Mit welchen Aktivitäten haben die Menschen in Medina ihre freie Zeit verbracht? Von Omer Spahic

Ausgabe 224

Die islamische Lebensweise rät davon ab, den Körper über Gebühr zu belasten. Da ­seine Energie begrenzt ist, kann er übermäßigem Druck nicht standhalten. Sogar über­triebene ‘Ibada (Anbetung) sollte daher vermieden werden. Wird eine ­Person durch Arbeit, Studium oder jede ­andere Beschäftigung erschöpft – die auf die Erfüllung ihrer Ziele oder die Bedürfnisse ihrer Familie beziehungsweise der muslimischen Gemeinschaft abzielt –, sollte sie eine Pause machen und sich entspan­nen. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „(…) Euer Körper hat Rechte auf euch. Eure Augen haben ebenfalls Ansprüche auch euch.“

Freie Zeit mit bestimmten Sportarten (die keine Schäden nach sich ziehen) zu verbringen, ist im Din dringend angeraten, damit die Muslime fit und ihre Körper gesund bleiben. Im Zusammenhang mit der Schaffung ­beziehungsweise Aufrechterhaltung der körperlichen Gesundheit steht auch der Verstand. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte, dass Kinder Schwimmen, Bogenschießen und Reiten erlernen sollten. Ein starker Gläubiger sei bei Allah beliebter als ein schwacher. Während seiner Lebenszeit in Medina verbrachten die Muslime ihre Mußezeit zu Hause, in privaten Gärten, Moscheen oder in einigen öffentlichen Zonen der Stadt.

Zu Hause
Die beste Erholung ist eine, die im Kreis der Familie verbracht wird, wo es sich im Rahmen des Haushalts reden, scherzen, Sport treiben oder spielen lässt. Das beste Beispiel war niemand anderes als der Prophet. Von ‘Aischa, einer ­seiner Ehefrauen, erfahren wir, wie sie einmal den Gesandten Allahs auf einer Reise begleitete. Dort lief sie mit ihm um die Wette und besiegte ihn. Später, als sie an Gewicht zulegte, rannte sie erneut mit ihm um die Wette, aber dieses Mal war er schneller. Danach sagte er, möge ­Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, zu ihr: „Das war für jenen Sieg.“

Einmal stellte sich ein Mann namens Aqra dem Propheten vor, der mit seinem Enkel Hassan spielte und ihn küsste. Der Mann war so erstaunt und sagte: „Oh Gesandter Allahs, du herzt auch Kinder. Ich habe zehn Kinder, und doch habe ich ihnen niemals irgendwelche Zuneigung gezeigt.“ Der Prophet, möge ­Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ließ ihn wissen: „Was kann ich tun, wenn ­Allah dir Liebe und Mitgefühl vorenthalten hat.“ Von ihm, wissen wir auch, dass es eine der besten Formen der Unter­haltung ist, wenn ein Mann mit seiner Frau spielt.

Das ist einer der Gründe, warum das Haus im Islam großzügig geschnitten sein sollte, um genug Bequemlichkeit zur Erfüllung aller familiären Bedürfnisse zu haben. Die Funktionen eines großen Hau­ses können leichter gesteigert und variiert werden. Daraus folgt, dass eine übermäßige und unnötige Askese beim Hausbau, wodurch die nötige Leistung einer Behausung beeinträchtigt werden kann, nicht empfehlenswert ist.

Das ist darüber hinaus auch einer der Gründe für die häufige Verbreitung von Innenhöfen als integralen Bestandteilen der islamischen Architektur. Neben allen strukturellen und ökologischen Vorteilen von Innenhöfen – die sich überall dort entwickelten, wo eine muslimische Kultur entstand – kommen Vorteile hinzu, die den Freizeitwert der Gebäude erhöhen. Sie waren die Orte für häusliche Arbeiten und Aufträge, für häusliches Gewerbe und Handwerk, Kochen, die Haltung kleinerer Haustiere, für den Anbau von Gemüse, Blumen und Bäumen, zum Spielen von Kindern und Erwachsenen und für die ungestörte Entspannung tagsüber oder nachts – für Männer und für Frauen.

Der Prophet sagte einmal, dass das Glück eines Mannes eine gute Frau, ein geräumiges Haus, ein guter Nachbar und ein gutes Reittier sei. Ebenso sagte er, dass das Haus der Ort ist, in dem poten­zielles Glück und Unglück liegt. Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, bat Allah ­darum, ihm zu vergeben, sein Haus zu vergrößern und seinen Lebensunterhalt zu segnen. Einmal beklagte sich der Gefährte Khalid ibn Al-Walid beim Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, dass sein Haus zu klein sei, um eine Familie und ihre Bedürfnisse zu beherbergen. Der Prophet riet ihm, mehr Wohnraum auf dem Dach des bestehenden Hauses zu schaffen und Allah um Überfluss zu bitten.

