts mit den Kernaufgaben der Extremismusprävention zu tun haben. Besonders viel Kritik erhielt das Konzept dafür, dass die Wirtschaft und Unternehmen angehalten werden, nach potenziellen „Gefährdern“ in eigenen Ausschau zu halten. Selbstverständlich wolle man aber nicht, dass „muslimische Mitbürgerinnen und Mitbürger unter einen Generalverdacht“ gestellt oder stigmatisiert würden.

Das Papier aus dem Hause Schünemann wurde auch von Seiten der muslimischen Verbände kritisiert – der Schura Niedersachsen und der lokale Ditib-Verband. Man habe dem Konzept entgegen verlautbarter Meldungen nicht ­zugestimmt.