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Lagebild von CLAIM Allianz: Mehr als zwei antimuslimische Vorfälle pro Tag

Ausgabe 338

Muslimfeindlichkeit CLAIM
Foto: Prostock-studio, Shutterstock

Muslimfeindlichkeit: Wie die CLAIM Allianz in ihrem Lagebild veröffentlichte, kommt es zu zwei Übergriffen pro Tag.

Berlin (CLAIM Allianz). Täglich finden im Schnitt mehr als zwei antimuslimische Übergriffe in Deutschland statt, darunter Diskriminierungen, körperliche Angriffe als auch Sachbeschädigungen.

Die Auswertung des ersten Lagebildes für das Jahr 2022 zeigt, dass sich antimuslimischer Rassismus durch alle Lebensbereiche zieht, sei es bei der Wohnungssuche, dem Arztbesuch oder in der Schule. Schon Kinder erleben antimuslimischen Rassismus, in verbaler als auch körperlicher Form.

Foto: CLAIM Allianz, Twitter

CLAIM Allianz dokumentiert Muslimfeindlichkeit

Der überwiegende Teil der erfassten Vorfälle findet im öffentlichen Raum statt und trifft vor allem muslimische Frauen, die teils auch in Anwesenheit ihrer Kinder beleidigt oder körperlich angegriffen werden. Insgesamt ist darüber hinaus von einer gravierenden Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle auszugehen, die nicht gemeldet oder erfasst werden – das betrifft auch antimuslimische Hassrede etwa in sozialen Netzwerken.

Im Rahmen des ersten zivilgesellschaftlichen Lagebildes antimuslimischer Rassismus wurden für das Jahr 2022 insgesamt 898 antimuslimische Vorfälle dokumentiert, die alleine den Offline-Bereich betreffen – das sind im Schnitt mehr als zwei Vorfälle pro Tag, die gemeldet und verifiziert wurden. Gefördert wird das Lagebild vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. 

Erfasst wurden Fälle mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung als auch Übergriffe unterhalb und oberhalb der Strafbarkeitsgrenze im Offline-Bereich. Antimuslimische Hassrede bspw. in sozialen Netzwerken, als eine weit verbreitete Form des antimuslimischen Rassismus, konnte im Rahmen des ersten Lagebildes nicht erfasst werden.

Menschen werden täglich angegriffen

Alltäglicher antimuslimischer Rassismus bedeutet, dass Menschen tätlich angegriffen werden, aus rassistischen Gründen einen Job oder eine Wohnung nicht erhalten oder Kinder im Schulalltag diskriminiert werden. Besonders alarmierend ist, dass erwachsene Täter*innen wiederholt Kinder sowie Frauen verbal als auch physisch attackiert haben. Das Lagebild wurde heute erstmalig im Rahmen der Aktionswochen gegen antimuslimischen Rassismus veröffentlicht.

„Menschen wurden in Deutschland auch im Jahr 2022 täglich zur Zielscheibe von rassistischen Übergriffen, Erniedrigungen, Beleidigungen und von Ausgrenzungen – weil sie muslimisch sind oder weil man annimmt, sie seien muslimisch. Jeder einzelne Fall kann psychische und finanzielle Auswirkungen auf das Leben von betroffenen Menschen und ihren Familien haben. Was sie tagtäglich in Deutschland erleben, bleibt der Mehrheitsgesellschaft oft unbekannt“, sagt Rima Hanano, Leitung von CLAIM. 

Das Lagebild verdeutlicht vor allem die alltägliche Dimension und die Erscheinungsformen von antimuslimischem Rassismus. „Beratungsstellen berichten u. a. mit Blick auf den Schulkontext, dass das Verhalten von als muslimisch markierten Jugendlichen sehr häufig kulturalisiert und schnell als aggressiv und auffällig eingestuft wird“, so Güzin Ceyhan, Bereichsleitung Monitoring bei CLAIM.

