,

Wollen erste Projekte Moscheen dokumentieren oder überwachen?

Ausgabe 310

umweltbewusst moschee
Foto: W. Dechau

(iz). In der deutschen „Islamdebatte“ gehen seit Langem wiederkehrende Gespenster um. Dazu gehören die Markierungen „Islamismus“ oder „politischer Islam“ sowie „Gefährder“ oder „Hinterhofmoscheen“. Nachdem Ende des Jahres der „politische Islam“ abgehandelt wurde, dreht es sich nun erneut um Moscheen.

Anfang Januar dieses Jahres brachten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Innen und Heimat der Union – in Anlehnung an Frankreich oder Österreich – die Idee auf, Deutschlands Moscheen besser zu kontrollieren. Zur Aufklärung der Auslandsbeeinflussung durch „finanzielle Zuwendungen“ sollen die Befugnisse der Verfassungsbehörden nach dem Willen der Unionsparlamentarier erweitert werden. Das Ganze wurde von Medien mit dem Begriff „Moscheeregister“ bezeichnet. Wie die Tageszeitung „Die Welt“ am 6. April kolportierte, seien die Innenpolitiker der Union von diesem Konzept abgerückt. Zum einen sei es „rechtlich schwierig“ und zum anderen fraglich, ob es „wirklich relevante Erkenntnisse“ bringen würde. Allerdings werde weiterhin an einem „Maßnahmenpaket“ zum Thema „Islamismus“ gearbeitet.

Unabhängige Expertin*innen halten solche Kontrollfantasien laut der SPIEGEL-Autorin Katrin Elger für „einen starken Eingriff in die Religionsfreiheit“. Dergleichen sei für Kirchen, Synagogen oder hinduistische Tempel undenkbar. Die Juristin Maryam Kamil Abdulsalam bezeichnete die Idee nach Angaben der „Welt“ als einen „starken Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung, der nicht zu rechtfertigen ist“. 

Jenseits des Wunsches von Politik und Staat nach einer besseren Kontrolle von deutschen Moscheegemeinschaften ­haben zwei nichtstaatliche Akteure mit der Untersuchung von Gebetsräumen angefangen.

Der erste Ansatz steht unter Leitung des Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide sowie der Soziologin Christel Gärtner. Im Rahmen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ wird dort das Teilprojekt „Moscheen in Deutschland“ betrieben. Laut Projektbeschreibung (von Seiten der WWU) sollen im Rahmen des Projekts „die Freitagspredigten in mehreren, kontrastierenden Moscheen in verschiedenen Bundesländern analysiert werden“. Laut Elger werden die Predigten „unangemeldet“ aufgezeichnet. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten nicht nur „Klarheit über die Inhalte der Freitagspredigten“ schaffen. Sie seien relevant „für die gesellschaftspolitische Diskussion um die Rolle der Moscheegemeinden“.

Anderes hat der Journalist und Autor Constantin Schreiber vor. Er hat die Webseite Moscheepedia aufgebaut. Hier sollen Moscheen aus aller Welt sowie übersetzte Auszüge aus Predigten dokumentiert werden. Analog zur gleich­klingenden Online-Enzyklopädie können Nutzer eigene Beiträge anlegen. Andere Nutzer sollen die Einträge bearbeiten können. Man lege dabei Wert „auf unterschiedliche Perspektiven“ und wolle auch „Experten aus dem Ausland“ einbinden.

Er wolle „keine Ersatzhandlung für die Politik vollziehen“, sagte Schreiber der NZZ im Gespräch. Da keine Religionsgemeinschaft dazu verpflichtet sei, „sich beim Staat zu melden“, würde er sich über Freiwilligkeit von „immer mehr Gemeinden“ freuen. Nach der Veröffentlichung seines Titels „Inside Islam“ wurde er von unabhängigen Stimmen kritisiert. Obwohl er knapp 20 von 2.750 Moscheen in Deutschland besucht hatte, wurde der Text als „erster deutscher Moschee-­Report“ angepriesen.

Die öffentliche Markierung von ­Moscheegemeinden setzte praktisch ­Debatten über den „Islamismus“ fort, kommentierte IZ-Herausgeber Abu Bakr Rieger solche Vorhaben. Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) müsse schnell klären, „ob er nicht einfach selbst ein Register ­einführt“. Damit könnten Moscheen „zumindest ihr eigenes Selbstverständnis vorstellen“, bevor es Dritte täten.

Erweitert und geändert am 7. April.