Islamic Relief: Muslime in ganz Deutschland „speisen für Waisen“

Berlin (KNA). Als Frank-Walter Steinmeier bei Fatiha Chami zu Besuch war, hat ihm der Hummus besonders gut geschmeckt. Der Politiker war vor einem Jahr bei der Berlinerin zu Hause, sie hatte ihn zu „Speisen für Waisen“ eingeladen. Bei der Initiative von Islamic Relief Deutschland laden Muslime ihre Freunde, Familie und Bekannten zu einem großen Essen ein, um Spenden für Waisenkinder zu sammeln.

Fatiha Chami war so begeistert von der Aktion, dass sie mehrmals ein solches Essen veranstaltete und schließlich auch Angela Merkel, Klaus Wowereit und Frank-Walter Steinmeier zu sich einlud – der damalige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion nahm die Einladung tatsächlich an. Fatiha Chami strahlt, als sie sich erinnert, und sagt dann mit einem Augenzwinkern: „Aber das hier ist doch ein bisschen gemütlicher“. Sie ist bei ihrer Freundin Mounira Houssein zu Gast, die zum ersten Mal ein „Speisen für Waisen“ veranstaltet.

Der Wohnzimmertisch, um den sich die Frauen versammelt haben, ist voll mit libanesischen Spezialitäten. Zwischen den Tellern voll Hummus, Taboule und Fladenbrot liegen die Flyer der Hilfsaktion. Die Spenden, die bei „Speisen für Waisen“ gesammelt werden, sollen in diesem Jahr die Not syrischer Kinder lindern. Mounira Houssein und Fatiha Chami finden, dass das ein wichtiges Zeichen der Menschlichkeit ist. Denn, so sagt Fatiha Chami und reißt ein Fladenbrot in die Hälfte, „auch wenn man nur wenig hat, kann man mit anderen teilen“.

Mounira Houssein und ihre Familie haben erlebt, was für einen Unterschied eine helfende Hand machen kann. Als sie in den 1970er Jahren aus dem Libanon nach Deutschland geflohen sind, haben sie Unterstützung von ihren deutschen Nachbarn erfahren. „Das hat mir viel bedeutet und jetzt kann ich etwas davon zurück geben.“ Die zierliche Frau erzählt, dass sie über fünfzehn Jahre von Duldung zu Duldung lebte. Eine Zeit lang habe sie sich wöchentlich beim Ausländeramt melden müssen, das sei „schon sehr schwierig“ gewesen. Fatiha Chami blickt ihre Freundin an und ruft: „Das hast du mir ja noch nie erzählt“. Auch das ein Nebeneffekt von „Speisen für Waisen“.

Die deutschlandweite Initiative möchte ausdrücklich dazu ermutigen, dass Muslime und Nichtmuslime sich besser kennen lernen und gemeinsam engagieren. Die muslimische Hilfsorganisation „Islamic Relief Deutschland“, die 1996 in Köln gegründet wurde, hatte im vergangenen Jahr die Idee, sich so für Waisen auf der ganzen Welt einzusetzen. Im Geburtsmonat des Propheten Mohammed riefen sie Muslime in ganz Deutschland auf, „gemeinsam zu essen und gemeinsam zu helfen“. Rund 2.000 Menschen beteiligten sich 2013 daran und sammelten 89.000 Euro für ein Frauenprojekt in Bangladesch. In diesem Jahr hat sich die Teilnehmerzahl bereits verdoppelt, wie die Organisation mitteilte.

Die Umsetzung von „Speisen für Waisen“ ist vielfältig. Ob ein großes Büffet im Türkischen Theater in Berlin, eine Aktion der katholischen Hochschulgemeinde in Köln oder bei Mounira Houssein im Wohnzimmer – eines haben sie alle gemeinsam; leckeres Essen und eine volle Spendenbox. Das findet nicht nur die Unterstützung von Frank-Walter Steinmeier: von Christian Wulff über den Schriftsteller Navid Kermani bis hin zur Journalistin Kübra Gümüsay setzen sich inzwischen schon etliche Prominente für die muslimische Spendenaktion ein.

Der Wohnzimmertisch von Mounira Houssein hat sich geleert, doch nur, um Platz für den Nachtisch zu machen. Der deutsche Napfkuchen prangt in der Mitte, die süßen libanesischen Teilchen daneben, und Fatiha Chami teilt den Kaffee aus. „Ich hab ein ganz warmes Gefühl zum heutigen Abend“, sagt sie, „wisst ihr was ich meine?“. Und auch wenn sich das diesjährige „Speisen für Waisen“ dem Ende zuneigt, „Inschallah“ – so Gott will – werden sich Frank-Walter Steinmeier und Fatiha Chami im nächsten Jahr wieder bei Hummus und Fladenbrot treffen.