
Bangen und Hoffen: Die Bundesbürger sind mit multiplen Sorgen konfrontiert. Davon sind auch Muslime betroffen.
(iz). Den alten Chinesen wird der Fluch „mögest Du in interessanten Zeiten leben“ zugeschrieben. Umgekehrt ist das Zitat des Dichters und Dramatikers Bert Brecht belegt: „Glücklich das Land, dessen Geschichte sich langweilig liest“.
Es drückt die Vorstellung aus, dass ein Volk, dessen Geschichte „langweilig“ ist, in Frieden und Stabilität lebt. In solchen Zeiten gibt es keine Kriege und Krisen, die die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen.
Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / photothek
Bangen und Hoffen: Es wird „interessant“ in Deutschland
Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass nicht nur wir Deutschen eine „interessante“ Phase der Geschichte erleben. Nicht zuletzt hat sich seit einigen Jahren der Begriff der „Polykrise“ in der Öffentlichkeit etabliert.
Die Krisenhaftigkeit unserer Zeit, die auch in den seit langem ungelösten Grundwidersprüchen unseres Lebensstils wie dem Raubbau an der Schöpfung begründet ist, löst bei den Deutschen Ängste und Sorgen aus.
Was unter der Regierung Merkel 16 Jahre lang an Krisenerscheinungen durch billige Energie aus Russland, Exporte nach China und daraus resultierenden relativen Wohlstand abgefedert wurde, bricht sich nun inmitten von Kriegen in Osteuropa und im Nahen Osten Bahn.
Die Folge sind vielfältige Ängste. Wie Studien zeigen (s. S. 15), sind die Deutschen verunsichert: Gewalt und Sicherheit, Migration, Armut, Inflation und Klimawandel – um nur einige zu nennen.
AfD-Kovorsitzende und Fraktionschefin Weidel spricht vor Kameras. (Juergen Novak, Shutterstock)
Von den Ängsten profitieren nur Demagogen
Von diesen Ängsten profitieren – weltweit – die Bauernfänger und Demagogen. Sie haben nur selten funktionierende Lösungen für reale Probleme anzubieten, sondern setzen auch bei uns auf die Bewirtschaftung von Befürchtungen und schüren Ressentiments.
Die Erfolge der AfD bei den diesjährigen Wahlen zeigen, dass dieses Vorgehen, das etwa von Trump perfektioniert wurde, erfolgreich sein kann. Umfragen unter jungen Menschen, die allen Grund haben, sich Sorgen um ihre Zukunft zu machen, zeigen, wie wirkungsvoll dies ist.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass in Krisenzeiten vor allem Minderheiten mit Ressentiments und Ausgrenzungen konfrontiert werden, die durch vorhandene Ängste erzeugt werden. Davon sind auch die deutschen Muslime betroffen.
Wie die EU-Grundrechteagentur FRA dokumentiert, werden sie in der Bundesrepublik nach Österreich am stärksten diskriminiert. Für die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hat das inzwischen ein „alarmierendes Ausmaß“ erreicht. Die Bundesregierung müsse darauf reagieren. Dazu forderte sie Ende Oktober „umfassende Maßnahmen“.