Der echte Moscheereport: Alles, wirklich alles, was man über Moscheen wissen muss

(iz). Die Moschee ist mehr als ein Ort des Gebets, auch wenn dies natürlich ihre wichtigste Bestimmung ist. Um die Bedeutung der Moschee im Islam und ihren Status als religiös-spirituelle und soziale Institution erfassen zu können, ist es unumgänglich, auf die Entstehung, die historische Entwicklung und die verschiedenen Funktionen der Moschee, die sie schon immer innehatte, einzugehen. Dies soll im folgenden Anhand einiger wesentlicher Aspekte geschehen. Da die islamische Lebensweise charakterisiert ist durch das Festhalten an der Lebensweise des Propheten Muhammad und der frühen muslimischen Gemeinschaft, die sich exemplarisch in Medina manifestierte, ist eben dieses zeitlose Vorbild, aber auch die spätere islamische Tradition im Leben und Denken eines Muslims auf eine Art und Weise gegenwärtig, die die physische zeitliche Entfernung von hunderten von Jahren gewissermaßen aufhebt. Insofern ist auch Sphäre der Moschee als einer räumlich-materiellen und institutionellen Manifestation des Islam nicht klar in eine historische und eine gegenwärtige Dimension trennbar.
Die Moschee als Ort des Gebets
Zu den wichtigsten Pflichten eines Muslims gehört das rituelle Gebet. Das Gebet zählt zu den Fünf Säulen des Islam, neben dem Glaubensbekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Muhammad ist Sein Gesandter“, dem Fasten im Monat Ramadan, der Pilgerfahrt zum Haus Allahs nach Mekka und der jährlichen Vermögenssteuer. Die Verpflichtung zur Verrichtung des Gebets ist im Qur’an als dem Propheten und Gesandten Muhammad offenbarten Wort Gottes, an zahlreichen Stellen erwähnt. Im folgenden seien einige dieser Stellen zitiert:
“Wahrlich, das Gebet zu bestimmten Zeiten ist für die Gläubigen eine Pflicht” (Sura An-Nisâ (Die Frauen), Vers 103).
“Dies sind die Verse der vollkommenen Schrift, eine Führung und eine Barmherzigkeit für jene, die Gutes tun, die das Gebet verrichten und die Zakah entrichten und fest ans Jenseits glauben. Sie sind es, die der Führung ihres Herrn folgen, und sie sind es, die erfolgreich sind” (Sura Luqmân , Vers 2-5).
“Denjenigen, die sich in Reue (zu Allah) wenden, (Ihn) anbeten, (Ihn) lobpreisen, die (in Seiner Sache) umherziehen, die sich beugen und niederwerfen, die das Gute gebieten und das Böse verbieten und die Schranken Allahs achten – verkünde diesen Gläubigen die frohe Botschaft” (Sura At-Tauba [Die Reue], Vers 112).
In einem Hadîth , einer Überlieferung vom Propheten Muhammad, heißt es über das Gebet: „Stellt euch vor, jemand von euch hätte vor seinem Haus einen Fluß und würde in ihm fünfmal am Tage baden, würde dann etwas von seinem Schmutz an ihm bleiben?“ Die Gefährten antworteten: „Nichts von seinem Schmutz würde bleiben.“ Da sagte er: „Genauso ist es mit den fünf Gebeten. Allah tilgt durch sie die Sünden“ (Nach Abu Huraira).
Die zentrale Bedeutung des Gebetes für die Glaubenspraxis eines Muslims wird durch folgenden Ausspruch des Propheten verdeutlicht: „Zwischen einem Menschen und Kufr (dem Bedecken der Wahrheit) steht das Unterlassen der Gebete“ (Nach Dschâbir; überliefert von Muslim und Ahmad). Die fünf täglichen Gebetszeiten richten sich nach dem Sonnenstand. Das wöchentliche Freitagsgebet muss in Gemeinschaft verrichtet werden. Es ist eine Pflicht für jeden Muslim, der die Pubertät erreicht hat, geistig gesund, sesshaft, männlichen Geschlechts und in der Lage ist, in die Moschee zu kommen. Es ist keine Pflicht für Frauen und Kinder, Reisende, Kranke und Pflegekräfte, die ihre Patienten nicht allein lassen können sowie bei akuter Gefahr oder schlechten Witterungsverhältnissen (Hagel, Sturm u.ä.).
Das Gebet findet am Freitag zur Zeit des Mittagsgebets an dessen Stelle statt und beginnt mit einer Ansprache bzw. Predigt (Khutba). Wer nicht am Freitagsgebet teilnehmen kann, verrichtet das reguläre Mittagsgebet. Das Wort „Moschee“ leitet sich vom arabischen Masjid (sprich: Masdschid) ab, was „Ort, an dem man sich niederwirft“, also das Gebet verrichtet, bedeutet. Die Erwähnung der Moschee, die auch als „Haus Allahs“ bezeichnet wird, erfolgt im Qur’an direkt nach dem berühmten „Lichtvers“ in Sura 24, An-Nur („Das Licht“), der im folgenden auch um des besseren Verständnisses des Zusammenhangs wegen hinleitend wiedergegeben wird:
“Allah ist das Licht des Himmels und der Erde. Sein Licht ist gleich einer Nische, in der sich eine Lampe befindet: Die Lampe ist in einem Glas; das Glas gleich einem funkelnden Stern. Angezündet (wird die Lampe) von einem gesegneten Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist, dessen Öl beinahe leuchten würde, auch wenn das Feuer es nicht berührte. Licht über Licht. Allah leitet zu Seinem Licht, wen Er will. Und Allah prägt Gleichnisse für die Menschen, und Allah kennt alle Dinge. (Es ist) in Häusern, für die Allah die Erlaubnis erteilte, sie sollen errichtet werden und Sein Name soll darin verkündet werden. Darin preisen (sie) Ihn am morgen und am Abend – Männer, die weder Ware noch Handel vom Gedenken an Allah abhält und der Verrichtung des Gebets und dem Entrichten der Zakah; sie fürchten einen Tag, an dem sich Herzen und Augen verdrehen werden” (Sura An-Nur,, Vers 35-37).
