Ägypten entzieht sich dem Einfluss des Westens

Seit Ägyptens Militär die Muslimbrüder entmachtet hat, ist das Verhältnis zu den USA angespannt. Russland steht dagegen hoch im Kurs – so wie einst unter Präsident Abdel Nasser.

Kairo/Luxor (dpa). „Danke Putin, Willkommen in Ägypten“, steht auf einem Plakat, das Aktivisten auf eine Lehmmauer in Luxor geklebt haben. Daneben hängen zwei Poster, die Militärchef Abdelfattah al-Sisi und den früheren ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser zeigen.

In einem Land, das bislang nach Israel der zweitgrößte Empfänger von US-Militärhilfe war, mag das erstaunlich wirken. Überraschend kommt diese Rückbesinnung auf die Zeiten der sowjetisch-ägyptischen Zusammenarbeit nicht. Sie ist das Ergebnis der kritischen Haltung, die Washington nach dem jüngten Machtwechsel am Nil eingenommen hat.

Was ist geschehen? Al-Sisi und der Militärrat hatten Massenproteste gegen die regierenden Muslimbrüder Anfang Juli zum Anlass genommen, um Präsident Mohammed Mursi, Ägyptens ersten zivilen und demokratisch gewählten Staatschef, abzusetzen. Die Generäle benannten mit Adli Mansur einen uncharismatischen Richter ohne politische Ambitionen zum Übergangspräsidenten. Kurz darauf wurde in Medienberichten erstmals die Idee lanciert, Al-Sisi könne 2014 für das Präsidentenamt kandidieren.

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In Washington beobachtet man die starke Einflussnahme des Militärs auf die Politik mit Sorge. Die USA haben deshalb einen Teil ihrer Militärhilfe in Höhe von bisher jährlich 1,3 Milliarden US-Dollar (731 Mio. Euro) auf Eis gelegt – und zwar so lange bis es in Ägypten wieder eine „demokratisch gewählte zivile Regierung“ gibt.

Der ägyptische Regierungschef Hasem al-Beblawi kritisierte diese Entscheidung, betonte aber gleichzeitig, man könne notfalls auch ohne Washingtons Unterstützung auskommen. Außenminister Nabil Fahmi antwortete vergangene Woche in einem TV-Interview auf die Frage, ob sich Ägypten dann vielleicht an Russland wenden könnte: „Wenn unsere Bedürfnisse in Sachen nationale Sicherheit nicht erfüllt werden, dann werden wir andere Quellen finden.“

Im Moment laufen zwischen Moskau und Kairo die Vorbereitungen für ein Treffen. Wahrscheinlich werden im November die Außenminister beider Staaten zusammenkommen.

Die meisten westlichen Kommentatoren halten die Avancen, die Ägyptens neue Führung im Moment den Russen macht, allerdings nur für einen kurzen Flirt. Ziel sei es, die Amerikaner zu Zugeständnissen zu bewegen. Dass Moskau die Spannungen zwischen Kairo und Washington nutzen könnte, um zum neuen strategischen Partner Ägyptens zu werden, hält Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) für ausgeschlossen. In einer Analyse stellt sie fest: „Hierfür hat das Land (Russland) schlichtweg zu wenig zu bieten.“

Doch die Äußerungen von Regierungsmitgliedern, die eine mögliche Wiederannäherung an Russland auch im militärischen Sektor angedeutet haben, entfalten schon jetzt eine gewisse Eigendynamik. Denn bis heute gibt es in Ägypten Menschen, die mit Nostalgie auf die Politik von Gamal Abdel Nasser blicken. Der „Rais“ hatte Ägypten vor über 50 Jahren in den Sozialismus geführt hat und mit russischer Hilfe den Assuan-Staudamm bauen lassen.

In der kommenden Woche wird sich eine Delegation ägyptischer Intellektueller und Künstler auf den Weg nach Moskau machen, um der bislang vor allem auf den Tourismus beschränkten Zusammenarbeit mit Russland neues Leben einzuhauchen. Der Delegation gehört Mohammed Salmawi an, der Sprecher des Verfassungskomitees.

Mit dabei sein wird auch Abdel Hakim Gamal Abdel Nasser, der jüngste Sohn des 1970 gestorbenen Präsidenten. Er war in den vergangenen Monaten als möglicher Präsidentschaftskandidat gehandelt worden. Als sich jedoch abzeichnete, dass General Abdel Fattah al-Sisi eventuell selbst politische Ambitionen hat, trat Abdel Nasser junior in die zweite Reihe zurück. Als er am 28. September zusammen mit Hunderten „Nasseristen“ den 43. Todestag seines Vaters beging, sagte er der ägyptischen Zeitung „Al-Masry Al-Youm“: „Ich hoffe, dass Generaloberst Al-Sisi Ägypten in der nächsten Phase führen wird.“