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Wer ist dieser Donald Trump?

Ausgabe 295

Foto: Cage Skidmore

(iz). Es wäre naiv, zu glauben, Donald Trump sei gänzlich gegen den Willen der amerikanischen Eliten an die Macht gekommen. Trump ist nicht die Antithese des Establishments, als die er sich verkauft. In einer Zeit des sich anbahnenden Wirtschaftskrieges zwischen alter und neuer Supermacht, zwischen den USA und China, war der Steuersenker und Zollkrieger Trump der Kandidat der Wahl. Die klassische ­­Welt- und Menschenrechtspolitik konnte ­dahinter zurückstehen, war der Kampf gegen Russlands Vordringen im Orient zum Zeitpunkt seiner Wahl doch faktisch schon entschieden (zugunsten Russlands). Was aber das politische Tagesgeschäft angeht, so verließ und verlässt man sich darauf, dass der den Präsidenten umgebende „Apparat“ die allerschlimmsten Ausfälle zu verhindern oder wenigstens auszubügeln wissen werde.

Nein, Trump ist, trotz seiner unsäg­lichen Rhetorik, nicht der Gottseibeiuns der Weltpolitik. Aber er ist Symbol, Symbol für einen Trend, der die politische Ordnung und den gesellschaftlichen Frieden gefährdet. In Trump findet die protestantische (nicht evangelische) Mafia zu sich selbst. Er ist die Karikatur eines Weltbildes totaler Diesseitigkeit, für das Gott tot, Werte nur Humanitätsgedusel und das Leben ein einziger, in die Länge gezogener Initiationsritus, eine nie zu Ende gebrachte Pubertät sind.

Trump ist die Karikatur der protestantischen Elite in ihrem Endstadium. Diese Elite war einmal evangelisch, nicht protestantisch. Zwar hat sie auf brutalen Wegen den Westen großgemacht und den Menschen von der Natur emanzipiert, sich dabei aber immer wieder – 1776, 1865, 1917, 1944, 1989 – auf die uralten Ideale der griechischen Antike und der orientalischen Monotheismen zurückbesonnen: die zehn Gebote, die Idee des Guten, die Idee der Gerechtigkeit. Der Kampf gegen den Warschauer Pakt diente nicht allein „der Sicherung von Wirtschaftsinteressen“, sondern der Verteidigung einer wertegeleiteten politischen und gesellschaftlichen Ordnung gegen Gottlosigkeit, Relativismus und Unfreiheit.

Wer Menschenrechte sagte, wollte und will eben nicht betrügen, wie der Nazi-Jurist und abtrünnige Katholik Carl Schmitt behauptete, sondern, heiße er Wilson oder Roosevelt oder selbst noch Reagan oder Bush jr., das Gute in der Welt – wenn auch oft mit unguten Mitteln – durchsetzen. Die Werteorientierung des Westens war und ist keine Phrase, sondern ehrliches Prinzip. Wer aber, ob offen oder heimlich, Werteorientierung als Phrase denunziert, ist oftmals selber prinzipienlos: seien es die Linke, islamistische Fundamentalisten – oder eben die protestantische Mafia.

Trump aber steht für Prinzipienlosigkeit. Trump ist weniger das Gegenteil Obamas als das Gegenteil Kennedys, des bislang einzigen katholischen Präsi­denten der USA, der nicht nur (widerwillig akzeptierter) Teil des Establishment war, sondern der ehrlich versuchte, in seiner Politik ewigen moralischen Prinzipien zu folgen – und dafür schließlich mit seinem Leben bezahlte.

Der Geist Kennedys schwebte fünfzig Jahre lang über seinen Nachfolgern, selbst noch den beiden Bushs. Er schwebte und schwebt auch über den Partnern der USA auf der anderen Seite des Atlantik. Mit Angela Merkel, der evange­lischen (nicht protestantischen) Pfarrers­tochter, deren Vater freiwillig in die Diktatur ging, um dort das Wort Gottes zu verkünden, hat Deutschland eine Regierungschefin, die wie Kennedy bemüht ist, eine echte wertgeleitete Politik umzusetzen, auch wenn dies oft mit Missverständnissen und immer mit massiven Widerständen verbunden ist. Ein Mann in der Position und mit der Haltung Merkels hätte seine Kanzlerschaft womöglich nicht überlebt, Christian Wulff hat sie seine Präsidentschaft und seine Reputation gekostet. Merkel aber konnte sich schlau in die Attitüde des naiven Muttchens flüchten und in dieser Camouflage überwintern.

Trump aber ist die zeitgenössische Antithese zu Merkel. Trump ist die westliche, karikierte Version des Diktators Putin. Wie Putin ist Trump Abgott und Vorbild des Corpsstudententums, der Nachwuchsorganisation der protestantischen Mafia in Deutschland. Ihre Prinzipien sind die Verachtung höherer, ewiger Werte, die Ablehnung nicht nur Gottes, sondern eines Göttlichen überhaupt, die Relativierung von Gewaltherrschaft – übrigens auch linker Gewaltherrschaft, wie die glorifizierende Rezeption der DDR in diesen Kreisen zeigt –, die Ridikülisierung von Moral und Humanität, die Glorifizierung von Dominanz und Rücksichtslosigkeit und die Vergötzung des Wirtschaftlichen. Ihr Prinzip ist die Prinzipienlosigkeit. Die Erhebung des Sadismus, einer Paraphilie, zum gesellschaftlichen Megatrend geht weniger auf das Konto eines unaufrichtigen und leicht verführbaren Establishments, sei es in New York oder in Berlin, als auf das Konto eines populärsatanistischen, bildungsfernen und antihumanistischen Wirtschaftsbürgertums, das in das ideologische Vakuum nach 1990 gesprungen ist und es mit seiner Ideologie der Prinzipienlosigkeit gefüllt hat.

Es heißt, Trump habe seine Wahl der Unaufrichtigkeit dem New Yorker und Washingtoner Establishment zu verdanken gehabt, das Wasser predige, aber Wein trinke. Selbst wenn es so ist: Trump ist und war nie der Kennedy 2.0, der den Augiasstall einer gott­vergessenen Elite ausmistete, sondern der getreue Wärter dieses Stalls. Denn wer unaufrichtig ist, hat immer noch die Chance, irgendwann seinen Selbstbetrug zu erkennen, ihn zu beenden und wieder aufrichtig zu werden. Die reine Lüge aber ist die Schwester der Dummheit. Weil es dieser nie um Wahrheit geht, kann es jener auch nie um Moral gehen.