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Debatte: Was kann Islamische Theologie?

Ausgabe 321

eva
Foto: Gary Knight, via flickr / Lizenz: CC BY-SA 2.0

(iz). Ein Islam aus Deutschland für Deutschland. Das ist eines der Ziele der Fakultäten für islamische Theologie in der Bundesrepublik. Die Abhängigkeit aus dem Ausland soll abnehmen und der Vielfalt der MuslimInnen in Deutschland soll Rechnung getragen werden.

Im Herzen des Landes war zunächst keine Fakultät für islamische Theologie zu finden. Das änderte sich 2019. Seit fast drei Jahren können sich Interessierte in der Hauptstadt für das Studienfach anmelden. Über 350 Einschreibungen gab es seither, was auf den ersten Blick vielsprechend klingt und den Anschein erweckt, dass junge MuslimInnen das Angebot aufnehmen.

Die Leitung des Lehrstuhls hat Juniorprofessorin Mira Sievers inne mit Stimmenmehrheit des Beirats, in dem auch etablierte muslimische Verbände repräsentiert sind. Das Angebot für die Studierenden wirkt innovativ: Neben Seminaren zur islamischen Ethik und Recht können Seminare mit Genderbezügen besucht werden. Beispielsweise werden Fragen erörtert, wie es um Homosexualität im Islam steht. Sievers, die solche Seminare anbietet, hat den Islam mit 15 angenommen. Dazu sagte sie: „Der islamische Gott ist kein anderer Gott. Jede Religion hat eben ihre eigene Geschichte. Mich hat die persönliche Gottesbeziehung im Islam sehr angesprochen, und natürlich auch Begegnungen mit den Menschen, die dieser Religion angehörten.“

Jedoch wird das positive Bild von einem Umstand getrübt: Fast die Hälfte aller AnfängerInnen bricht das Studium vorzeitig ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Viele StudienanfängerInnen“, so eine Studentin, „kommen mit falschen Erwartungen“. Zu sehr divergiere das Angebot von dem, was für eine Madrassa beispielsweise typisch sei. Der Fokus hier liege sehr stark auf „der Wissenschaftlichkeit“. Es sei keine bloß theologische Vermittlung des Inhalts, die kritische Auseinandersetzung stünde im Zentrum.

Über 40 Prozent haben in Seminaren zu Beginn des Studiums auf die Frage geantwortet, weshalb das Studium aufgenommen wurde, die eigene Religion besser kennenlernen zu wollen. Das halte die Befragte für eine irrige Vorstellung. Sie selbst würde sich als traditionell bezeichnen, doch sei es ihr von vornherein klar gewesen, dass ein Studium in Deutschland sich nicht darin erschöpfe, bloß theologische Inhalte zu vermitteln.

Eine andere Befragte lobte die kritische Betrachtung. Doch zumindest die Vermittlung von Grundlagen habe ihr gefehlt. In einem Seminar über islamische Theologie, in dem sie die Thematisierung islamischer Praxis erwartete, sei es ihr zu geschichtlich gewesen. Die Historie des Islams stehe in inhaltlich-theologischen Seminaren zu sehr im Mittelpunkt. Wann wurde wer Kalif, warum hat dieser sich mit jenem gestritten und so weiter. Das klingt mehr nach muslimischer Politikgeschichte als danach, eine Beziehung zu Gott aufzubauen.

Positiv bewertet eine der beiden, dass sie durch die kritische Betrachtung ihr Wissen über ihren Glauben erweitert habe. Sie müsse jedoch selbst vertiefen, wenn sie bei einem Thema nicht bloß an der Oberfläche bleiben wolle. Auch das könnte ein Grund sein, warum das Studium so häufig abgebrochen wird: Es sei zu oberflächlich. Wie viel Tiefe kann jedoch erwartet werden? Diese Frage muss gestellt werden.

Der Vorwurf der Oberflächlichkeit kann ebenso in anderen Studiengängen erhoben werden. Es ist einem Germanistik-Studenten beispielsweise möglich, durch das Studium zu kommen, ohne je ein Seminar zu Goethe oder Schiller zu durchlaufen. Was für den einen eine Sünde darstellt, ist für den anderen Realität, weil das Interesse eben woanders liegt. Was jedoch absolut allen mitgegeben wird, ist die Fähigkeit, sich wissenschaftlich Autoren und ihr Werk zu erschließen.

Was also kann und muss eine islamische Theologie in Deutschland leisten? Sie soll und muss die Studierenden dazu befähigen, die Quellen des Islams methodisch zu erschließen. Es wird kein Geheimnis daraus gemacht. Es gehe um muslimische Vielfalt. So wird immer wieder betont. Es geht nicht darum, einen Faqih auszubilden, der Rechtsgutachten für Deutschland erteilt. Wer diese Hoffnung hegt, muss seine Erwartungen runterschrauben und realistisch sein.

Was den Fakultäten für Islamische Theologie jedoch guttun würde, wären zusätzlich zur muslimischen Geistesgeschichte, Grundlagen deutscher Geistesgeschichte. Was wurde in Deutschland bisher wann gedacht? Grundzüge dessen müssen beachtet werden, denn ein Aspekt der Methodik vergangener muslimischer Theologen ist ‚Urf, die Sitte am Ort, wo ein Urteil abgegeben wird. Wer in der Türkei lebt, muss die Türkei und ihre Menschen kennen und wer in Deutschland lebt, muss Deutschland und die Bevölkerung kennen. Das wird in der islamischen Theologie grundsätzlich in ganz Deutschland überhaupt nicht thematisiert. Das muss geleistet werden, um die muslimische Zukunft in Deutschland zu gewährleisten.

Ein Kommentar zu “Debatte: Was kann Islamische Theologie?

  1. Vielen Dank für diesen Artikel, insbesondere was den letzten Hinweis betrifft, sei anzumerken, dass dies so nicht stimmt. Am IIT in Osnabrück werden beispielsweise religionssoziologische Seminare angeboten, die geanu das theamtisieren und sich auf Deutschland beziehen. Dies ist auch der Fall im Kontext der islamischen Religionspädagogik dort so. Die Dozentin bezieht sich dort sehr oft auf Deutschland und die Situation der Jugendlichen in Deutschland.

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