“Und wahrlich, die Moscheen sind Allahs; so ruft niemanden neben Allah an” (Sura Al-Dschinn [Die Dschinn], Vers 17).
Entsprechend einem Hadith des Propheten Muhammad ist für den Muslim im Prinzip die ganze Erde eine Moschee, d.h. ein Ort der Anbetung Gottes. Der Gebetsplatz sollte lediglich sauber von unreinen Substanzen sein, und die Gebetsrichtung zur heiligen Moschee in Mekka muss eingehalten werden, soweit diese bestimmbar ist. Eine besondere Rolle kommt der Moschee aber auch dadurch zu, dass das in Gemeinschaft verrichtete Gebet als verdienstvoller gilt, es zudem durch das Zusammenkommen die Gemeinschaft der Gläubigen stärkt. Vorbeter beim Gemeinschaftsgebet kann grundsätzlich jeder Muslim sein, sofern er männlich ist, einige Verse des Qur’an auswendig rezitieren kann (dies kann de facto jeder Muslim, da es zur Verrichtung der Gebete unerlässlich ist) und von der Gemeinde als Vorbeter akzeptiert wird. Für die Stellung des Imâm in einer Moschee gibt es weitere Voraussetzungen, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll.
Architektur und Atmosphäre der Moschee
Es ist wichtig zu wissen, dass eine Moschee, anders als etwa eine christliche Kirche, kein geweihter oder „geheiligter“ Ort ist, sondern lediglich ein Gebäude, das der Verrichtung des gemeinschaftlichen Gebets dient. Dazu gehört allerdings, dass der Boden sauber gehalten wird (in der Regel wird er mit Teppichen oder Matten ausgelegt), und es bestimmte Verhaltensregeln (Adab) für die Moschee gibt, wie beispielsweise seine Stimme nicht laut zu erheben, um andere nicht im Gebet oder bei der Qur’an-Lektüre zu stören und eine gewisse Würde des Ortes zu bewahren. Zu den obligatorischen Bestandteilen einer Moschee gehört eine Gebetsnische (Mihrâb), die in die Gebetsrichtung (Qibla), also in Richtung Mekka, ausgerichtet ist, oder dass zumindest die Qibla klar erkenntlich markiert ist. Des weiteren verfügen die meisten Moscheen über ein Minbar, eine Art Kanzel, auf denen der Imam die Freitagsansprache (Khutba) hält.
Ein Minarett, von dem aus zu den Gebeten gerufen wird, ist zwar praktisch, aber nicht zwingender Bestandteil einer Moschee. Es verfügt aber zweifellos über eine bedeutende Erkennungsfunktion. Zur Zeit des Propheten wurde der Gebetsruf (Adhân) einfach vom Dach der Moschee in Medina ausgerufen. Noch weniger eine Kuppel obligatorischer Bestandteil einer Moschee. In Deutschland häufig anzutreffende populäre Vorstellungen gehen in der Regel davon aus, dass eine „richtige“ Moschee stets über ein Minarett (in schmaler, oben spitz zulaufender Form) und über eine zentrale Kuppel verfügen müsse. Dieses Bild entspricht aber lediglich dem in der Türkei und den ihr nahegelegenen Gebieten des ehemaligen Osmanischen Reiches (wie den Balkanländern und z.T. Syrien) üblichen klassischen architektonischen Stil von Moscheebauten, doch selbst dort ist dieser ursprünglich eher nur bei größeren, städtischen Moscheen anzutreffen.
Die Errichtung einer Moschee gilt im Islam als sehr segensreiches und verdienstvolles Werk. Auch die Moscheen und Gebetsräume in Deutschland werden überwiegend in Eigenarbeit von Muslimen errichtet bzw. hergerichtet. In einem Hadîth heißt es: „Wer um Allahs Willen eine Moschee baut, dem wird Allah ein Haus im Paradies bauen lassen“ (Überliefert von Bukhari und Muslim). Die Moschee, die zum Vorbild für unzählige spätere wurde, entstand in Medina, der Stadt, in die der Prophet Muhammad mit den frühen Muslimen aus Mekka ausgewandert war und in der das erste muslimische Gemeinwesen entstand, dessen Vorbildcharakter zeitlose Gültigkeit behält. Bei seiner Ankunft begründete der Prophet an der Stelle sein Wohnhaus, wo sein Kamel sich niederließ. Der Hof seines Wohnhauses wurde zur Moschee.
Sie ist jedoch nicht die erste Moschee des Islam. Diese entstand in Quba, einem Ort in der Nähe Medinas, in dem der Prophet sich mit seinen Gefährten vor seinem Einzug in Medina für kurze Zeit aufgehalten hatte. Die Moschee in Medina, die bis heute existiert und in der sich auch das Grab des Propheten befindet, wurde mit ihrem teils offenen, teils bedeckten Innenhof zum Vorbild für die meisten der frühen Moscheen. Insbesondere im arabischen Raum und in Nordafrika ist dieser Typus der Moschee bis heute vorherrschend. „Der Prophet gab die Order, den Hof, den er soeben erworben hatte, in eine Moschee umzubauen, und wie in Quba machten sie sich sofort an die Arbeit. Der größte Teil des Gebäudes wurde aus Ziegeln gebaut. Nur in der Mitte der nördlichen Mauer, also der Mauer, die nach Jerusalem zeigte, verwendeten sie auf beiden Seiten der Gebetsnische Steine. Die Palmen im Hof wurden gefällt und ihre Stämme dazu genommen, um das Dach aus Palmzweigen zu stützen. Doch der größte Teil des Hofes blieb unüberdacht,“ heißt es dazu in einem populären Werk über das Leben des Propheten.
