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„Ich hätte die Debatte nicht so geführt“

Ausgabe 280

Foto: Zentralrat der Muslime, Facebook

(iz). Aiman Mazyek ist seit 1994 Mitglied im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und seit 2010 dessen Vorstandsvorsitzender. Er arbeitet zudem als freier Publizist und Politikberater und ist Mitglied in der staatlichen „Deutschen Islamkonferenz“. Wir unterhielten uns mit ihm über den Islam in Deutschland.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Mazyek, Sie hatten sich kürzlich zur Frage einer möglichen Ausbildung von Imamen in Deutschland eingeschaltet. Sie begrüßten im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ einen niedersächsischen Vorschlag, wonach Studenten der „Islamischen Theologie“ an der Uni Os­nabrück künftig zu Imamen weiterqualifiziert werden. Was stellen Sie sich genau darunter vor?
Aiman Mazyek: Wir haben zuvor einen ähnlichen Vorschlag gemacht und ihn auch in den eigenen Reihen diskutiert, mit einigen Theologischen Zentren und Spitzenpolitikern erörtert und gute Rückmeldungen erhalten. Das hat uns ermuntert, da weiter zu machen. Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass es sich um einen Vorschlag für den Übergang handelt. Wir nutzen die bestehende Lehrerausbildung und schaffen dort ein zusätzliches Modul „Seelsorge in der Gemeinde“. Während ihrer Tätigkeit könnten die jungen Leute dann zu 50 Prozent von einer Gemeinde finanziert werden, zu 50 Prozent durch den Staat, da sie als Lehrer tätig sind. So wäre die Neutralität des Staates nicht angetastet, wir hätten eine tragbare Finanzierung, die die Gemeinden mit ihren anderen finanziellen Belastungen vereinbaren könnten. Und wir hätten einen wichtigen Pflock gesetzt, um deutschsprachige, hier aufgewachsene und der deutschen Kultur und Mentalität affine Imame in den Moscheen zu haben.
Islamische Zeitung: Ihr Vorschlag ist nicht der erste dieser Art. Auch andere Stimmen sind der Ansicht, diese Form der Imam-Ausbildung sei die Alternative zur heute oft kritisierten Entsendung und Ausbildung von Imamen aus dem Ausland. Ist dieser binäre Gegensatz – Auslands-Imame vs. deutscher Staat – nicht ein bisschen uninspiriert? Wieso gibt es keine wahrnehmbare Diskussion darüber, ob und wie Muslime das selbst machen können?
Aiman Mazyek: Wenn es nach dem Zentralrat ginge, hätten wir das schon lange in einigen der Islamischen Zentren installiert. Wir haben in einigen Bundesländern auch schon Zwischenschritte und Alternativvorschläge unterbreitet. Aber es hapert an der Umsetzung. Wir stellen uns das Konzept der Imamausbildung vergleichbar mit der Ausbildung von Pfarrern bei den Kirchen vor. Sie soll gemeinsam von der Religionsgemeinschaft und der Universität durchgeführt werden. Wie in den Priesterseminaren der katholischen Kirche müssen das Curriculum und die praktische Ausbildung in der Gemeinde von der Religionsgemeinschaft verantwortet werden, so wie es das Grundgesetz wegen der Neutralität des Staates auch vorsieht. Die Imame sollen ja später in den Gemeinden arbeiten.
Universität und Moschee sind hierbei Partner beziehungsweise sie sollen es sein. Dies würde dann für das nötige Vertrauen sorgen, damit die Gemeinden eines Tages diese Imame und Seelsorger übernehmen. Künstliche Unterscheidungen zwischen „konservativ“ oder „liberal“ führen zu nichts und tragen zur weiteren Politisierung der Debatte bei. Es gibt einen Islam, aber keinen liberalen, konservativen oder extremistischen. Auch die Fundamentalisten verstehen das nicht.
Islamische Zeitung: Im weiteren Rahmen ist diese Frage in die momentane Debatte eingebunden, ob es so etwas wie einen „deutschen Islam“ geben und wie dieser ausgestaltet werden kann. So hat eine Ihrer Mitgliedsorganisationen, die IGD, am 9. September seine Jahreskonferenz den Zukunftsperspektiven deutscher Muslime gewidmet. Gibt es in Ihrem Verband hierzu eine einheitliche Position beziehungsweise eine inhaltliche Diskussion? Wenn ja, wie sieht diese aus?
Aiman Mazyek: Als deutsche Religionsgemeinschaft ist es uns wichtig, dass die Bundesregierung endlich praktisch das Thema „Deutsche Muslime“ in den Mittelpunkt des Interesses setzt. Dies zählt zur DNA des Zentralrats seit je her. Bisher haben Teile der Politik, nicht nur aus dem Ausland, sich eher an der Fragmentierung der Islamischen Community beteiligt, indem sie der Ethnisierung der Muslime das Wort geredet haben. Mal sehen, ob man davon endlich Abstand nimmt.
Islamische Zeitung: Vertreter anderer muslimischer Organisationen haben sich nach Äußerungen von Staatssekretär Markus Kerber zur anstehenden Neuauflage der Islamkonferenz eindeutig kritisch zu dem Begriff positioniert. Dabei wurde der Begriff „deutsch“ mehrmals negativ belegt. Ist es für Sie nicht traurig, dass auch Muslime – und nicht nur die rechte Islamkritik – an einen Gegensatz zwischen „deutsch“ und „muslimisch“ glauben? Fehlt es derzeit nicht an geeigneten Foren, in denen solche und vergleichbare wichtigen Fragen in einem weiteren muslimischen Rahmen diskutiert werden können? Wenn ja, was können Strukturen wie die Ihre tun, um die innermuslimische Kommunikation und Willensbildung zu befördern?
Aiman Mazyek: Was sich dahinter verbirgt, ist bei einigen die Angst, dass der Islam als solcher diskreditiert wird. Ich hätte die Debatte aber in der Tat nicht so geführt, dass das Narrativ genährt wird, es gäbe einen Gegensatz zwischen deutsch und muslimisch.
Es gibt für uns auch keinen Islam, der nicht verfassungskonform ist. Es gibt allenfalls Muslime, die extremistische oder kriminelle Vorstellungen mit ihrer Religion verwechseln und sich bisweilen gegen unsere Ordnung stellen. Diese werden weiterhin unseren entschiedenen Widerstand erfahren.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Mazyek, wir bedanken uns für das Gespräch.