Afrika hat 2013 einmal mehr durch Konflikte, Staatsstreiche und blutige Rebellengewalt Schlagzeilen gemacht. Von Hunger und Dürre war kaum die Rede. UN-Experte Ralf Südhoff erklärt, warum vom Elend so wenig zu hören war und wo im nächsten Jahr Nahrungsmangel droht.
Addis Abeba/Berlin (dpa) – 2011 schreckte die Hungerkrise am Horn von Afrika die Welt auf, 2012 war es die schwere Dürre in der Sahel. Seither ist es in punkto Hunger eher still geworden um den afrikanischen Kontinent. Das heißt aber keineswegs, dass die Menschen in vielen Ländern nicht weiter leiden und Hilfe brauchen, sagt der Chef des Berliner Büros des UN-Welternährungsprogramms (WFP), Ralf Südhoff, im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Vor allem wegen der viel beachteten Syrienkrise sei es kaum noch möglich, Spender und Medien auf die Not in Afrika aufmerksam zu machen. Auch 2014 stehen die Hilfsorganisationen vor enormen Herausforderungen, vor allem in Zentralafrika, in Mali und im Südsudan.
Frage: In diesem Jahr war Hunger in Afrika kaum in den Schlagzeilen. Gab es keine Dürre?
Antwort: Es gilt leider die Daumenregel: Die Weltöffentlichkeit kann sich maximal mit einer Krise zur Zeit beschäftigen. Das war in 2013 lange die Syrienkrise, dann für wenige Wochen der Taifun auf den Philippinen. Man kann es sogar so formulieren: Die Syrien-Krise verschärft auch den Hunger in Afrika – weil man kaum noch auf ihn aufmerksam machen kann. Hinzu kommt: Langwierige Krisen in vergleichsweise unbekannten Ländern sind kaum vermittelbar. Wer hat dieses Jahr in Deutschland schon etwas von der dramatischen Lage in der Zentralafrikanischen Republik, im Kongo, in Mali, im Südsudan oder sogar im recht bekannten Kenia mitbekommen, wo wir Millionen Flüchtlingen die Nahrungsrationen kürzen mussten?
Frage: Wo war die Situation denn besonders schlecht 2013 und wo hat WFP am meisten Hilfslieferungen geleistet?
Antwort: Kenia kann man als einen besonders paradoxen Fall herausgreifen: Millionen Somalier sind vor der verheerenden Katastrophe während der Hornkrise und den Kämpfen in der Heimat nach Kenia geflohen, um dem Hunger zu entkommen. Nun hungern sie im Flüchtlingslager, weil es schlicht an Mitteln fehlt, sie zu unterstützen. WFP musste über einer halben Million Menschen die Nahrungsrationen kürzen. Das heißt sie bekommen weniger zu essen, als man braucht, um gesund zu bleiben – aber wir haben keine Wahl. Auch in Mali sind derzeit über 350 000 Menschen auf der Flucht, noch mehr als vor einem Jahr. Aber die Helfer können nun wieder den Norden erreichen, wir haben Korridore nach Gao und Kidal aufgebaut und unterstützen fast 600 Schulen in Timbuktu und der Gao-Region.
Frage: Seit ein paar Wochen ist die Zentralafrikanische Republik ins Zentrum des Interesses gerückt. Wie ist die humanitäre Lage dort?
Antwort: In Zentralafrika haben wir es mit einer akuten Krise zu tun. Eine aktuelle Erhebung hat ergeben, dass über eine Million Menschen vom Hunger bedroht sind, und dies war schon vor der aktuellen Eskalation der Kämpfe. Allein in der Hauptstadt Bangui müssen wir jetzt von weiteren 65 000 Vertriebenen ausgehen. Zugleich fehlt es allein WFP an rund 20 Millionen Dollar (14,6 Millionen Euro), um die Hungernden die nächsten Monate zu unterstützen.
Frage: Wo liegen in Afrika 2014 die größten Herausforderungen?
Antwort: Zwei Länder werden auf ganz unterschiedliche Weise die vielleicht größte Herausforderung 2014 darstellen: Der Südsudan und Äthiopien, unsere größte Hilfsoperation derzeit auf dem Kontinent. Der Südsudan ist in einer klassischen Notsituation: Kämpfe im Grenzgebiet, Flüchtlingsströme, Fluten bringen diesen extrem jungen, kleinen Staat in eine Situation, in der er zwingend viel Hilfe von außen benötigen wird. In Äthiopien ist die Lage ganz anders: Es gibt große Entwicklungserfolge, die es jetzt auszubauen gilt.
Frage: Wie sehen diese Erfolge aus?
Antwort: Noch Anfang der 1990 Jahre waren fast 70 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Dieser Anteil konnte bis heute fast halbiert werden, trotz großen Bevölkerungswachstums. WFP führt vor Ort Kleinbauernprogramme durch, die es ermöglichen, pro Jahr bis zu 100 000 Tonnen Nahrungsmittelhilfe von Kleinbauern lokal anzukaufen, sie so vom Hunger zu befreien und die lokalen Märkte zu entwickeln. In Bewässerungs- und Klimaanpassungsprogrammen bauen sich ganze Dörfer Dämme und Terrassenfelder, wodurch sich Millionen Menschen befähigen, auch schwere Dürren eigenständig durchzustehen. Zugleich ist klar, dass diese Hilfe langfristig und nachhaltig sein muss: Äthiopien ist noch eines der ärmsten Länder der Erde mit einer Bevölkerung von über 90 Millionen Menschen. Gemeinsam mit der Regierung müssen wir 2014 noch über sieben Millionen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Frage: Wie können Menschen in Deutschland helfen?
Antwort: Wir müssen die Chancen, die sich uns derzeit bieten, ergreifen – und dabei können schon Kleinigkeiten einen Unterschied machen. Ein Beispiel sind Spenden in der Weihnachtszeit. Ich rate den Leuten: Spenden Sie lieber nicht für ein einzelnes Projekt oder ein Kind – spenden Sie lieber an eine Organisation, der Sie vertrauen, ob dies nun eine deutsche Hilfsorganisation ist oder eine UN-Organisation. Nur dann können wir nachhaltig den Menschen helfen, sich zum Beispiel in Bewässerungsprojekten gegen Dürren zu wappnen, und nur dann können wir auch in den genannten vergessenen Krisen wenigstens den Ärmsten der Armen helfen.