
(iz). Einige Tage vor der Fertigstellung dieser Ausgabe wurde in der Redaktion diese hypothetische Frage in die Runde geworfen: Nehmen wir an, man könnte sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammensetzten, um was würdet ihr als theoretische muslimische Vertreter bitten beziehungsweise was wären eure Forderungen? Zuerst wollte ich loslegen und eine Liste von Punkten erwähnen. Musste dann aber innehalten, weil mir spontan nichts einfiel. Den anderen ging es nicht anders.
Das hat zum einen strukturelle Gründe. Viele Entscheidungen – von banalen bis zu grundlegenden –, die Muslime und ihre Gemeinschaften konkret betreffen, werden auf der Ebene von Kommunen oder den Ländern gefällt. Beispiele dafür sind das Baurecht, Betriebsgenehmigungen, Inhalte von Schulunterricht, Friedhofsordnungen, Racial Profiling bei Polizeibehörden etc. Am Beispiel Hamburg mit seinem Staatsvertrag können wir sehen, was durch hartnäckige Arbeit erreicht werden kann. Und was vielleicht noch möglich ist.
Zum anderen liegt das an den Machtverhältnissen. Auf Bundesebene sind unseren VertreterInnen kaum in einer aktiven Sprecherrolle, öfter sind sie die Angesprochenen und müssen sich nicht selten verteidigen. Darüber hinaus hat der muslimische Diskurs nach außen hin in den letzten beiden Jahrzehnten insbesondere darauf gesetzt, zu kommunizieren, was man nicht ist oder nicht sein will. Und ein erheblicher Teil der strategischen Kommunikation von MuslimInnen im Bund ist schließlich deckungsgleich mit allgemein antirassistischen Stimmen.
Nicht vergessen werden darf bei solchen Überlegungen, dass ein weiterhin signifikanter Anteil der Strukturen unserer Selbstorganisation eine Hinterlassenschaft der Migrationsprozesse und ihrer Folgebedingungen ist. Auf der anderen Seite sind seit Jahren Bemühungen unternommen worden, diese zugunsten einer den Gegebenheiten angemesseneren Form zu verändern. Eine Rolle spielt dabei der Verein als Basisform zur Organisation muslimischer Gemeinschaften sowie das Vereinsrecht, das die Rahmenbedingungen vorgibt. Auf Bundesebene agierende Vertreter repräsentieren im strikten Sinne Vereine oder Zusammenschlüsse von Vereinsverbänden. Das ist kein Makel, aber es beeinflusst die Art und Weise, ob und wie Muslime auf dieser Ebene ein handelndes Subjekt sind.
Um zur hypothetischen Ausgangsfrage zurückzukehren: Damit wir diese Frage besser beantworten können, brauchen Deutschlands Muslime – innerhalb und außerhalb von Communitys und Strukturen – neue sowie zeitgemäße Mechanismen einer aktiven Teilhabe. Wollen wir das volle Potenzial der jungen Generationen nutzen, sind innovative Prozesse der Partizipation und der Kommunikation in der Community ein positiver und wichtiger Schritt in die Zukunft.