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Lobbyvereinigung von US-Muslimen enttarnt Maulwürfe in eigenen Reihen

Ausgabe 322

Foto: CAIR

Nadia Kahfs Erstaunen hielt sich nach ihren eigenen Worten in Grenzen, als sie davon erfuhr, dass in ihrer Moscheegemeinde ein „Maulwurf“ mit am Tisch saß. „Wir haben immer darüber gescherzt, dass eine dritte Person mit uns im Raum ist“, sagte die Vorsitzende vom Islamic Center of Passaic County (ICPC), der größten Moscheegemeinde in New Jersey. Von B. Tenhage

(KNA). Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 fühlten sich viele Muslime und ihre Organisationen über Jahre unter Generalverdacht gestellt. Zuletzt hatte die intensive staatliche Überwachung jedoch nachgelassen, räumt die landesweit größte muslimische Interessenvertretung CAIR ein.

Umso größer das Entsetzen unter US-Muslimen, als CAIR Mitte Dezember einen Spitzel im Bundesstaat Ohio enttarnte. Kein anderer als der geschäftsführende Direktor vor Ort, Romin Iqbal, hatte dort über 13 Jahre lang Interna an das sogenannte Investigative Project on Terrorism (IPT) weitergegeben. Laut CAIR kein Einzelfall. Mitte Januar enthüllte die Organisation die Doppelidentität eines weiteren IPT-Spitzels in den eigenen Reihen. Tariq Nelson vom Dar Al-Hijrah Islamic Center in Falls Church, Virginia, räumte ein, zwischen 2008 und 2012 das IPT mit Informationen gefüttert zu haben – für 3.000 Dollar pro Monat.

Das IPT mit Sitz in Washington existiert seit 1995. Sein Gründer ist der frühere Journalist Steven Emerson. Nach dem 11. September 2001 trat er regelmäßig im Fernsehen auf und sagte auch vor dem Kongress aus. Kritiker bezeichneten ihn schon damals als Verschwörungstheoretiker – vor allem wegen seiner nicht belegten Behauptung, radikale Muslime unterminierten den Kongress und das Weiße Haus. Extremismus-Beobachter sind sich heute einig, dass Emerson ein zentraler Akteur im „Islamophobie-Netzwerk“ sei.

Dessen Organisation – IPT – gibt derweil vor, die Kooperation mit US-Muslimen zu suchen. CAIR sei ein Partner, der dabei helfe, „die Bedrohung durch radikale Islamisten“ zu verringern. Aber Kontrolle schien aus Sicht der Privatspitzel wohl besser als echte Kooperation. Dafür bezahlte IPT unter anderen einen anonymen Whistleblower, der den Fall Iqbal ans Tageslicht brachte.

CAIR sieht noch mehr dahinter. Im Dezember äußerte der Verband den Verdacht, IPT handele im Auftrag rechter Auftraggeber in Israel. „Umfangreiche Beweise“ zeigten, dass die antimuslimische Gruppe „mit dem israelischen Geheimdienst unter dem damaligen Premierminister Benjamin Netanyahu kommunizierte und diesen unterstütze“, erklärte CAIR-Direktor Nihat Awad.

Als Indiz dafür nennt CAIR die Causa Ellison. Der heutige Generalstaatsanwalt von Minnesota, der Demokrat Keith Ellison, einer der prominentesten afroamerikanischen Muslime der USA, sei ein „Hauptziel“ der Beobachtung durch IPT. Ellison hatte sich vor Jahren kritisch über die US-Außenpolitik im Nahen Osten geäußert. Diese werde „von einem Land mit sieben Millionen Einwohnern bestimmt“ – gemeint ist Israel. Ein Video mit dieser Aussage Ellisons sei an das IPT weitergegeben worden, um ihn anzuschwärzen.

Im Januar veröffentlichte CAIR zudem einen Bericht unter dem Titel „Islamophobia in the Mainstream“. Er listet 35 wohltätige Institutionen auf, die Gelder an antimuslimische Gruppen überwiesen haben sollen. Demnach erhielten 26 solcher Gruppen zwischen 2017 und 2019 fast 106 Millionen US-Dollar. Zu den Empfängern gehört auch das IPT. Sie selbst bezeichnet sich unterdessen als reguläre „öffentliche Organisation“ und bestreitet, „Geld von der Regierung oder einer ausländischen Quelle angenommen“ zu haben.

Inzwischen haben mehr als 80 muslimische US-Organisationen Justizminister Merrick Garland aufgefordert, gegen IPT vorzugehen. Es geht um die Frage, ob die Organisation gegen Gesetze verstoßen hat und als „Hassgruppe“ eingestuft werden muss. Nach Worten des stellvertretenden CAIR-Direktors Edward Ahmed Mitchell wollte IPT sicherstellen, dass Muslime „niemals politisch stark genug werden, um die amerikanische Außenpolitik zu ändern.“ Das Überraschende an der IPT-Tätigkeit sei für Muslime, dass die Bespitzelung „so lange in so großem Ausmaß stattfand“.

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