Wie in dem zitierten Textabschnitt deutlich wird, war die Gebetsrichtung anfänglich noch in Richtung Jerusalem (Al-Quds) ausgerichtet, bis dies durch eine Offenbarung geändert wurde. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene baulich-architektonische Typen von Moscheebauten, die vereinfachend in den arabischen, persischen, indischen und osmanischen Typus untergliedert werden können. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden. In der islamischen Kunst allgemein und somit auch in der Moschee gibt es im allgemeinen keine bildhaften Darstellungen, vielmehr eine allerdings äußerst vielfältige abstrakte Ornamentik, die sogenannte Arabeske, sowie die Kalligraphie, die Schriftkunst, die als die höchste Kunstform betrachtet wird, da sie den Qur’an, das Wort Gottes, wiedergibt.
In der Moschee entsteht dadurch ein Raumeindruck, der gewissermaßen als eine Leere umschrieben werden kann. Ein Kunsthistoriker beschrieb den Raumeindruck der Moschee folgendermaßen: „Während das innere einer romanischen Basilika auf den Altar hin ausgerichtet ist und die Apsis einer gotischen Kirche in die Höhe strebt, enthält der Innenraum einer Moschee keinerlei dynamisches Element; wie immer sie angelegt sein mag, schon bei den urtümlichen Moscheen mit ihren Kuppeln ist der Raum stets so angeordnet, dass er ganz in sich ruht; er stellt keine Weite dar, die darauf wartet, durchschritten zu werden; seine Leere ist gleich einer Gussform oder wie eine Hülle, die eine bewegungslose und ungeschiedene Fülle umgibt.“
Die muslimischen Architekten haben diesen Raumeindruck mit verschiedenen Mitteln erreicht, sei es durch eine horizontale Säulenhalle wie in der Moschee von Medina, oder durch die konzentrischen Kuppelwölbungen in den türkisch-osmanischen Moscheen. Die Architektur und Gestaltung der Moschee trägt zweifellos zu ihrer unverwechselbaren Atmosphäre bei, dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es vor allem die Menschen, die in ihr beten, lehren, lernen, Allahs gedenken, sich begegnen und austauschen, sind, die entscheidend den Charakter und die Dynamik der Moschee prägen. So ist die Moschee in erster Linie ein Ort des Gebets und des Gedenkens an Gott, was aber andere Nutzungen nicht ausschließt, wie in den folgenden Abschnitten gezeigt werden soll, da eine Trennung der Sphären in „heiliges“ und „profanes“ im Islam so nicht existiert. Vielmehr bestimmt der Islam als eine umfassende Lebensweise das gesamte Alltagsleben, in das wiederum auch die Moschee eingebunden ist, als ein Ort der Gemeinschaft und der Versammlung zum Gebet und zu anderen Anlässen, aber auch als ein Ort der Ruhe und der Kontemplation.
Die Moschee als Gemeinschaftszentrum
Die Moschee kann als die wichtigste räumliche Institution im Islam bezeichnet werden, neben dem Wohnhaus als Ort der Familie und noch vor dem Markt (arab. Sûq, pers. Basâr), da sie klassischerweise den meist frequentierten Ort neben dem Wohnhaus und dem Arbeitsplatz darstellt und das spirituelle und soziale Herz der muslimischen Gemeinschaft ist. Im Idealfall wird die Moschee von den praktizierenden Muslimen mindestens ein bis zweimal, und bis zu fünf mal täglich aufgesucht. Dies allein verdeutlicht schon die Wichtigkeit der Moschee in einer muslimischen Gemeinschaft. Im Vordergrund steht die spirituelle Bedeutung. In der Moschee verrichtet man das Gebet, konzentriert sich auf die Verbindung zu Gott und liest im Qur’an oder religiösen Büchern.
Man nimmt an religiösem Unterricht oder Vorträgen teil und tauscht sich mit anderen aus. Die Begegnung mit anderen Muslimen, Begrüßung, Gespräche und das gemeinsame Gebet haben auch eine wichtige Funktion für die Entwicklung und Erhaltung des Gemeinschaftsgefühls. Durch die regelmäßigen Begegnungen wird das Zusammengehörigkeitsgefühl stets aufrechterhalten und erneuert. Nach der Auswanderung (Hidschra) der frühen muslimischen Gemeinde von Mekka nach Medina hatten die Muslime erstmals die Möglichkeit, sich öffentlich zum Gemeinschaftsgebet zu versammeln.
Die Gründung der Institution der Moschee in Medina ist damit aufs engste mit der Entstehung des muslimischen Gemeinwesens verknüpft, welche zur selben Zeit stattfand. Die Gründung der Moschee des Propheten in Medina kann somit auch als Grundsteinlegung des muslimischen Gemeinwesens betrachtet werden. Die Bedeutung der Funktionen der Moschee in der frühen Zeit in Medina leitet sich daraus ab, dass die frühe Gemeinschaft der Muslime in Medina zur Zeit des Propheten Muhammad und seiner Gefährten sowie deren nachfolgenden Generationen als das zeitlos gültige Idealmodell einer islamischen Gesellschaftsordnung und des Zusammenlebens gilt, so dass deren Vorbildfunktion im Islam bis heute ungebrochen weiterbesteht und daher eine hohe normative und ideelle Relevanz besitzt.
Die Moschee in Medina war eingebunden in ein politisches, soziales und wirtschaftliches Programm, sie war keine ungebundene, rein religiöse Einrichtung. Bereits in der frühen Zeit in Medina diente die Moschee den Muslimen auch als Versammlungshaus zu verschiedenen Anlässen. Der Prophet Muhammad empfing dort auch Abgesandte und Delegationen zu Verhandlungen und Vertragsschlüssen. So besuchte beispielsweise einmal eine Delegation von Christen aus Nadschrân nahe der Grenze zu Jemen den Propheten in der Moschee, und sie beteten auch in der Moschee. Dies wurde von einigen muslimischen Rechtsgelehrten später als ein Beleg dafür gesehen, dass die „Leute des Buches“ (Ahl al-kitâb), d.h. Juden und Christen, die Moscheen betreten dürfen, zumindest wenn dafür ein sinnvoller Grund besteht, etwa das Interesse am Islam. Diese Regel gilt auch heute in vielen muslimischen Ländern und Moscheen, insbesondere auch in Europa, obgleich vielerorts gerade in muslimischen Ländern weiterhin die Ansicht vorherrscht, dass nur Muslime die Moscheen betreten dürfen. Dies ist z.B. in Marokko bis heute der Fall.
Welche der beiden Positionen islamisch-rechtlich betrachtet “richtiger” ist, kann und soll hier nicht diskutiert werden. Es genügt, festzustellen, dass beide Ansichten existieren. Die Moschee diente auch stets als ein Ort für öffentliche Verlautbarungen. In ihr wurde vom Qâdi Recht gesprochen und Verträge geschlossen. Die Ansprache im Rahmen des Freitagsgebets hatte immer auch eine politische Bedeutung. Ursprünglich, unter den früheren Generationen, wurde die Khutba vom Khalifen als „Befehlshaber“ (Amîr) der Muslime selbst gehalten, später zumindest in seinem Namen oder stellvertretend für ihn.
Erst seit der abbasidischen Zeit (ab dem Jahre 750) war der Kalif nicht mehr zugleich Imam der Hauptmoschee. Traditionell wurde am Ende jeder Khutba ein Bittgebet (Du’a) für den Amir der Gemeinschaft gelesen, wie es seit der Zeit des Propheten und seiner Nachfolger, der rechtgeleiteten Kalifen, der Fall war, was den politischen Aspekt der Gemeinschaft repräsentiert. Nach dem Freitagsgebet wurde die Moschee zu einem Ort, in welchem sich die Leute begrüßten und einluden. Im Qur’an heißt es:
“O ihr, die ihr glaubt, wenn zum Freitagsgebet gerufen wird, dann eilt zum Gedenken Allahs und stellt den Geschäftsbetrieb ein. Das ist besser für euch, wenn ihr es nur wüsstet. Und wenn das Gebet beendet ist, dann zerstreut euch im Lande und trachtet nach Allahs Gnadenfülle und gedenkt Allahs häufig, auf dass ihr Erfolg haben möget” (Sura 62 (Al-Dschumu’a, Der Freitag), Vers 9-10).
Dieser Aspekt des Freitagsgebets als sozialem Ereignis wird auch dadurch deutlich, dass es in der Rechtsschule des Imam Malik, des Gelehrten von Medina, nicht üblich ist, nach dem gemeinsamen Dschum’a-Gebet weitere Gebete in der Moschee zu verrichten, anders als zum Beispiel in der hanafitischen Rechtsschule. Die Moscheen und ihre zugehörigen Anlagen wurden oft von wohlhabenden Spendern gestiftet, sie waren somit ein Waqf (pl. Auqâf, im Maghreb auch sing. Habûs), eine sogenannte fromme Stiftung, die Steuerfreiheit genoss und sich durch eigene Einkünfte etwa aus Ländereien; Läden, Bädern, Mühlen etc. finanzierte. Noch heute werden in muslimischen Ländern oft die Moscheen von den sogenannten Auqâf-Behörden oder –ministerien verwaltet, die jedoch mit den früheren Auqâf eigentlich nicht mehr als den Namen gemein haben.
In der Moschee in Medina wurde auch das in Form von Spenden eingegangene Geld gesammelt und verteilt. In Notfällen wurde vom Propheten in einer Ansprache auch zu Hilfsaktionen aufgerufen. Viele Muslime, die mit dem Propheten ausgewandert waren, waren alleinstehend und obdachlos und hatten ihre Unterkunft in der Moschee. Auch die späteren Jahrhunderte hindurch war es in der islamischen Welt üblich, dass die Moscheen auch als Unterkunft für Reisende dienten. Grundsätzlich besteht diese Funktion auch heute noch, selbst wenn es mittlerweile auch in einigen muslimischen Ländern üblich geworden ist, die Moscheen nach dem letzten Gebet abzuschließen. Insbesondere in den letzten zehn Tagen des Fastenmonats Ramadan ist es Sunna, d.h. eine auf das Vorbild des Propheten zurückgehende Handlung, sich in den Moscheen zurückzuziehen, um sich ganz dem Gebet, der Lektüre des Qur’an und der Kontemplation zu widmen. Man bleibt dann 24 Stunden am Tag in der Moschee und verlässt diese nur, wenn es unvermeidlich ist. An dieser Stelle kann noch hinzugefügt werden, dass es dem Adab, dem Benehmen oder richtigen Verhalten innerhalb der Moschee nicht widerspricht, in ihr auch zu schlafen, sei es im Sitzen oder Liegen. So ist es nichts außergewöhnliches, etwa in den Nachmittagsstunden Muslime in der Moschee zu sehen, die sich dort ausruhen oder einen „Mittagsschlaf“ halten. Bereits in der frühen muslimischen Gemeinschaft in Medina wurden in der Moschee auch Kranke betreut, und noch heute findet man in Moscheen medizinische Versorgungseinrichtungen. Die großen Moscheen in der islamischen Welt waren meist multifunktionale Komplexe, in denen es Armenküchen, Hospitäler und medizinische Versorgung sowie Bibliotheken gab und auch Dienstleistungen, wie etwa Friseurdienste, angeboten wurden. Als Beispiel dafür sei die Süleymaniye-Moschee in Istanbul genannt, eine der bekanntesten und bedeutendsten Moscheen der Stadt. Der zur Süleymaniye-Moschee gehörige Komplex, der als Külliye oder auch Imâret bezeichnet wird, umfasste