Daheim pflegten die Leute von Medina ihre Freizeitaktivitäten, spielten und sangen während der Feiertage, feierten Hochzeiten und Geburten, begrüßten heimkehrende Reisende, hatten Gäste etc. Ziel war immer die Schaffung einer freundlichen und glücklichen Stimmung. Sehr oft geschah das durch Gesang und Spiel; was die Seele erleichterte, das Herz zufrieden macht und das Ohr ­erfrischte.

‘Aischa, eine der Ehefrauen des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, berichtete über einen der Feiertage, als sie in ihre Gemächer kam, in denen zwei Mächten über einen Krieg sangen, der vor dem Islam zwischen den Stämmen Aus und Khazradsch stattfand. Nach seinem Eintreten legte sich der Prophet hin und drehte sein Gesicht auf die andere Seite. Dann trat Abu Bakr, ‘Aischas Vater ein, und sprach in harschem Ton mit ihm:­ ­“Musikinstrumente des Schaitan in der Nähe des ­Propheten?“ Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, drehte sein Gesicht um und bat ihn höflich darum, die Leute in Frieden zu lassen, da dies ein feierlicher Anlass sei.

‘Aischa überlieferte auch, wie sie einmal eine Dame zur Hochzeit mit einem Mann der Ansar (die „Helfer“ aus Medi­na) als Braut vorbereitete. Der Prophet kommentierte das mit den Worten: „Hast Du keine Unterhaltung geplant, wo die Ansar doch Unterhaltung mögen?“

Einige Bewohner Medinas hielten Haustiere wie Katzen oder Singvögel. Einer der Gefährten des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, Abu Huraira, erhielt diesen Titel, weil er Katzen so gerne hatte und oft ein Kätzchen im Arm trug, mit dem er spielte. Der Gesandte Allahs liebte ebenfalls Katzen.

In Moscheen
Unterhaltung und Sport fanden in der Prophetenmoschee sowie in anderen ­Moscheen, statt. ‘Aischa berichtete, wie sie während der ‘Id-Feierlichkeiten den Propheten an der Tür ihres Hauses (das einen Zugang zur Moschee hatte) stehen sah und er einige Äthiopier dabei beobachtete, die in der Moschee ihre Fähigkeiten mit dem Speer zeigten. ‘Aischa schloss sich an, bis sie das Interesse ­verlor.

Es war die Angewohnheit der Abessinier, bei beinahe jeder passenden Gelegenheit, Spiele mit ihren Speeren aufzuführen – manchmal in der Moschee des Propheten und zu anderen Zeiten auf den Straßen. Sogar, als die Auswanderer aus Mekka in Medina ankamen, führten einige Abessinier ihren markanten Tanz als Geste des Willkommens auf.

Außerdem übten sich einige Prophetengefährten direkt nach dem Abendgebet (Maghreb) innerhalb oder bei der Moschee im Bogenschießen und übten solange, bis die Dunkelheit die Ziele unkenntlich machte.

Als der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, eine seiner Gattinnen heiratete, bereitete die Mutter des Prophetengefährten Anas ibn Malik Essen vor und schickte es zum Propheten. Die Anzahl seiner Gäste lag bei ungefähr 300 geladenen Gästen. Da sie nicht alle auf einmal Platz in seinem Haus fanden, warteten sie auf der Suffa (der Veranda der Moschee) auf ihren Einlass zum Essen.

Viele Frauen Medinas pflegten eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, das Spinnen von Baumwolle, in ihren Häusern. Gelegentlich taten sie das in der Prophetenmoschee bis zum Khalifat von ‘Umar ibn Al-Khattab, welcher der Gewohnheit ein Ende machte.

In der Öffentlichkeit
Neben Privathäusern und den Moscheen fand ein Teil der Freizeitaktivitäten auf öffentlichen Plätzen statt – manchmal auf den Straßen oder auf öffentlichen Freiflächen. Eine Bedingung war, dass weder Menschen, noch Tiere oder Privatbesitz zu Schaden kamen. Während der ersten Ankunft des Prophe­ten in Medina (laut Al-Kattani auch bei anderen Anlässen) begrüßten die Einwohner der Stadt ihn und seine Gefährten mit dem Lied „der Vollmond ist über uns aufgegangen“.

Bogenschießen, kunstfertiges Reiten, Pferde- und Kamelrennen, Ringen, Fechten, Hochsprung, Gewichtheben, Steine­werfen und Schwimmen waren – im Großen und Ganzen – die häufigsten Freizeitaktivitäten in der Öffentlichkeit.

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und seine Gefährten organisierten Rennen zwischen Pferden und Kamelen. Dafür wurden sowohl Pferde eingesetzt, die trainiert waren als auch solche die es nicht waren. In einem dieser Rennen nahm auch ‘Abdullah ibn ‘Umar, der Sohn von ‘Umar ibn Al-Khattab, teil. er gewann das Rennen und sein Herz sprang mit ihm in die Moschee.

Der Text ist ein Auszug des Buches „The Prophet Muhammad and Urbanisation of Madinah“ (Link zum Buch: http://rms.research.iium.edu.my/bookstore/Products/502-the-prophet-muhammad-pbuh-and-urbanization-of-madinah.aspx)