
Die Grüne Religionsbeauftragte Lamya Kaddor will mehr Beteiligung für Muslime in der Bundesrepublik.
Berlin (KNA). Die Islamwissenschaftlerin und Religionsexpertin der Grünen, Lamya Kaddor, ist dafür, islamischen Gemeinschaften über Stiftungen dieselben Rechte wie anderen Religionsgemeinschaften zu ermöglichen. „Mir geht es vor allem um eine Unabhängigkeit der Moscheegemeinden vom Ausland“, sagte sie in einem am Freitag veröffentlichen Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und dem Portal
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Lamya Kaddor zum Religionsverfassungsrecht
Frage: Laut Koalitionsvertrag wollen sie auch das Religionsverfassungsrecht im Sinne eines kooperativen Trennungsmodells weiterentwickeln. Wie weit sind Sie hier bislang gekommen?
Lamya Kaddor: Mir geht es vor allem um eine bessere Beteiligung der Muslime. Bislang sind die meisten muslimischen Gemeinschaften noch immer nicht rechtlich als Religionsgemeinschaft anerkannt. Muslimisches Leben muss in Deutschland endlich zur Normalität werden. Ich möchte die Frage nach der parlamentarischen Sommerpause angehen.
Frage: Die Anerkennung verlangt ein gemeinsames Bekenntnis. Wie steht es damit?
Lamya Kaddor: Mit geht es vor allem um eine Unabhängigkeit der Moscheegemeinden vom Ausland. Denn damit geht immer auch ein ideologischer Einfluss einher, wie wir etwa an der DITIB, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalten für Religion, sehen.
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Möglichkeiten der Anerkennung
Frage: Welche Möglichkeiten gibt es?
Lamya Kaddor: Denkbar wäre ein Stiftungssystem, ähnlich wie in Baden-Württemberg. Im Stiftungsbeirat sitzen dann alle muslimischen Vertretungen – von den Liberalen bis zu den Orthodoxen. Sie stehen dann auch für eine bestimmte Lehre.
Die Stiftung zieht wiederum die Gelder ein und verteilt sie. Der Staat könnte eine Art Anschubfinanzierung leisten, wie er auch muslimische Lehrstühle finanziert. Ich will dieses Modell juristisch prüfen lassen.
Frage: Sollte sich damit auch die Islamkonferenz befassen?
Lamya Kaddor: Ja. Sie ist aber bislang vor allem noch dabei, sich zu sortieren, da nicht nur die konservativen Dachverbände teilnehmen, sondern die ganze Vielfalt muslimischen Lebens, also auch die Ahmadiyya-Gemeinschaft und die Liberalen.
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Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus
Frage: Im Sommer soll der Expertenkreis Muslimfeindlichkeit seinen Abschlussbericht vorlegen. Was erwarten Sie? Und gibt es schon mögliche Konsequenzen?
Lamya Kaddor: Ich erwarte, dass dem Auftrag des Expertenkreises entsprechend auch Schnittmengen zwischen Islamfeindlichkeit und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit herausgearbeitet werden.
Entscheidend ist, dass der Bericht nicht einfach im Theoretischen stehen bleibt, sondern konkrete politische Maßnahmen vorschlägt. Eine Konsequenz wird sicher sein, dass wir Islamfeindlichkeit noch stärker öffentlich und vor allem politisch adressieren müssen.
Frage: Wie sieht es wiederum mit dem Antisemitismus unter Muslimen aus?
Lamya Kaddor: Er ist ein dringendes Problem. Viele Studien belegen dies. Man muss aber auch genau hinschauen, wenn man dagegen vorgehen will. Bei Demonstrationen geht der Antisemitismus oft auch von linksextremen Gruppen aus, die völlig säkular sind.
Er ist politisch orientiert und richtet sich gegen Israel. Antisemitismus unter Muslimen ist hingegen auch religiös geprägt und ist anschlussfähig an islamistische Narrative.