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Weltweit wird ein Kriegsende gefordert

Weltweit Kriegsende
Foto: Anas-Mohammed, Shutterstock

Weltweit werden die Rufe nach einem Kriegsende in Gaza immer lauter. In Deutschland nimmt die Diskussion zur Haltung der Bundesrepublik an Fahrt auf.

(iz, KNA, dpa). Gestern haben über 25 Staaten, darunter Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Kanada, Australien, Japan und nahezu alle westeuropäischen Länder, kollektiv ein sofortiges Ende des Gazakriegs und der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung gefordert. Ihre gemeinsame Erklärung richtete sich explizit an Israel und die Hamas.

Selbst in der Bundesrepublik, in welcher die offizielle Politik und Öffentlichkeit seit 22 Monaten kaum das israelische Vorgehen im Konkreten wie grundsätzlich kritisiert – in den Augen vieler Menschen ein Skandals –, werden Forderungen nach einer sofortigen Einstellung der israelischen Angriffe und der Politik des erzwungenen Hunger lauter.

Nicht unterzeichnet haben diese Erklärung die Bundesregierung und die USA. Deutschland steht in der Kritik, da die SPD-Fraktion einen Kurswechsel fordert und die Koalitionsregierung auffordert, sich dem Aufruf anzuschließen sowie Waffenexporte an Israel zu stoppen.

Der diplomatische Druck auf Tel Aviv wächst; erstmals stellt sich fast der gesamte politische Westen (minus USA und Deutschland) gemeinsam und in klarer Sprache gegen die Fortsetzung des Krieges. Kommentatoren bewerten die Initiative einerseits als möglichen Wendepunkt für den Nahost-Konflikt, teils als Appell ohne unmittelbare praktische Wirkung.

Was fordern die Staaten?

Zu den Forderungen, die sich explizit an Israel und die Hamas richteten, gehören u.a.: das unverzügliche Ende der Kriegshandlungen im Gazastreifen. Die sofortige und bedingungslose Freilassung aller von der ihr weiterhin festgehaltenen Geiseln.

Einen dauerhaften ausgehandelten Waffenstillstand, der als beste Voraussetzung für ihre Heimkehr und als Weg zu langfristigem Frieden gilt. Den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfslieferungen, unter Verweis auf die Kritik, dass das israelische Hilfsmodell „gefährlich“ und „entwürdigend“ für die Bevölkerung im Gazastreifen sei.

Mitgetragen wurde die Erklärung durch Außenminister von mehr als 25 westlichen Staaten sowie EU-Kommissaren. Als Vermittler wurden USA, Katar und Ägypten erwähnt, um zu einer politischen Lösung und Waffenruhe zu kommen.

Die erklärte Verantwortung für die menschliche Katastrophe wird vor allem Israel zugeschrieben: Die Staaten fordern die Achtung des humanitären Völkerrechts und kritisieren spezifisch die mangelnde Versorgung der Zivilbevölkerung, die Tötung von Zivilisten (auch beim Versuch, Nahrungsmittel zu bekommen), Vertreibungen, zukünftige Siedlungsausweitungen und gezielte Maßnahmen an Kindern, Kranken und Verletzten.

Das Dokument spricht sich außerdem gegen jegliche Zwangsumsiedlungen palästinensischer Bevölkerung aus und kritisiert die geplanten neuen israelischen Siedlungen im Westjordanland als gravierenden Bruch des Völkerrechts.

Foto: Latin Patriarchate of Jerusalem

Katholische Patriarchen können nicht länger schweigen

„Schweigen angesichts des Leidens ist Verrat am Gewissen“, wandte sich Theophilos II. an die internationale Gemeinschaft. In Gaza seien sie „einem Volk begegnet, das unter der Last des Krieges zusammengebrochen ist, aber dennoch das Bild Gottes in sich trägt“. Sein Amtskollege Pierbattista Pizzaballa sprach von „der Würde des menschlichen Geistes, der sich nicht auslöschen lässt“, inmitten der Zerstörung.

Hungernde Mnschen am Straßenrand, „ältere Menschen, Frauen, junge Männer“ und Personen, die in der Sonne in langen Schlangen warteten, in der Hoffnung auf etwas zu Essen: So beschrieben die beiden Kirchenführer die Realität, derer sie Zeugen geworden seien. „Man muss den Hunger sehen. Überall, wo man hinschaut, wird man angesprochen, Menschen, Kinder bitten um Brot“, so Pizzaballa. Dieses sei jedoch wie alles andere in Gaza schwer zu erhalten und die Preise seien astronomisch.

Damit werde humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen eine Frage von Leben und Tod. „Sie zu verweigern ist keine Verzögerung, sondern ein Urteil“, so der italienische Franziskaner, der angesichts der Lage von einer „moralisch inakzeptablen und nicht zu rechtfertigenden“ Demütigung sprach.

Der jordanische Prinz Hassan bin Talal lobte das Engagement der Kirche in Gaza, die den Menschen vor Ort, Christen wie Muslimen, bedeutende humanitäre Hilfe und Unterstützung geleistet habe. In einer Botschaft an den Patriarchen sprach er der Kirche sein Beileid für die Opfer des israelischen Beschusses auf katholische Gotteshäuser von Gaza aus. Die anhaltenden Angriffe auf sie und friedliche Gläubige seien „schwere Verbrechen, die für jedes menschliche Gewissen inakzeptabel sind“.

Ein sehr „deutscher“ Streit

SPD-Bundestagsfraktion und Regierungsmitglieder fordern mehr Einsatz für ein Ende des Kriegs in Gaza. Die Regierung solle sich den Initiativen auf europäischer Ebene anschließen, erklärten der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, und der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich gestern in Berlin.

Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) bedauert, dass diese bisher nicht unterzeichnet wurde. Die Union verteidigt hingegen ihr Vorgehen. Die Bundesregierung müsse den Stopp von Waffenexporten an die israelische Regierung durchsetzen, forderte die SPD-Fraktion. Das sei geboten, „um unsere völkerrechtliche Verantwortung, die in unserem Grundgesetz verankert ist, konsequent zu erfüllen“, heißt es in dem Statement, über das die „Süddeutsche Zeitung“ zuerst berichtete.

Die Lage in Gaza sei katastrophal und stelle einen humanitären Abgrund dar, begründete die SPD-Fraktion den Vorstoß. „Die Berichte über verhungerte Kinder und eine rapide eskalierende Hungersnot zeigen: Wir haben den vielbeschworenen ‘point of no return’ erreicht“, so Ahmetovic und Mützenich. Das mit Israel vereinbarte EU-Abkommen zur Verbesserung des humanitären Zugangs bleibe hingegen bislang wirkungslos. Parallel nähmen stattdessen Planungen für erzwungene und dauerhafte Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung konkrete Formen an.

Es müsse ein Ende der militärischen Operation in Gaza sowie des illegalen Siedlungsbaus im Westjordanland geben. Außerdem brauche es einen politischen Willen zur perspektivischen Zwei-Staaten-Lösung. Waffenruhe und Geiselfreilassung hätten bislang nur auf Basis von diplomatischen Verhandlungen erreicht werden können, mahnen die Abgeordneten.

Unterdessen verteidigte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), die Entscheidung der Bundesregierung zur Nicht-Unterzeichnung. „Der Bundesaußenminister hat die Erklärung nicht unterschrieben, da sie die gefühlte Isolation der israelischen Regierung nur verstärkt“, sagte er der FAZ von heute. Das zeige die Reaktion aus Jerusalem, fügte er an.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) arbeite unermüdlich daran, die katastrophale Lage in Gaza zu verbessern, auf allen Kanälen – so wie er auch seit Amtsbeginn für die Befreiung der Geiseln kämpfe.

Islamismus yazidi

Foto: Zentralrat der Muslime in Deutschland, Facebook

ZMD schaltet sich in die Debatte ein

Angesichts der dramatischen menschlichen Tragödie im Gazastreifen richtete der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) heute einen dringenden Appell an Politik und Religionsgemeinschaften. Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft werden aufgefordert, ungehinderte humanitäre Hilfe, einen dauerhaften Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln sowie ernsthafte diplomatische Bemühungen einzuleiten, um weiteres Leid zu verhindern.

Der ZMD rief zudem Christentum und Judentum in Deutschland zu einem kollektiven Eintreten für Leben und Humanität auf. Vorsitzender Abdassamad El Yazidi betonte: „Der Hungertod in Gaza ist eine der schlimmsten humanitären Tragödien unserer Zeit. Es ist unsere ethische und religiöse Pflicht, uns über alle konfessionellen Grenzen hinweg für das Leben und die Menschenwürde einzusetzen. Erheben wir unsere Stimmen – für das Leben, für die Menschenwürde, für die, deren Existenz durch Hunger, Gewalt und Hoffnungslosigkeit bedroht ist.“

Humanitäre Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteure würden von unermesslichem Leid unter der Zivilbevölkerung berichten . Gesundheitseinrichtungen seien weitgehend funktionsunfähig, Notaufnahmen zusammengebrochen, besonders Kinder, ältere Menschen und chronisch Kranke akut gefährdet.

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