Pennsylvania/Teheran (dpa). Nach dem gewaltsamen Vorgehen gegen Demonstranten im Iran ist nach Einschätzung einer Expertin auch ein Teil der religiösen Schicht wütend auf die politische Führung des Landes.
„Es gibt einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft, der den Islam praktiziert. Aber selbst der größte Teil der traditionellen, religiösen Bevölkerung des Landes ist entsetzt über brutale Gewalt im Namen des Islam“, sagte Fatemeh Shams, Assistenzprofessorin an der University of Pennsylvania für Persische Literatur, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Mehr als drei Monate nach Beginn der Proteste wird nach Ansicht der Professorin, die sich in ihrer Arbeit auf die Schnittstelle von Literatur, Politik und Gesellschaft konzentriert, immer deutlicher, wie gespalten die iranische Gesellschaft ist.
„Ich denke, dass wir dieses Mal auch einen Generationswechsel erleben, der Schulkinder und Schülerinnen in den Vordergrund der Proteste gebracht hat – und das ist ein völliges Novum. Diese Kinder haben nichts zu verlieren. Alles, was sie wollen, ist ein normales Leben, und sie sind bereit, ihr Leben dafür zu opfern.“
Auslöser der landesweiten Demonstrationen war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die junge Frau starb vor knapp 100 Tagen in Polizeigewahrsam, nachdem sie von den sogenannten Sittenwächtern wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Die darauffolgenden Proteste entfachten sich wie ein Lauffeuer und stürzten die Islamische Republik in die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten.