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Atomare Abrüstung geht anders

Foto: 509th Operations Group | Lizenz: Public Domain

Regensburg (ots). Die Überlebenden der Atombombenabwürfe über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki vor 75 Jahren halten die Erinnerung an das Grauen, an das Leid und den Wahnsinn des Krieges wach. Sie appellieren an die Vernunft der Menschheit, auf diese zerstörerische Waffe zu verzichten. Aber die Mahnungen führen jahrein, jahraus nicht zu entschlossenem Handeln.

Die Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt fällt zusehends schwerer. Seit 50 Jahren gilt zwar der Atomwaffensperrvertrag. Trotzdem ist die Gefahr eines Atomkriegs nicht gebannt und die atomare Abrüstung ist längst nicht abgeschlossen. Vielmehr droht dem Vertrag ein schleichender Bedeutungsverlust. Der Prozess der Abrüstung verlangsamt sich. Die Atomwaffenstaaten knüpfen eine weitere Abrüstung zunehmend an Bedingungen, die nicht zu erfüllen sind. Die Zahl der Atomsprengköpfe in aller Welt geht zwar zurück. Während sich in Spitzenzeiten des Kalten Krieges das Arsenal der Atommächte auf etwa 70 000 belieft, waren es Anfang des Jahres noch schätzungsweise 13 400 Sprengköpfe.

Die Atommächte rüsten aber insbesondere solche Waffen ab, die ohnehin nicht mehr einsatzbereit sind. Die großen Atommächte USA, Russland und China modernisieren ihre Atomwaffenarsenale. Was vor allem abgebaut wird, ist der Überhang aus dem Kalten Krieg. Es wird also eher der Atomschrott entsorgt. Abgesehen davon: Angesichts der Zerstörungskraft scheint die genaue Anzahl ohnehin wenig aussagekräftig. Denn die vorhandenen Waffen könnten das Leben auf der Erde komplett auslöschen, warnt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri.

Ohne den Atomwaffensperrvertrag wäre die Welt heute noch unsicherer. Es ist der vielleicht wichtigste und wirksamste Vertrag zur Kontrolle von Rüstung, der je abgeschlossen wurde. Einerseits sind zwar die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan und Israel bis heute nicht Mitglied und Nordkorea ist 2003 ausgetreten. Andererseits hat zum Beispiel Südafrika sieben Atombomben produziert. Nach dem Ende der Apartheid hat sie diese aber wieder aufgegeben. Der Vertrag hat zur Stabilität beigetragen. Ohne den Vertrag hätten sich wohl in den vergangenen fünf Jahrzehnten immer mehr Staaten entschlossen, Atomwaffen zu entwickeln.

Die wachsende Unzuverlässigkeit amerikanischer Bündniszusagen könnte bewirken, dass derlei Gedankenspiele wieder an Fahrt gewinnen. Der Abrüstungsparagraf ist der Hauptstreitpunkt in dem Vertrag. Nach einem halben Jahrhundert stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Bei den Staaten, die auf Atomwaffen verzichtet haben, überwiegt die Meinung, dass die Atommächte zu wenig abrüsten und auch gar nicht abrüsten wollen. So tief, wie viele gerne glauben möchten, schlummern die Atomwaffen gar nicht in den Bunkern der großen Mächte. Der Einsatz von Atomwaffen wird genau besehen wieder wahrscheinlicher. Ein Abrüstungsvertrag nach dem anderen wird aufgekündigt. Das Atomabkommen mit Iran, der INF-Vertrag über das Verbot von landgestützten Mittelstreckenwaffen, der Open-Skies-Vertrag, der Staaten gegenseitige Aufklärungsflüge zusichert – alle sind aufgekündigt.

In Gefahr ist das letzte noch gültige nukleare Rüstungskontrollabkommen: der New-Start-Vertrag über die Begrenzung weitreichender russischer und amerikanischer Atomwaffen. Der Vertrag läuft im Februar 2021 aus, wenn Moskau und Washington ihn nicht verlängern. Die mahnenden Worte der Überlebenden in Japan verhallen. Dass ihre Generation noch erleben wird, wie die zerstörerischsten aller Waffen wieder verschwinden, ist nur noch eine Illusion. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die nächste Generation diesen Schritt schafft.