Aleppos Rebellen stemmen sich gegen Assad. Von Jan Kuhlmann

Was Kobane für die Kurden, ist Aleppo für die arabischen Rebellen in Syrien: ein Symbol für ihren Widerstand. Das Regime zieht die Schlinge um die Stadt immer enger. Doch die Rebellen kämpfen weiter.

Aleppo/Gaziantep (dpa). Wer dem Bombenterror in Aleppo auf schnellem Weg entkommen will, braucht ein Taxi, 100 US-Dollar und starke Nerven. Eine einzige Route führt noch aus den Rebellenvierteln der nordsyrischen Stadt hinaus, sie geht nach Norden Richtung Türkei. Die Taxis jagen die Strecke entlang, um Angreifern kein Ziel zu bieten. Von oben schmeißen syrische Jets oder Hubschrauber täglich Fassbomben. Am Boden schießen Kämpfer des Regimes mit Raketen auf Fahrzeuge und lassen ausgebrannte Wracks am Straßenrand zurück. „Todesroute“ nennen die Syrer in Aleppo die Strecke.

Adnan, ein junger Mann mit Lockenkopf, ist diesen Weg schon häufiger gefahren. Der Aktivist aus Aleppo zieht an einer Zigarette, die er sich auf der Terrasse eines Cafés im türkischen Gaziantep angesteckt hat. Die Stadt unweit der Grenze hat sich zu einem Zentrum syrischer Regimegegner entwickelt. „Wenn man die Strecke nimmt, weiß man nicht, ob man stirbt oder überlebt”, sagt Adnan.

Wie er harren noch immer Zehntausende Menschen in Aleppos Vierteln unter Rebellenkontrolle aus, Kämpfer, Familien, Kinder, Alte. Die Regimegegner stemmen sich gegen die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad, die die Schlinge um die Stadt immer enger ziehen. Es fehlt nicht mehr viel, dann haben Assads Kämpfer die Rebellen im Nordwesten Aleppos eingeschlossen. Für den Aufstand gegen das Regime, der einst mit Demonstrationen für mehr Freiheit begann, wäre das ein Todesstoß. Aleppo ist zum Symbol für den Kampf gegen Assad geworden.

Kapitulieren? Davon ist bei Adnan nichts zu spüren. Der Aktivist Anfang 20 spricht mit entschlossener Stimme. Mindestens 85 Prozent der Häuser seien zerstört, erzählt er. Täglich lässt die syrische Luftwaffe Fassbomben auf die Stadt fallen, eine Waffe, die besonders zerstörerisch ist, weil sie breit streut. „Die Angst ist immer da“, sagt Adnan. „Aber wer in Aleppo geblieben ist, hat entschieden, dass er stirbt.“ Aleppo ist für ihn zur „Stadt des Todes“ geworden.

Die ständige Angst vor den Bomben des Regimes kennt auch Adnan Hadad, 31 Jahre alt, dunkle Haare, der Blick ernst, die Augen müde. Früher verdiente er sein Geld als Investmentbanker in Dubai, bis er vor mehr als zwei Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrte. „Ich wollte mich am Aufstand beteiligen“, sagt er. „Ich war schon immer in Opposition zum Regime.“ Heute leitet er den lokalen Radiosender Hara FM.

Tagsüber, nachts, die Fassbomben könnten jederzeit vom Himmel fallen, erzählt Adnan Hadad. Manchmal seien es fünf am Tag, manchmal zehn, manchmal mehr. „Sie wollen uns mit Terror aus der Stadt jagen“, sagt er. Es mag verrückt klingen: Aber viele Menschen sind in leere Häuser nahe der Front gezogen, weil dort die Überlebenschancen größer sind, denn hier schmeißt das Regime selten Fassbomben ab – aus Angst, die eigenen Kämpfer zu treffen.

Der Bombenterror und die drohende Blockade setzen die Regimegegner unter massiven Druck. Verschiedene Rebellengruppen kämpfen in Aleppo, die sich jedoch oft gegenseitig mit Argwohn betrachten. Gerade verhandelten sie darüber, das einheitliche Militärkommando neu aufzustellen, sagt Adnan Hadad. Vor allem die gemäßigteren Milizen, die sich zur Freien Syrischen Armee (FSA) zählen, haben an Boden verloren. Gewachsen ist stattdessen der Einfluss der extremistischen Al-Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.

Die gemäßigteren Kräfte stehen auch deshalb unter Druck, weil ihnen der Nachschub fehlt. Die Unterstützer der FSA im Ausland, vor allem die USA, schicken einigen Brigaden der FSA leicht und mittelschwere Waffen – das aber reiche nicht aus, warnen Regimegegner.

Den Radiomacher Adnan Hadad stört noch etwas an der Politik der USA: Dass die US-Luftwaffe zwar die Terrormiliz Islamischer Staat bekämpft, nicht aber Assad. Seit Jahrzehnten töte die Regierung ihre Bürger, sagte er: „Von den gemäßigtsten Gruppen bis zu den extremistischen sind sich alle einig, dass das Regime weg muss. Unser Hass auf Assad ist größer als der Hass auf den Islamischen Staat.“