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El-Hassan: Habe als Palästinenserin das Recht zur Israel-Kritik

Foto: Christian Güldner, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Köln (dpa). Die palästinesisch-stämmige Journalistin Nemi El-Hassan vermisst in Deutschland eine ehrliche Debatte darüber, wie sich Antisemitismus von israelkritischen Positionen abgrenzen lässt. „Ich bin und bleibe Palästinenserin, ob das der deutschen Öffentlichkeit nun genehm ist oder nicht“, schrieb sie am 2. November in einem Gastbeitrag auf der Webseite der „Berliner Zeitung“. Sie nehme für sich das Recht in Anspruch, die israelische Regierung zu kritisieren. Dies werde ihr in Deutschland mit seiner Holocaust-Vergangenheit aber nicht zugestanden.

Die 28-jährige Medizinerin sollte ursprünglich die Wissenschaftssendung „Quarks“ moderieren, doch nach Antisemitismus-Vorwürfen hatte sich der Westdeutsche Rundfunk (WDR) vorerst dagegen entschieden. Geprüft wird noch, ob sie möglicherweise redaktionelle Aufgaben hinter der Kamera übernehmen kann.

El-Hassan steht unter anderem in der Kritik, weil sie vor Jahren an einer Al-Kuds-Demonstration in Berlin teilgenommen hatte. Bei diesen Kundgebungen sind in der Vergangenheit immer wieder antisemitische Parolen gerufen und Symbole der pro-iranischen libanesischen Hisbollah-Bewegung gezeigt worden. Für die Teilnahme an der Demonstration hatte sich El-Hassan entschuldigt. Außerdem wird ihr vorgeworfen, israelkritische Posts im Netz gelikt zu haben. In einem Fall ging es dabei um den Ausbruch von Terroristen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis.

In ihrem Gastbeitrag kritisiert El-Hassan weiter, dass die deutsche Öffentlichkeit von ihr verlange, ihre palästinensische Identität zu verleugnen. Für sie gelte aber: „Ich bin Palästinenserin und meine Familiengeschichte ist auf alle Zeit mit der Geschichte des Staates Israel eng verbunden.“

Der „Bild“-Zeitung, die die Vorwürfe gegen sie als erstes an die Öffentlichkeit gebracht hatte, wirft El-Hassan vor, sie demontieren zu wollen. „Natürlich darf auch die Bild-Zeitung zur Vergangenheit einer öffentlichen Person recherchieren und Fragen stellen“, schrieb sie. „Aber es gibt eine Grenze zwischen kritischer journalistischer Arbeit und einer gezielten Kampagne zur Demontage einer Person.“

Die Kampagne gegen sie sei in rechten Foren von langer Hand vorbereitet worden. Dort verfolge man das Ziel, möglichst viele Menschen muslimischen Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen. Antisemitismusvorwürfe würden dazu gezielt eingesetzt, weil sie besonders wirksam seien, um jemanden auf Dauer unmöglich zu machen. Dabei gehe es den Rechtsextremen natürlich nicht um den Schutz jüdischen Lebens, vielmehr sei der Antisemitismus-Vorwurf nur Mittel zum Zweck. Denn: „Im Land der Täter will sich – verständlicherweise – niemand in eine Situation begeben, die nahelegen könnte, dass man sich nicht vehement an der Bekämpfung des gesamtgesellschaftlichen Problems Antisemitismus beteiligt.“

Sie warf dem WDR vor, er habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen. „Die Reaktion des WDR zeigt exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land“, kritisierte El-Hassan.

Am vergangenen Freitag hatte der WDR-Rundfunkrat kontrovers über den Antisemitismus-Vorwurf gegen die Journalistin diskutiert. Einigkeit bestand dabei darüber, dass Antisemitismus im WDR weder vor noch hinter der Kamera einen Platz haben dürfe. Unterschiedlich bewertet wurde hingegen die Frage, ob El-Hassans Meinungsbekundungen wirklich antisemitischen Charakter gehabt haben.