beispielsweise sieben Medresen, eine umfangreiche und bedeutende Bibliothek, ein Krankenhaus mit einer medizinischen Schule, eine Armenküche, Unterkünfte für Reisende und ein Badehaus (Hammam). In der Stiftungsurkunde (Waqfiyye) der Moschee sind 275 Personen verzeichnet, die in der Moschee beschäftigt waren. Die Moschee war immer auch eine Räumlichkeit, die zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten und Feierlichkeiten zur Geburt eines Kindes genutzt wurde und wird. Dazu wird in der Moschee bzw. deren Räumlichkeiten auch gekocht und gegessen. Oft wird auch das Totengebet zur Beerdigung von Verstorbenen wird in der Moschee verrichtet, auch wenn nach einigen Rechtsschulen, etwa der des Imam Malik, dies nicht der gewünschte Fall ist und der Leichnam, dessen Anwesenheit notwendig ist, sich dabei zumindest nicht innerhalb des Gebetsraums befinden darf. In Dörfern in der muslimischen Welt dient die Moschee auch als Versammlungs- und Besprechungsraum, in dem die Belange der Dorfgemeinschaft besprochen werden. Die Moschee war also von Beginn ihrer Entstehung an ein multifunktionales Gemeinschaftszentrum, eine soziale Institution, die in ihrer Funktion im Leben der Muslime eine Rolle spielt, die etwa mit der Rolle eines Kirchengebäudes im Christentum nicht vergleichbar ist. Darauf, inwieweit diese Multifunktionalität in den muslimischen Ländern heute noch gegeben ist, und inwiefern diese gerade in den europäischen Ländern wieder verstärkt zum Tragen kommt, soll ebenfalls noch eingegangen werden.
Die Moschee als Bildungsstätte
Obwohl sich in der islamischen Geschichte etwa ab dem 5.Jh. (dem 12. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung) der Typus der Madrassa (türk. Medrese) als islamischer Bildungsstätte entwickelt hat, von denen die großen Madrassen wie die Nizâmiyya in Baghdad, die im Jahre 969 gegründete Al-Azhar in Kairo und die bereits 857 begründete Al-Qarawiyin in Fes als islamische Universitäten einen legendären Ruf in der gesamten islamischen Welt erlangten, behielten die Moscheen diese Funktion, die sie von Beginn an übernahmen, bei. In Al-Azhar und Qarawiyin wurde lange Zeit weiterhin in den Moscheen unterrichtet, und speziell im Westen, in Nordafrika, setzte sich die Madrassa als eigene, von der Moschee getrennte bauliche Einrichtung erst sehr spät, ab etwa 1300, durch. Freilich wurden die separaten Gebäude der Madrassa oft unmittelbar neben einer zentralen Moschee gebaut.
Auch fanden sich separate Madrassen zumeist nur in den größeren Städten. Zu den Madrassa-Komplexen gehörten auch Wohnunterkünfte für die Studenten. Auch heute noch ist jede Moschee in jeweils unterschiedlichem Maße auch eine Bildungsstätte. In Europa haben die Moscheen heute diese Funktion sogar in stärkerem Maße wieder übernommen, insbesondere was die religiöse Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen betrifft, als es heute in den muslimisch geprägten Staaten der Fall ist: dort nämlich wurden im Zuge von Modernisierungsbestrebungen nach westlichem Vorbild insbesondere seit der Kolonialzeit Bildungseinrichtungen von der Moschee separiert, und zwar in noch stärkerem Maße als es vorher bereits durch die Einrichtung der Medresen geschehen war.
Ernst Kühnel schreibt jedoch noch in seinem 1949 erschienenen Buch „Die Moschee“, dass noch zu dieser Zeit in den Moscheen von Al-Azhar, Qarawiyin und Al-Zaytuna (Tunis) der Unterricht in traditioneller Weise in der Moschee stattfand. Die Bildung der Muslime ist die Grundbasis für eine lebendige und dynamische Gemeinschaft, in der das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Grundbasis dafür ist natürlich der Qur’an-Unterricht, wie er üblicherweise in der Moschee eines jedes Dorfes erteilt wird. Lehre und Bildung in der Moschee beschränkten sich in der frühen Zeit allerdings nicht auf die religiösen Fächer im engeren Sinne, wie die Erläuterung des Qur’an (Tafsir) und der Überlieferungen vom Propheten, Recht (Fiqh) und scholastische Theologie (Kalâm), sondern umfassten unter anderem auch Arabische Sprache, Logik, Astronomie, Geschichte, Mathematik, Medizin und Naturwissenschaften.
Die traditionelle islamische Sicht der Wissenschaft ist ganzheitlich, und die Einstellung gegenüber der Wissenschaft war, anders als im mittelalterlichen europäischen Christentum, stets offen und positiv, denn letztlich werden alle Wissenschaften auf Gott zurückgeführt, und der Prophet Muhammad hat in mehreren Aussprüchen explizit auf die Notwendigkeit, ja Verpflichtung eines jeden Muslims hingewiesen, sich nützliches Wissen anzueignen. In früherer Zeit war es üblich, dass der Scheikh oder Gelehrte sich an einer bestimmten Stelle der Moschee, etwa einer Säule, niederließ und seine Zuhörer sich um ihn versammelten. So konnten, insbesondere in größeren Moscheen wie der Al-Azhar in Kairo oder der Qarawiyin in Fes, mehrere solcher Unterrichtssitzungen (Dars, pl. Durûs) oder Vorlesungen parallel stattfinden. In den ersten Jahrhunderten des Islam war es durchaus üblich, dass diesen Vorlesungen auch Frauen zuhörten; auch gab es wesentlich mehr weibliche Gelehrte, die Unterricht gaben, wobei dann Männer die Schüler weiblicher Gelehrter waren. Auch heute noch ist es, auch in den Moscheen in Europa, üblich, dass die Imame der Moscheen oder andere Gelehrte religiösen Unterricht oder Ansprachen zu religiösen Themen abhalten, zu festgesetzten Zeiten und sehr häufig auch im Anschluss an die Pflichtgebete.
