,

Vier Jahre nach der Vertreibung sitzen die Rohingya zwischen allen Fronten

Foto: Mohammed Rakbul Hasan, IPS News

Yangon (KNA). Im Juni sorgte die im Untergrund agierende „Regierung der nationalen Einheit“ (NUG) der Opposition von Myanmar mit dem Versprechen, den Rohingya die volle Staatsbürgerschaft zu geben, für eine Sensation. Mehr noch, die NUG beging mit Nennung der Rohingya bei ihrem Namen einen historischen Tabubruch, gelten die Rohingya doch offiziell nicht als eine der in der Verfassung aufgeführten einheimischen Gruppen von Myanmar, sondern als „Bengali“ genannte illegale Einwanderer aus Bangladesch. Und: Der NUG gehören viele Politiker der Nationalen Liga für Demokratie (NKD) von Staatsrätin Aung San Suu Kyi an, die vor dem Putsch offen die Vertreibung der Rohingya guthießen.

Ob Menschenrechtsaktivisten, ob ausländische Diplomaten – jeder, der während der Regierung von Aung San Suu Kyi öffentlich von Rohingya, sprach, zog sich den Zorn der Machthaber, radikaler buddhistischer Mönche und weiter Teile der Öffentlichkeit zu. Sogar Papst Franziskus musste bei seinem Besuch in Myanmar auf eindringliche Bitte der Bischöfe auf den Begriff „Rohingya“ in seinen Predigten verzichten.

Für Myanmar-Experte David Mathieson ist die Rohingya-Erklärung der NUG jedoch kaum mehr als Symbolpolitik. „Die NUG zielt darauf ab, damit die internationale Öffentlichkeit zu beeindrucken“, sagt Mathieson telefonisch aus Chiang Mai in Thailand.

Juntachef General Min Aung Hlaing verurteilte in einem Fernseh-Interview die Erklärung der NUG: „Es gibt keine Rohingya. Das ist ein imaginärer Name.“ Schwerer noch wiegt die scharfe Ablehnung der NUG-Erklärung durch Organisationen und Parteien der buddhistischen Mehrheitsethnie der Arakanesen in Rakhine. Die NUG verzerre mit ihrer Erklärung die Geschichte des einstmals Arakan genannten Rakhine, warnten diese Gruppen.

Während es in den meisten Regionen Myanmars seit dem Putsch vom 1. Februar täglich zu Protestaktionen gegen die Militärjunta kommt und die Armee in Gebieten ethnischer Minderheiten gegen deren Milizen einen Bürgerkrieg führt, ist es in Rakhine relativ ruhig. Das liegt an der buddhistischen Miliz „Arakan Army“ (AA), deren ultimatives Ziel die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von Rakhine ist, das bis zur Eroberung durch das Königreich Birma die unabhängige Monarchie Arakan war.

„Die AA kontrolliert weite Teile von Rakhine und genießt die Unterstützung der Bevölkerung“, sagt Mathieson. „Sie unterstützt weder die Junta, noch die NUG oder die ‘Bewegung für zivilen Ungehorsam’ und ist dabei, eine effektive Verwaltung aufzubauen. Anders als im Rest von Myanmar sind die Schulen geöffnet und das Gesundheitswesen funktioniert einigermaßen“, meint der Experte.

Unterstützt sowohl mit vermutlich aus China geschmuggelten Waffen als auch politisch wird die AA von der United Wa State Army (UWSA), die faktisch in dem an der Grenze zu China liegenden Gebiet der Wa einen Staat im Staate aufgebaut hat. Unter den 18 bewaffneten ethnischen Milizen ist die UWSA mit rund 20.000 Kämpfern die mächtigste. 1989 hatte die UWSA mit der damaligen Junta einen Waffenstillstand vereinbart; zum Putsch vom Februar hüllt sie sich bisher in Schweigen.

Nachdem die Junta kurz nach ihrer Machtergreifung die AA von der Liste der Terrororganisationen gestrichen hat, um Truppen für die Niederschlagung der Widerstandsbewegung in andere Teile von Myanmar verlegen zu können, herrscht zwischen der AA und der Armee ein informeller Waffenstillstand. Auf Dauer werde die Armee jedoch den Kampf für eine Unabhängigkeit von Rakhine nicht hinnehmen, ist sich Mathieson sicher. Die Armee verstehe sich traditionell als Hüterin der Einheit Myanmars und der Vorherrschaft der Bamar als größter ethnischer Gruppe.

Der Februar-Putsch stößt bei der Mehrheit der Bürger Myanmars auf Ablehnung, und das Versagen bei der Corona-Politik verstärkt die Wut auf die Generäle. „Sobald Covid-19 unter Kontrolle ist, wird die Gewalt in Myanmar zunehmen“, befürchtet Mathieson. „Myanmar wird auf Monate, vielleicht gar auf Jahre hin von Konflikten und Instabilität geprägt sein.“

Für die Rohingya in Rakhine verheißt das nichts Gutes. An eine Rückkehr der Menschen aus den Flüchtlingslagern in Bangladesch ist nicht zu denken.