„In vereinzelten Fällen berichten Stellen, dass weitreichende Maßnahmen wie das Einberufen von Klassenkonferenzen ergriffen werden und antimuslimische Narrative und Zuschreibungen die Einstufung des betroffenen Kindes als ‘Problemkind‘ prägen.“

Foto: Markus Spiske, via flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Es fehlt an Beratungs- und Meldestellen

Aufgrund fehlender Beratungs- und Meldestrukturen, fehlendem Vertrauen von Betroffenen oder auch fehlender Expertise zu antimuslimischem Rassismus ist insgesamt von einer gravierenden Dunkelziffer antimuslimischer Vorfälle auszugehen.

„Die massive Untererfassung von antimuslimischem Rassismus führt dazu, dass die Bedrohung durch rassistische antimuslimische Vorfälle als zu gering eingeschätzt wird und Betroffene alleingelassen werden“, mahnt Rima Hanano.

Jede Form von Rassismus und Ausgrenzung gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Empirisch belegen lässt sich, dass antimuslimische Einstellungen und der damit verbundene antimuslimische Rassismus die Demokratie gefährden, indem er auch als Brückenideologie hin zu rechtsextremen Überzeugungen dient.

„Für die nachhaltige Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus und die Unterstützung von Betroffenen braucht es den politischen und gesellschaftlichen Willen zur Umsetzung weitreichender Maßnahmen.“

Zentrale Handlungsempfehlungen, um der Untererfassung von antimuslimischem Rassismus entgegenzuwirken und Betroffene zu stärken, sind u. a.:

 1. der Ausbau und eine dauerhafte Finanzierung der Beratungs- und Unterstützungsstrukturen und der Ausbau bundesweiter Monitoringstrukturen für antimuslimischen Rassismus – Offline und Online.

2. eine konsequente Erfassung und Ahndung antimuslimischer Straftaten durch Strafverfolgungsbehörden sowie eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und.

3. die Anerkennung und Etablierung einer einheitlichen Arbeitsdefinition zu antimuslimischem Rassismus als Basis für behördliches Handeln.

Die 10 Handlungsempfehlungen sind der Publikation „Zivilgesellschaftliches Lagebild antimuslimischer Rassismus“ zu entnehmen. Das Lagebild ist hier (PDF) abrufbar oder auf Anfrage erhältlich. 

Kurzüberblick über zentrale Ergebnisse:

  • Für das Jahr 2022 wurden 898 antimuslimische Vorfälle dokumentiert. Das sind im Schnitt mehr als zwei antimuslimische Vorfälle pro Tag, darunter Diskriminierungen als auch physische Übergriffe. Fast jeden zweiten Tag kam es im Bundesgebiet zu einem antimuslimisch-rassistisch motivierten körperlichen Übergriff oder einer Sachbeschädigung.
  • Verbale Angriffe (n=500) machen den größten Anteil der registrierten Fälle aus, gefolgt von 190 dokumentierten Diskriminierungen (22 %) und 167 Fällen verletzenden Verhaltens (20 %). Die Fälle verletzenden Verhaltens umfassen 71 Körperverletzungen, 44 Sachbeschädigungen, 3 Brandstiftungen sowie 49 sonstige Gewalttaten, darunter die Störung der Religionsausübung nach § 167 StGB.
  • Antimuslimischer Rassismus ist für Betroffene eine alltagsprägende Erfahrung, die sich durch alle Lebensbereiche zieht, implizit wie explizit, sowohl individuell als auch institutionell.
  • Ausmaß und die Häufung von Rassismuserfahrungen werden durch die Verschränkung mit anderen Rassismen (u. a. Anti-Schwarzer Rassismus, Antiziganismus) und menschenfeindlichen Ideologien sowie Bildungsgrad, Familienstand und Migrationsstatus verschärft.
  • In das erste Lagebild sind unter anderem Fallzahlen von 10 regionalen Melde- und Beratungsstellen aus 5 Bundesländern, bundesweite Fallzahlen aus der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2022 sowie aus Pressemeldungen der Polizei für das Jahr 2022 eingeflossen. Antimuslimische Hassrede bspw. in sozialen Netzwerken, als eine weit verbreitete Form des antimuslimischen Rassismus, konnte im Rahmen des ersten Lagebildes nicht erfasst werden.
  • Herausgeber des Lagebildes ist CLAIM in Kooperation mit ZEOK im Rahmen des Kompetenznetzwerks Islam- und Muslimfeindlichkeit. Gefördert wird das Lagebild vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.