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Auch Erfolgsgeschichten: Experte rät zu ausgewogenerem Blick auf Afrika

Foto: MINUSMA, Marco Dormino

In den westlichen Industriestaaten neigt man bisweilen dazu, in Afrika nur Missstände zu sehen. Der Entwicklungsexperte Pranish Desai wirbt für eine andere Sichtweise.

Kapstadt (KNA). Abgemagerte Kinder, die um Spenden betteln – sie prägen den Blick des Westens auf Afrika genauso wie die Kritik an autokratischen Regimen. Alles legitime Sorgen, meint nun ein Experte aus Johannesburg. Und rät dennoch zu einer differenzierten Sicht: Wer Afrika wirklich helfen wolle, sollte sich vor allem auf die bisherigen Erfolge konzentrieren.

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Geberländer sowohl auf das achten, was nicht funktioniert, als auch auf das, was funktioniert“, sagt Pranish Desai. Der Datenanalyst vom südafrikanischen Thinktank Good Governance Africa fordert von Deutschland und anderen westlichen Staaten „größere Ausgeglichenheit“ beim Blick in Richtung Süden. Darauf machte er zuletzt auch in örtlichen Medien vermehrt aufmerksam. „Wenn es darum geht, menschliche Entwicklung voranzubringen, sollten Geberstaaten und politische Entscheidungsträger vor Ort versuchen, aus den ‘positiven Lektionen’ zu lernen.“ Das helfe dabei, künftige Schritte in der Kooperation so zu setzen, dass sie den größtmöglichen Erfolg erzielten.

Klingt abstrakt, ist es aber nicht. Bestes Beispiel: Der Rückgang der Kindersterblichkeit in Afrika. Lag diese laut Weltbank im Jahr 1990 noch bei 179 pro 1.000 Kindern unter fünf Jahren, waren es 2020 nur noch 73. Eines der Erfolgsrezepte sei ein gesteigertes Vertrauen zwischen Bürgern und den Regierungen in vielen afrikanischen Ländern, erklärt Desai. Dies habe dazu geführt, dass immer mehr Eltern ihre Kinder gegen vermeidbare Krankheiten hätten impfen lassen.

Private Entwicklungshelfer wie die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, aber auch staatlich finanzierte wie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind laut Desai schon gut dabei: Sie analysierten auch die Fortschritte, um bei künftigen Programmen ähnliche Erfolge zu erzielen. Das Vorgehen sei allerdings noch lange nicht bei den meisten Politikern und der breiten Bevölkerung im Westen angekommen. Sie sähen Afrika nach wie vor als Landmasse, geprägt von Wahlbetrug, Korruption, Bürgerkrieg und Hunger. „Das sind wichtige Aspekte. Nichtsdestotrotz wird durch diesen ausschließlichen Fokus auf Missstände ein äußerst vielfältiger Kontinent mit mehr als 1,3 Milliarden Bewohnern über einen Kamm geschoren“, bemängelt der Entwicklungs-Fachmann.

Hilfswerke leben von Spenden. Der Geldfluss wird unter anderem durch Emotionen aufrechterhalten: Das Bild eines ausgemergelten Kindes weckt ebenso Gefühle wie der Schnappschuss eines Bauern, der sich über die gespendete Ziege freut. Allerdings warnt Desai vor ungewollten Folgen. So stelle die Flut derartiger Bilder die Handlungsfähigkeit ganzer Länder infrage. Dabei seien etliche positive Entwicklungen in Afrika das Resultat von harter Arbeit lokaler Anführer und Gemeinden.

Ähnliches gelte für die westliche Fokussierung auf demokratische Standards und die Erwartung, Afrika sei vor allem durch politische Umbrüche zu einer gewissen Selbstheilung imstande. So erlebte Tansanias Ansehen 2021 rund um den Globus einen plötzlichen Höhenflug: Erstmals war in dem ostafrikanischen Land eine Frau an die Macht gekommen. Präsidentin Samia Suluhu Hassan würde mit den Missständen ihres despotischen Vorgängers aufräumen, prophezeiten Medien und Politologen. Unerwähnt bleibt hingegen meist, dass dasselbe Land in den vergangenen 30 Jahren seine Kindersterblichkeit um 70 Prozent senken konnte. „Das ist ein schnellerer Rückgang, als ihn sowohl Afrika als auch die Welt im selben Zeitraum erlebten“, so Desai.

Zwei weitere positive Trends in afrikanischen Ländern seien eine verstärkte Zusammenarbeit und gestiegene Einkommen. Kritiker mögen den wohlwollenden Blick auf den Kontinent als rosarote Brille deuten: Werden Diktaturen, Beschneidung der Meinungsfreiheit und undemokratische Tendenzen dadurch schöngeredet? Im Gegenteil, meint Desai. Denn viel nachhaltiger seien Entwicklungserfolge, wenn sie in einer Demokratie stattfänden

 So hätten zwar auch Entwicklungsdiktaturen wie Äthiopien oder Ruanda seit Erlangung der Unabhängigkeit große Fortschritte erzielt. Jedoch bleibe die ständige Gefahr von Aufständen, gibt Desai zu bedenken: „Plötzliche und gewaltsame Umbrüche können oft zu einer Umkehr der Entwicklung führen, davon zeugt der Großteil Nordafrikas seit dem Arabischen Frühling.“