Kommentar: Malik Özkan fragt, was große muslimische Dachverbände selbst zur wahrgenommenen, mangelnden Anerkennung beitragen

Ausgabe 221

(iz). „Staat und Gesellschaft lassen Islamverbände im Stich“, heißt es in einer aktuellen Überschrift auf dem Onlineportal islam.de. Der Beitrag rezensiert eine Studie von Kerstin Rosenow-William über die Lage der islamischen Verbände in Deutschland. Die Autorin versucht dabei die Situation des organisierten Islam in Deutschland besser zu verstehen, offensichtlich ohne auf bekannte stereotypische Muster eines Gegensatzes zwischen liberalen und konservativen Muslimen zurückzugreifen. Das Dilemma ist für Rosenow-William greifbar: Sind Muslime eben nicht organisiert, dann fehlt ihrem Bemühen auf Gleichstellung auf gesellschaftlicher Ebene der nötige Nachdruck. Soweit so gut.

Auf der anderen Seite haben sich auch viele Muslime von der bestehenden Realität der Verbände und von der Forderung der Anerkennung ihrer Strukturen als „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ abgekehrt. Zu abgeschottet wirkt das Verbandsleben, dass sich noch immer an ethnischen Trennlinien orientiert und noch immer nicht mit beiden Füßen in Deutschland angekommen zu sein scheint. Dies scheint aber die Voraussetzung zu sein, um von der deutschen Gesellschaft auch als Partner und als Gewinn wahr genommen zu werden.

Immerhin, der Zentralrat der Muslime (ZMD) verweist diesbezüglich ausdrücklich auf seinen anderen, weil multi-ethnischen Ansatz. Auch der Koordinationsrat (KRM) – in der Theorie die Dachorganisation der organisierten Muslime –, die eigentlich auf Gesellschaft und Muslime zugehen sollte, wirkt eher verweist. Das Verlangen nach Anerkennung wirkt so eher abgehoben von der Realität des muslimischen Alltagsleben in Deutschland. Was genau soll denn anerkannt werden?

Auch finanzstarke Verbände investieren lieber in eigene Öffentlichkeitsarbeit, als dem KRM zu einer dem Anliegen würdigen Präsenz in Berlin zu verhelfen. So verliert dieser auf Dauer auch den Anspruch einer wirklichen Interessenvertretung. Bisher hat er eher die Unterschiede der Muslime zementiert, als sich für eine übergreifende thematische Kommunikation einzusetzen. Die Forderung nach Anerkennung verhallt so inzwischen nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch bei den Muslimen selbst. Zu wenig wurde in die zahlreichen Gemeinsamkeiten investiert, zu wenig wurde die Gesellschaft in Debatten mit positivem Inhalt involviert.

Nur mit einer Meinungsführerschaft in wichtigen Debatten kann auch der Respekt und die Anerkennung der Muslime gewonnen werden. Viele Muslime fühlen sich also zu Recht von den Verbänden wenig repräsentiert und fürchten sogar, dass eine Anerkennung der bestehenden Verbände die (Macht-)Verhältnisse zementiert. Zweifellos ist bei politisch denkenden Verbänden die Sehnsucht nach Anerkennung nur eine versteckte Ambition der eigenen Machtsteigerung. Zusammenhalt und Solidarität sollte die eigentliche Motivation sein. Die Frage ist also immer: Wer hat wen im Stich gelassen?