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Gipfel in Berlin: Libyens Friedensprozess braucht neue Impulse

Foto: Jonathan Stutz, Adobe Stock

Hochrangige Akteure des Libyen-Konflikts treffen sich zum zweiten Mal in Deutschland, um die Stabilisierung des Bürgerkriegslandes voranzutreiben. Dort ist der politische Prozess ins Stocken geraten. Von Cindy Riechau

Tripolis/Berlin (dpa). Uneinigkeit über den Ablauf der Wahl, unzählige Milizen und ausländische Truppen im Land – in Libyen gibt es noch immer viele Hürden auf dem Weg zum Frieden. Eine zweite Libyen-Konferenz soll am Mittwoch (23. Juni) weitere Schritte für eine Stabilisierung des nordafrikanischen Landes einleiten. Außenminister Heiko Maas (SPD) und UN-Generalsekretär António Guterres laden dazu wieder die wichtigsten Akteure des Konflikts ins Auswärtige Amt ein. Auch Vertreter der libyschen Übergangsregierung sollen an dem Gipfel teilnehmen.

Die Konferenz kommt aus Sicht von Claudia Gazzini von der Denkfabrik Crisis Group zur rechten Zeit. Sie könne dem Friedensprozess neue Impulse geben. „Das libysche Parlament und die Exekutive allein waren nicht in der Lage, den Prozess voranzutreiben“, sagt die Forscherin. Spannungen zwischen den rivalisierenden Gruppen in Libyen hätten deshalb in letzter Zeit wieder zugenommen. Sie warnt davor, dass ausländische Kräfte die Macht im Land wieder an sich reißen und dem UN-Friedensprozess den Rücken kehren könnten.

Eines der drängendsten Probleme ist laut Gazzini die fehlende Rechtsgrundlage für die im Dezember geplante Wahl. Uneinigkeit herrscht bislang unter anderem noch darüber, ob die Libyer dann nur über das Parlament oder möglicherweise auch über einen neuen Präsidenten abstimmen sollen. Zudem gibt es nach wie vor unzählige Milizen im Land. Die libysche Regierung steht vor der schwierigen Aufgabe, aus zerstrittenen Kämpfern eine einheitliche nationale Armee zu bilden.

Ein weiteres Thema, mit dem sich die Konferenz beschäftigen will, sind die ausländischen Söldner. Bei der ersten Berliner Konferenz Anfang 2020 verpflichteten sich die teilnehmenden Staaten – darunter Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und die Türkei – ihre Einmischung in Form von Waffenlieferungen und Söldnern zu beenden. Dazu ist es bis heute nicht gekommen. Maas warf ihnen kürzlich Wortbruch vor. Nach UN-Schätzungen vom Dezember halten sich noch rund 20.000 ausländische Söldner im Land auf. Seit Oktober gilt aber eine Waffenruhe, die Gewalt ist deutlich zurückgegangen.

Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Machtkampf zwischen zahlreichen politischen Lagern und verbündeten Milizen versunken. Eine unter UN-Schirmherrschaft gebildete Übergangsregierung löste die international anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis und die Gegenregierung mit Sitz im Osten des Landes ab. Sie soll Libyen nun zu den landesweiten Wahlen am 24. Dezember führen.

Im Januar 2020 hatte die Bundesregierung mit der Organisation eines ersten Libyen-Gipfels eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um Frieden in dem ölreichen Land eingenommen. Die Konferenz trug Forscherin Gazzini zufolge dazu bei, die Kriegshandlungen im Land zu beenden und die Grundlage für die Bildung der Übergangsregierung zu schaffen. Der zweite Gipfel soll nun auch Bilanz über die Fortschritte seit der ersten Konferenz ziehen.

Die meisten Libyer träumen von besseren Lebensbedingungen und einem Aufschwung der Wirtschaft. Aber: „Das wird ein langer Prozess“, sagt Gazzini. Nach Angaben des norwegischen Flüchtlingsrates sind 1,3 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele Libyer könnten sich zudem den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häuser nicht leisten. Eine neue Regierung muss laut Gazzini nach Jahren des Konflikts zudem die Aussöhnung fördern und eine Wiedergutmachung für begangene Verbrechen erreichen.

Die Libyen-Expertin von der Crisis Group rechnet auch in Zukunft mit einem politischen Umfeld, in dem es viele harte Debatten und Konfrontationen geben wird. Auch Vetternwirtschaft und Korruption werden ihrer Ansicht nach weiter eine große Rolle spielen. „Das Land wird sich nicht von einem Kriegsgebiet in eine rosige Demokratie verwandeln“.