Berlin (KNA). Eine systematische Wiederaufnahme der zum Terror-Regime „Islamischer Staat“ (IS) ausgewanderten deutschen Staatsangehörigen haben Nahostfachleute gefordert. Die neue Bundesregierung solle eine „schrittweise und kontrollierte Rückführung“ einleiten, erklärte der Londoner Professor für Sicherheitsstudien, Peter Neumann, am 17. November in Berlin bei einer Online-Konferenz zu dem Thema. Der Umgang mit Rückkehrern sei „eine der wichtigsten strategischen Herausforderungen bei der Terrorismusbekämpfung“.
Neumann verwies darauf, dass tausende ehemalige Kämpfer gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren konnten. Aus ihren Reihen sei das globale Netzwerk Al Kaida entstanden, das unter anderem für die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA verantwortlich war. Um eine ähnliche Entwicklung künftig zu verhindern, sei eine kontrollierte Rückführung notwendig, auch wenn sie „politisch unpopulär und nicht risikofrei“ sei.
Auch die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor betonte, eine systematische Rückholung sei „im Sinne der Sicherheitsbehörden“. Wenn Unterstützerinnen und Unterstützer des IS verdeckt zurückkämen, sei „eine Beobachtung und somit die Prävention von islamistischen Straftaten oder Terroranschlägen nur schwerlich möglich“.
Sofia Koller von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gab an, dass aus Deutschland über 1.000 Sympathisantinnen und Sympathisanten des IS nach Syrien und in den Irak ausgereist seien. Von ihnen befänden sich allein in kurdischen Lagern Nordostsyriens noch 60 Erwachsene und 130 Kinder. Bislang habe die Bundesregierung nur in Einzelfällen Frauen und Kinder zurückgeholt, obwohl es in Deutschland „ein breites Netz an zivilgesellschaftlichen und staatlichen Institutionen mit viel Expertise“ für eine kontrollierte Aufnahme gebe.
Die Projektleiterin der Beratungsstelle Leben des Vereins „Grüner Vogel“, Claudia Dantschke, hob hervor, die Anhängerinnen und Anhänger des IS hätten sich in Deutschland radikalisiert. Daher stehe die Bundesrepublik in der Verantwortung, sie für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen und ihnen anschließend eine Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Veranstalter der Konferenz war die in Berlin ansässige Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, ein Verbund von 35 Mitgliedsorganisationen.