Die Moschee im Rahmen der islamisch-orientalischen Stadt
Wie bereits erwähnt, gehörten die Moscheen zu den wichtigsten zentralen Einrichtungen einer traditionellen islamischen Stadtgesellschaft. Neben dem Markt und den großen Straßen ist sie einer der wenigen öffentlichen Orte in einer islamischen Stadt. Denn die hohe Bedeutung der Privatheit und damit der Nicht-Zugänglichkeit von Orten erstreckte sich nicht nur auf das Wohnhaus und dort insbesondere auf den für Fremde und Besucher absolut unzugänglichen Frauenbereich, sondern auch auf weite Teile der Quartiersstraßen, die oft in Form von Sackgassen den Zugang zu den Wohnhäusern bildeten und ebenfalls nicht mehr dem öffentlichen Raum zugerechnet wurden. Besonders ausgeprägt war dies im Maghreb der Fall, wie der Geograph Eugen Wirth für die Medina von Fes aufgezeigt hat. Dort waren die einzelnen Quartiere, durch Sackgassen erschlossen, sogar überwiegend von untereinander verwandten Familien bzw. Angehörigen des gleichen Stammes bzw. Sippe bewohnt.
Der große Maliki-Rechtsgelehrte Granadas, Ibn Dschuzayy, schreibt in seinem Werk „al-Qawanin al-Fiqhiya“ zu Beginn des Kapitels über Moscheen und Orte des Gebets, dass „Moscheen die besten Plätze auf Erden sind.“ Daher sollte der Standort der Moschee, zusammen mit einem Markt, an einem für die Gemeinschaft zentralen Ort liegen, denn sie sind das Herz jeder lebendigen Gemeinschaft. Der Schweizer Architekt und Experte für islamische Architektur und Stadtplanung Stefano Bianca beschreibt in seinem hervorragenden Buch „Hofhaus und Paradiesgarten“ die Funktion der Moschee, insbesondere der Freitagsmoschee, als dem öffentlichen Raum in der traditionellen islamischen Stadt wie folgt: „Alle öffentlichen Bauten und Räume, die in der europäischen Stadt getrennt in Erscheinung traten, wie Rathaus, Dom und Stadtplatz, waren in der Moschee und ihrem Innenhof zu einer einzigen Anlage zusammengefasst, die keine Spaltung zwischen weltlichem und geistlichem Bereich zuließ. Auch die Marktgassen galten, im Gegensatz zu den Wohnquartieren, als öffentlicher Raum, wurden aber im Grunde nur von den Berufsverbänden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, bildeten doch die Passantenströme eine wesentliche Voraussetzung für die Handelstätigkeit.“
Der andalusische Gelehrte Ibn Dschubair beschreibt in seinem bekannten Reisebericht „Al-Rihla“ den Hof der großen Umayyaden-Moschee von Damaskus, wie sie sich ihm im Jahre 1184 dargestellt hat: „Hier versammelt sich die Bevölkerung, denn es ist ihr Platz zur Zerstreuung von Sorgen und zur Erholung. Hier kann man sie jeden Abend sehen, von Osten nach Westen kommend und gehend, vom Dschairûn-Tor zum Barîd-Tor; manche wird man mit Freunden sprechen sehen, einige lesen. So machen sie es bis zum Ende des letzten Abendgebetes, dann gehen sie fort. Einige tun dies auch am Morgen, doch die größte Gruppe des Abends; und der Beobachter wird meinen, es sei die Nacht des 27. Ramadan in Anbetracht der Menschenmassen. Dies tun sie jeden Tag.“
Neben einer oder mehreren großen Moscheen, die wie bereits erwähnt meist auch über eine Fülle zusätzlicher funktionaler Einrichtungen verfügten, gab es zusätzlich unzählige kleinere sogenannte „Quartiersmoscheen“, in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern gelegen, so dass im Idealfall jeder Stadtbewohner von seinem Wohnhaus zur nächsten Moschee nur wenige Schritte zurückzulegen hatte. In den großen Städten der islamischen Welt gab und gibt es hunderte, manchmal über 1000 Moscheen.
Zum Freitagsgebet, dessen Bedeutung bereits erwähnt wurde, versammelte man sich in der Regel in der großen Hauptmoschee der Stadt, oft auch als „Freitagsmoschee“ bezeichnet. Die Freitagsmoscheen wurden als „Dschamii“ bezeichnet. Nach dem klassischen Fiqh soll es von ihnen in jeder Stadt nur eine geben, später entstanden gerade in größeren Städte aufgrund der Notwendigkeit doch mehrere Freitagsmoscheen, z.B. in jedem Stadtviertel eine, so dass der Begriff „Dschamii“ oder „Dschama’“ häufig für jede Moschee gebraucht und die Bezeichnung „Masdschid“ lediglich für kleine Moscheen verwendet wurde. Besonders deutlich ist dies noch heute unter türkischen Muslimen, wo Moscheen allgemein als „Cami(i)“ bezeichnet werden, und sich lediglich für kleine Quartiersmoscheen noch die Bezeichnung „Mescit“ findet. Festzuhalten ist, dass die derzeitige Situation, wo in jeder Moschee, und sei sie noch so klein, ein Dschum’a–Gebet abgehalten wird, eigentlich gelinde gesagt eine Ausnahmesituation darstellt. Anzustreben ist auf jeden Fall, alle oder möglichst viele Muslime einer Stadt zum gemeinsamen Dschum’a-Gebet zu versammeln.
