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„Es schadet der Polizei“

Ausgabe 292

Foto: Cineberg | Shutterstock

(Mediendienst Integration). „Racial Profiling schadet nicht nur den Betroffenen, sondern auch der Polizei, da sie damit das Vertrauen von Teilen der Gesellschaft zerstört. Ein Kurswechsel mit dem Ziel einer diskriminierungsfreien Praxis polizeilicher Arbeit ist daher auch in ihrem Interesse. Die Führungsspitzen von Polizei und Innenministerien müssen klare Vorgaben machen, die sich aus den Grund- und Menschenrechten ergeben.“ Dr. Hendrik Cremer, Deutsches Institut für Menschenrechte

Racial Profiling ist in Deutschland verboten, und dennoch weit verbreitet. Viele Schwarze Menschen berichten in Studien, von rassistischen Polizeikontrollen betroffen zu sein. Was sind die Ursachen? Und was kann dagegen getan werden? Der Mediendienst Integration hat Expertinnen und Experten befragt.

Von Racial Profiling spricht man, wenn die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äuße­rer Merkmale kontrolliert, ohne dass es einen konkreten Anlass gibt. Es ist auch dann Racial Profiling, wenn das Ausse­hen einer von mehreren Anhaltspunkten für die Kontrolle ist.

Eine repräsentative Studie aus dem Jahr 2017 zeigt: 14 Prozent der Schwarzen Menschen in Deutschland haben in den vorangegangenen fünf Jahren Racial Profiling erlebt.

Behörden erfassen weit weniger Fälle: Von Januar 2018 bis April 2019 registrierte die Bundespolizei beispielsweise nur 58 Beschwerden wegen Racial Profiling. Fachleute erklären die niedrigen Zahlen damit, dass es in Deutschland kaum unabhängige Beschwerdestellen gibt. Betroffene müssen Beschwerden bei der Polizei einreichen. Das führe oft zu Gegenanzeigen. Der Gerichtsprozess sei wiederum teuer und wenig erfolgversprechend.

Eine Studie aus der Schweiz zeigt: ­Betroffene von Racial Profiling können chronische Angst vor Kontrollen entwickeln und verlieren Vertrauen in die Polizei. Viele schämen sich oder fühlen sich bloßgestellt. Zudem berichten ­Betroffene, dass sie bestimmte Orte meiden oder sich zurückziehen. Eine Person gab an, sie habe ihren Beruf verloren, weil sie durch ein Polizeiverhör zu spät zur Arbeit gekommen sei. Auch in Deutschland berichten Menschen von ähnlichen Erfahrungen.

Auf internationaler Ebene verbieten die Menschenrechtsabkommen der UN und des Europarats Racial Profiling. Auf nationaler Ebene verstoßen rassistische Polizeikontrollen gegen Artikel 3 des Grundgesetzes. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen 2018 klargestellt. Der Grundgesetz-Artikel ­besagt, dass „niemand wegen seines ­Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt (…) werden (darf).“ Zugleich gibt es jedoch Gesetze, die Racial Profiling begünstigen.

Laut §22 Bundespolizeigesetz soll die Bundespolizei unerlaubte Einreisen verhindern. Dafür darf sie in Zügen, an Bahnhöfen und Flughäfen Personen kontrollieren und mitgeführte Sachen wie Gepäck in Augenschein nehmen. In der Praxis greifen Beamte oft auf äußerliche Merkmale wie die Haut- oder Haarfarbe zurück, um vermeintlich unerlaubte Einreisen festzustellen.

Daneben erlauben §23 des Bundespolizeigesetzes und verschiedene Landespolizeigesetze, dass Polizeibeamte ­Personen an „gefährlichen Orten“ nach dem Ausweis fragen dürfen, ohne dass es einen konkreten Verdacht gegen sie gibt. Anwohner und Passanten sind an diesen Orten besonders oft von Racial Profiling betroffen.

Ilka Simon vom Antidiskriminierungsbüro Köln berichtet von der Entwicklung in Nordrhein-Westfalen: „In NRW hat die Polizei das Thema „Ethnic Profiling“ 2018 in die Ausbildung aufgenommen. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es wäre gut, wenn auch andere Bundesländer nachziehen. Daneben brauchen Polizeibe­hörden eine Fehler- und Antidiskriminierungs-Kultur. Das hieße, dass Bedienstete reflektieren, wen sie aus welchem Grund kontrol­lieren. Betroffene von Racial Profiling ­brauchen wiederum Orte, an denen sie Stärkung erfahren. Das können Beratungsstellen sein, aber auch geschützte Workshops, bei denen sie sich mit anderen rassismuserfahrenen Menschen austauschen können.“

Der Text wurde am 19.09.2019 auf der Webseite des Mediendienstes Integration im Rahmen einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht.