, ,

Ist Sport ein muslimisches Konzept?

Sport Jogging Strand
Foto: TheVisualsYouNeed, Adobe Stock

Events und Fitness bestimmen unsere Idee von Sport. Längst ist die Begeisterung dafür der islamischen Welt in eine globale Industrie integriert.

(iz). Die Fußballweltmeisterschaft in Qatar oder Muslimas, die mit Kopftuch an sportlichen Wettbewerben teilnehmen, die Faszination des Sports haben sichtbar die islamische Welt ergriffen. Und: Die körperliche Ertüchtigung ist für viele Muslime in Vereinen oder im Gym aus ihrer Alltäglichkeit nicht wegzudenken.

Sport in der muslimischen Welt wurde global integriert

Längst ist die Sportbegeisterung in der islamischen Welt in eine globale Industrie integriert. Nur wenige Gläubige sehen in der sportlichen Bestätigung etwas Verbotenes; im Gegenteil, für die eigene Fitness zu sorgen, ist für die Mehrheit aller ein Gebot. 

In den islamischen Quellen werden bestimmte Sportarten erwähnt und hervorgehoben. So gibt es eine Überlieferung, die den Gesandten (möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben) in einem Ringkampf beschreibt. Der stärkste Ringer seines Stammes, Rugana, forderte ihn zu einem Kampf heraus und versprach, Muslim zu werden, wenn er besiegt wird.

Der Prophet beendete den Wettkampf siegreich und der Unterlegene bekannte sich zum Islam. In einem anderen Hadith, von Ibn Umar überliefert, wird Muhammad, Friede sei mit ihm, mit den Worten zitiert: „Lehre Deine Kinder Schwimmen, Bogensschießen und Reiten!“

Foto: Prostock-studio, Adobe Stock

Sport soll kein Selbstzweck sein

Der Sport ist ähnlich wie das Reisen nach islamischer Überzeugung kein Selbstzweck, sondern wird mit der Absicht der Erinnerung an den Schöpfer betrieben. Der Körper ist ein Geschenk und schon aus Gründen der Dankbarkeit in einem guten Zustand zu halten.

Der gemeinsam ausgeübte Sport steht dabei höher als der Individualsport. Der berühmte Satz Schillers, dass der Geist den Körper formt, gilt auch für uns. Natürlich ist der Einfluss der Sportgeschichte, die im Westen mit dem Erbe der Griechen entsteht, auf die Praxis der Muslime nicht zu übersehen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die olympische Idee.

Um die Geschichte der Spiele zu verstehen, bietet sich ein Besuch im olympischen Museum von Lausanne, famos in einem Park am Genfer See gelegen, an. Vor dem Gebäude brennt das olympische Feuer und daneben steht das Denkmal des französischen Pädagogen, Historiker und Sportfunktionär Pierre de Coubertin (1863-1937).

Foto: A. Rieger

Coubertin war überzeugt, dass in der Erziehung neue Wege unerlässlich seien und die sportliche Ausbildung den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele erfassen solle. Sein Credo: „Das Wichtigste im Leben ist nicht der Sieg, sondern der Kampf. Das Wesentliche ist nicht, gewonnen zu haben, sondern gut gekämpft zu haben.“

Unter dem Eindruck der Ausgrabungen in Olympia im 19. Jahrhundert trat er für die Wiederbelebung des Ereignisses ein und gründete 1894 das Internationale Olympische Komitee. Für eine moderne Interpretation der Idee war ein Gestaltwandel nötig.

Die alten Griechen hatten kein Konzept von „Sport“. Der Wettkampf diente ursprünglich der körperlichen Ertüchtigung der Soldaten und dem Lob der Götter. Die Sieger erhielten einen Olivenzweig als Symbol des Respektes und der Anerkennung.

Foto: Wikimedia Commons | Lizenz: gemeinfrei

Die moderne olympische Idee war von Beginn an politisch

Die moderne olympische Idee war von Beginn an politischer Natur, widersetzte sich nationalen Egoismen und wollte zum Frieden und zur internationalen Verständigung beitragen.

Dass diese Mission schwierig war, zeigte sich an der Vergabe der Veranstaltung in den 30er-Jahren. Von einem französischen Journalisten gefragt, warum er die Berliner Nazi-Spiele unterstütze, antwortete Coubertin, das Wichtigste sei, dass sie grandios gefeiert würden. Dabei sei es egal, ob man sie als Tourismuswerbung für Südkalifornien wie 1932 in Kalifornien oder als Werbung für ein politisches System wie 1936 in Deutschland verwende.

Diese naive Haltung ist heute kaum mehr vorstellbar. Die Austragungsorte sind verpflichtet, politisch korrekt zu agieren und ihre Spiele ökologisch verantwortlich zu organisieren. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind und ob ökonomische Interessen den Sinn der Veranstaltung untergraben, darüber gibt es immer wieder Streit.

Foto: mediamatic.net

Ursprünge in der Lebensreform

Es war die Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende, die den Sport zum Massenphänomen entwickelte. Das städtische Leben und der Siegeszug der Technik bestimmten zunehmend den modernen Menschen, der Drang hin zu einem anderen, gesünderen Leben nahm zu.

Hinzu kommt die Sehnsucht nach emotionalen Erfahrungen, die spektakulär inszenierte Sportereignisse auslösen. Der Sport in der Form einer Massenbewegung scheint für viele Begeisterte eine Art Religionsersatz zu sein.

Die geistigen Hintergründe der Körperertüchtigung nehmen einen prominenten Platz in Peter Sloterdijks Buch „Du musst Dein Leben“ ändern ein. Der Philosoph zeichnet die Entwicklungsgeschichte der Spiele im Licht ihres antiken und religiösen Vorbildes nach.

Er schreibt über die profane Realität des Sportes zwischen Selbstoptimierung, Kommerz und Massenmobilisierung in der Moderne. Sein Fazit: „Die Olympische Idee hat nur als säkularer Kult ohne ernst gemeinten Überbau überleben können.“ 

Der athletische Imperativ, der das ganze 20. Jahrhundert durchhallt, ist für den Philosophen von grundsätzlicher Bedeutung: „Überall, wo dieser Imperativ vernommen wird, sind wir kulturell auf der richtigen Seite, weil wir dann im griechischen Raum bleiben, in dem der Sport als eine Angelegenheit der Schönheit betrieben wird.“

Nur wer denkt im Fitnessstudio oder auf der Laufstrecke über den antiken Ursprung unserer Köper-Ideale nach? Für viele Menschen ist der Sport ein Ausgleich zu einer von Hektik und Stress geprägten Arbeitswelt. Der Drang zur Selbstoptimierung ist heute fester Bestandteil des Zeitgeistes.

Das Museum in Lausanne inszeniert die Geschichte des olympischen Phänomens mit großem technischen Aufwand beinahe perfekt. Auf Videoleinwänden werden an die unvergesslichen Momente der SportlerInnen und an die spektakulären Eröffnungsfeiern erinnert.

Allerdings fehlt die kritische Aufarbeitung der Skandale rund um die Kommerzialisierung der Spiele oder eine Auseinandersetzung über den Einfluss der Werbung auf die Ideale der Körperlichkeit. Die Frage nach der Bedeutung des Sports in unserem Leben stellt sich immer wieder neu.