Zur Zeit des Freitagsgebets, wenn sich die männlichen Stadtbewohner in der Freitagsmoschee bzw. den dafür genutzten Moscheen versammelten, kam in den klassischen muslimischen Städten das öffentliche Leben völlig zum Ruhen; die Straßen waren beinahe wie ausgestorben. Die Basarhändler schlossen ihre Geschäfte, die Frauen verrichteten ihr Gebet zu Hause, sofern sie nicht ebenfalls, nach dem Vorbild der frühen muslimischen Gemeinschaft, die Moscheen aufsuchten. Wer einmal in einem muslimisch geprägten Land die Stunde des Freitagsgebets erlebt hat, weiß, dass dieses Bild durchaus auch heute noch anzutreffen ist, selbst in Großstädten wie Kairo. So war es früher zu allen fünf Gebetszeiten am Tag, das heißt dass die fünf täglichen Gebetszeiten in hohem Maße den Tagesablauf und den Lebensrhythmus der Menschen bestimmten. Die Freitagsmoscheen befanden sich meist im Zentrum der Stadt, in unmittelbarer Nähe des zentralen Marktes (Sûq, Bazâr), sogar häufig inmitten des Basarbereichs.
Diese räumliche Nähe und ähnlich hohe Bedeutung von Moschee und Markt kommt nicht von ungefähr, schließlich fällt auch das ökonomische Handeln des Menschen unter die Schari’a, das Gesetz oder den von Gott für die Menschen vorgesehenen „Weg“, und ökonomische Regeln nehmen im islamischen Recht (Fiqh) breiten Raum ein. Diese zwei verschiedenen Arten von öffentlichem Raum, die sich doch in unmittelbarer Nähe zueinander befanden, werden von Bianca folgendermaßen charakterisiert: „Die Moschee war der ruhende, durch rituale Reinheit gekennzeichnete Mittelpunkt der Stadt, bei deren Betreten man die Schuhe auszog und die Waschung vollzog; der Markt war der Bewegungsraum, wo tagsüber alle Ströme der Stadt aufeinandertrafen, solange die Tore geöffnet und die Durchgangswege miteinander verbunden waren.“ Die dem öffentlichen Raum entzogenen Zugangswege zu den Wohnquartieren und Wohnhäusern konnten durch Tore abgeschlossen werden, was in der Regel nachts auch erfolgte. In den Städten, die nicht seit antiker Zeit bestanden, sondern islamische Neugründungen waren, wie Basra, Kufa, Fustât (Kairo) oder Kairouan, wurde stets zuerst der Platz für die Moschee geplant, darauf folgte die Einrichtung des Marktbereichs.
Die Moschee als der ruhende Pol der Stadt, deren Innenraum in seiner durch die Architektur und Ornamentik geschaffenen Leere ganz in sich ruht und damit eine Atmosphäre der Harmonie und Ausgeglichenheit besitzt, unterschiedet sich in seinem grundlegenden Stil nicht wesentlich von den muslimischen Privathäusern. Jede muslimische Wohnstatt ist auch ein Ort des Gebets, und die Einheit islamischen Lebens zeigt sich auch in der Gleichartigkeit der Umgebung. Sowohl in einer Moschee als auch im Innenraum eines Privathauses herrschen Ausgewogenheit, Ruhe und Reinheit. In einer traditionsgemäßen muslimischen Wohnung wird der Boden, ebenso wie in einer Moschee, niemals mit Schuhen betreten, noch ist er mit Möbeln angefüllt. Die Moschee nahm also in der traditionellen islamischen Stadt zusammen mit dem Markt und den Wohnvierteln ihren Platz in einer Raumstruktur ein, die die physische Manifestation der islamischen Lebensweise darstellt. So ist die Stadtgestalt einerseits Ausdruck der islamischen Lebensweise und dient andererseits dazu, diese Lebensweise zu erleichtern und zu stabilisieren, indem sie den ihr angemessenen Rahmen bietet. Dass dies in Großwohnsiedlungen mit vielstöckigen Beton-Hochhäusern, wie sie heute in den Städten der muslimischen Ländern anzutreffen sind, kaum gegeben ist, liegt auf der Hand. Dass die gebaute Umgebung auch Einfluss auf die Psyche und das Sozialverhalten der Menschen ausübt, impliziert weitere Folgerungen.
Veränderungen der Rolle der Moschee in neuerer Zeit
Im Gegensatz zur klassischen Rolle der Moschee im Rahmen der islamischen städtischen Lebensweise, wie sie in den vorangegangenen Kapiteln skizziert wurde, hat insbesondere in den muslimisch geprägten Ländern eine deutliche Verarmung der Funktionalität der Moschee stattgefunden. Dies liegt vor allem daran, dass ihr Schritt für Schritt viele Funktionen genommen worden sind, die sich seither an separaten Orten abspielen; wie die Bildungsfunktion, die Krankenbetreuung, die Funktion als zentraler öffentlicher Raum, die Funktion als „Herberge“ für Reisende, die Funktion als Ort der Gerichtsbarkeit etc. Vielmehr ist die Moschee vielerorts nur noch als Ort des Gebets angesehen, und wird teils sogar außerhalb der Gebetszeiten, zumindest aber über Nacht, abgeschlossen. Parallel dazu entstand die Entwicklung, dass Moscheen entgegen der frühen islamischen Tradition doch mehr und mehr als „heilige“ Orte gesehen werden. Durch die Umstrukturierung der Gestalt der islamischen Städte sind die Moscheen mittlerweile zum Teil mehr und mehr von den Wohnvierteln getrennt, und die enge Verknüpfung von Wohnen, Arbeiten und Gebet in der Moschee existiert in dieser Form vielfach nicht mehr.
