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Türkische Küche: 1001 Rezepte aus drei Kontinenten

Ausgabe 235

(iz). Fährt man in der Türkei über Land und kehrt in einem Provinzrestaurant ein, findet man nirgendwo eine Speisekarte. Der Gast geht geradewegs in die Küche, in der die Speisen zur freien Wahl ausgestellt sind und stellt sich nach Duft, Aussehen und Farbenpracht sein Essen zusammen. Ein Restaurant ist eben keine Bibliothek, der Gast informiert sich über seine Sinne, nicht über geschriebenes Papier. Die traditionelle türkische Küche verschmähte bis in die jüngste Vergangenheit die schriftliche Fixierung von Rezepten mit exakten Gramm- und Kochzeitangaben – so etwas gibt es erst neuerdings für Ausländer und für die jüngere Generation.

Überall in der Welt messen die Menschen dem Essen eine große Bedeutung zu. In Deutschland heißt es: „Die Liebe geht durch den Magen“, in der Türkei gibt es ein sehr ähnliches Sprichwort: „Das Leben kommt aus dem Magen“. Zeitaufwendige Zubereitungsarten sind für die Türken etwas Selbstverständliches, Schnellgerichte nicht ihre Sache. Sie halten sich gerne ausgiebig in der Küche auf und überprüfen die Qualität der Gerichte durch immer neue Kostproben.

Die Entwicklung der türkischen Küche ist eng mit der Geschichte und der Ausdehnung des Osmanischen Reiches verknüpft. Die geografische Spannweite der türkischen Küche reicht von Mittelasien bis Marokko, vom Jemen bis fast nach Wien. Die Türken waren stets offen für fremde Einflüsse, dies findet seinen Niederschlag auch in der türkischen Küche. Sie hat ausländische Speisen, die die türkischen Vorfahren von Reisen und Kriegszügen mitgebracht haben, aufgenommen. Ein typisches Beispiel hierfür, ist die aus Russland kommende und in der Türkei sehr beliebte Borschtsch-Suppe, die in den Monaten Oktober bis März gegessen wird.

Die Küche eines Volkes kann man mit Recht als den Spiegel seiner Lebenskunst betrachten, und darin gehören die Türken ganz ohne Zweifel zu den großen Epikureerern dieser Welt. Grundelemente und Geschmacksrichtungen der regionalen Spezialitäten werden nicht nur von der jeweiligen Landschaft und ihren Erzeugnissen bestimmt – und die Landschaft der Türkei ist wechselvoll und voller Überraschungen -, sondern auch von der sozialen Geschichte der Region sowie der Geschichte der Türken. So verdanken die Türken ihrer innerasiatischen Vergangenheit manche Grundelemente ihrer Küche.

Das Wissen um den Umgang mit Mehl, Fleisch, Milch und tierischen Fetten, die schon vor Jahrtausenden in Innerasien die Ernährungsgrundlange der Turkstämme bildeten, wurden von den Stämmen, die nach Westen, unter anderem nach Anatolien, auswanderten, mitgebracht. Sie bilden heute noch, insbesondere in den inneranatolischen Regionen, die Grundlage der Ernährung. Mehl-, Fleisch- und Milchspeisen gehören auch heute auf den täglichen „Tisch“, der übrigens aus einem großen runden Kupfertablett besteht, das auf den Holzrahmen eines großen Siebes gestellt wird. Darunter liegt ausgebreitet auf dem Boden das große „Tischtuch“. Man nimmt um dieses Tablett herum mit gekreuzten Beinen auf Sitzkissen am Boden Platz. Den Rand des ausgebreiteten Tischtuches benutzt man als Serviette. Nur in den Städten ist dieser „Tisch“ in unserem Jahrhundert durch den europäischen Tisch ersetzt worden.

Bei einer so reichen Küche wie der türkischen, kann man nur schwer von Nationalspeisen sprechen, da es keine festgeschriebenen Rezepte gibt. Man denke zum Beispiel an „Kebap“. Für diese Fleischspieße ist die Türkei international berühmt. Doch kann man hier nicht von einem spezifischen Gericht sprechen. Vielmehr ist Kebap eine Sammelbezeichnung für eine unübersehbare Zahl von verschiedenen gegrillten, gerösteten, gebratenen und gedünsteten Speisen. Jeder Ort in der Türkei ist stolz auf seine besondere Art, Kebap zuzubereiten. Ländlichen Ursprungs ist die Spezialität „Sis Kebap“, Fleisch am Spieß. Eine mehr städtische Spezialität dagegen ist „Döner Kebap“. Zu den Kebaps, die durch ihren Namen mit einer Stadt verbunden sind, gehört „Adana-Kebap“, der nicht nur in der Türkei landesweit bekannt ist, sondern auch in Deutschland in allen türkischen Restaurants angeboten wird. Adana-Kebap besteht aus besonders scharf gewürztem Hackfleischbrät, das am Spieß gebraten wird und je nach Wahl auch mit Fladenbrot und mit Joghurt gereicht wird. Adana ist wie auch andere Städte im Süden der Türkei – zum Beispiel Diyarbakir, Urfa, Gaziantep oder Mardin – bekannt für scharf gewürzte Speisen. Neben den ausgesprochen scharf gewürzten Gerichten fallen in der türkischen Küche auch die extrem süßen Speisen wie „Baklava“ auf. Doch handelt es sich dabei lediglich um Besonderheiten, meist sogar um lokale Spezialitäten. Im Ganzen gesehen, neigt die türkische Küche nicht zu Extremen, sondern bevorzugt schmackhafte und bekömmliche Gaumenfreuden.

Gemeinsames Essen mit Bekannten, Freunden, Nachbarn, Verwandten und nicht zuletzt mit überraschend eingetroffenen Gästen wird in der ganzen Türkei gepflegt. Dies ist der Ausdruck der sprichwörtlichen, bis heute ungebrochenen türkischen Gastfreundschaft. Man nennt den unerwarteten und wildfremden Besuch ganz einfach „Gast Allahs“ und öffnet ihm die Tür und bittet ihn zu Tisch. Mag man auch noch so arm sein, dem „Gast“ und dem „Gast Allahs“ gehört das Beste, was das Haus zu bieten hat – ja, was darüber hinaus in der Nachbarschaft und im ganzen Dorf aufgetrieben werden kann. Keine Mühe wird gescheut, den Gast mit besonderen Speisen reichlich zu bewirten. Bei großen Ereignissen wie Hochzeiten nehmen die Gänge, die aufeinander folgen, manchmal kein Ende. Aber auch bei einfachen Besuchen sind mehrere Gänge der Brauch. Dabei geht es nicht um Imponiergehabe, sondern ganz einfach um die Wertschätzung des Gastes.