Damit verbunden ist die Errichtung von Moscheen als symbolische Prestigebauten, die ihrer Funktionalität weitgehend beraubt sind, da sie beispielsweise mitunter weit abseits der Wohnviertel errichtet wurden und folglich kaum besucht werden. Diese funktionale Verarmung der Moschee in den muslimischen Ländern wird kontrastiert von der Entwicklung in der Minderheitensituation, z.B. in Europa und Nordamerika. Gerade hier sind Moscheen wieder zunehmend die multifunktionalen Zentren, die sie in historischer Zeit schon immer waren. Die von der Islamischen Weltliga in Mekka im Jahre 1975 veranstaltete „First International Conference for Mission of the Mosque“ stellte bezüglich der architektonischen Planung von Moscheen einige Anforderungen fest. Zunächst wird festgestellt, dass die Moschee das Zentrum des sozialen Lebens im Islam darstelle, welches mit den religiösen Geboten verbunden ist. Daher solle die Moschee im Zentrum der Stadt bzw. der Gemeinde errichtet werden.
Des weiteren solle die Moschee die Funktionen bereitstellen, die für die muslimische Gemeinde notwendig sind, wie etwa technisch angemessen ausgestattete Gebetshallen, einen Frauenbereich mit den entsprechenden Einrichtungen, eine Bibliothek, einen Leseraum sowie einen Mehrzweckraum bzw. –halle, die Einrichtung eines Qur’an-Unterrichts sowie weiteren Unterrichts für Kinder, eine Spielfläche sowie Räumlichkeiten für die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen, eine kleine Klinik für ambulante Behandlung, die für die Vorbereitung von Bestattungen notwendigen Einrichtungen, sowie Unterkünfte für Gäste. Bei all dem solle nicht vergessen werden, dass die Moschee ein Ort des Gottesdienstes ist, und dass diese Funktion nicht beeinträchtigt werden dürfe. Unabhängig von der Frage der Verbindlichkeit oder dem Grad der praktischen Umsetzung zeigen die aufgezählten Anforderungen, dass auch oder gerade in jüngerer Zeit wieder zunehmend ein Bewusstsein für die Vielfältigkeit der Funktionen einer Moschee und deren Umsetzung in Moscheebauprojekten vorhanden ist.
Perspektiven der Moschee in Deutschland
Gerade in der Minderheitensituation wie auch in Deutschland besteht die Chance, dass Moscheen wieder die Bedeutung als vielseitiges Zentrum der muslimischen Gemeinschaft erlangen können, die sie in vielen muslimischen Ländern inzwischen leider verloren haben. Darüber hinaus könnten die Moscheen durch die Übernahme wohltätiger Dienste und Angebote in der Tradition der islamischen Stiftungen auch für die Gesamtgesellschaft und die nichtmuslimische Bevölkerung zu offenen und integrierten Bestandteilen des öffentlichen Lebens werden und dadurch ihre Fremdheit für viele Nichtmuslime verlieren. In diesem Zusammenhang muss auch betont werden, dass es keinen Grund dafür gibt, Moscheen in Deutschland als oft eher wenig gelungene Kopien des anatolischen Stils mit Kuppel und Minarett zu errichten, die damit für die nichtmuslimische Bevölkerung oft exotisch und fremd wirken.
Man kann vermuten, dass allein dieser optische Aspekt bei der häufig vorkommenden Ablehnung von Moscheebauprojekten und den damit verbundenen Konflikten eine wesentliche Rolle spielt. Man würde sich auf muslimischer Seite sicher nichts vergeben, wenn man statt dessen für Moscheen einen architektonischen Stil entwickelt, der sich harmonisch in die bauliche Umgebung einpasst ohne die Erkennbarkeit als Moschee aufzugeben, und die Moschee dann sicher allein schon durch diese Gestaltung weniger als „Fremdkörper“ empfunden und allgemein stärker akzeptiert sein würde. Auch in der Türkei verfügen schließlich bei weitem nicht alle Moscheen über eine Kuppel.
Weiterhin bedarf es einer weiteren Intensivierung und Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit der Moscheen, die über den jährlichen Tag der offenen Moschee hinausgeht, so positiv dieser auch ist. Es genügt nicht, zu betonen, dass man ja stets eine offene Tür habe. Schriftliche Selbstdarstellungen, in denen auch über die Aktivitäten der Moschee Transparenz geschaffen wird, sowie häufigere Veranstaltungen, mit denen auch die nichtmuslimische Bevölkerung angesprochen wird, wären ein hilfreiches Mittel. Die Moscheen müssen ihre Kontakte zu ihren Nachbarn und zu den Institutionen der Mehrheitsgesellschaft intensivieren, um als selbstverständliche, lokal integrierte Bestandteile des öffentlichen Lebens anerkannt zu werden. Im Zuge des Generationswechsels in den Moscheevereinen kann davon ausgegangen werden, dass auch der Gebrauch der deutschen Sprache bei allen Aktivitäten der Moschee weiter zunehmen wird, was zu ihrer Öffnung beiträgt, während die Differenzierung der Moscheevereine nach ethnischen und sprachlichen Kriterien, so ist zu hoffen, an Bedeutung verlieren wird.
Die Wiederbelebung der islamischen Tradition der Stiftungen und des Imâret, des Moscheekomplexes mit seinen vielseitigen und wohltätigen Einrichtungen, könnte ebenfalls dazu beitragen, dass die Moscheen auch für Nichtmuslime an Attraktivität gewinnen und sie als positive, nützliche und angesehene Institutionen in die europäische Stadtgesellschaft integriert werden sowie die sozialen Aspekte der islamischen Lebensweise konkret sichtbar machen könnten.