Das Thema Flüchtlinge war zuletzt allgegenwärtig – in den Medien, politischen Diskussionen und für viele Menschen auch im eigenen Alltag. Die Ursachen von Flucht spielen jedoch nur in bestimmten Fällen eine Rolle.
Bonn (KNA) Über den Bürgerkrieg in Syrien ist weiterhin recht viel zu hören und zu lesen. Das ist gut so, sagen Helfer – doch zugleich würden andere Krisen vergessen. Auch darauf soll der Weltflüchtlingstag am Montag (20. Juni) aufmerksam machen. Beispiel Jemen: Seit über einem Jahr befindet sich das Land im Krieg, die Friedensgespräche wurden vor kurzem unterbrochen. „Die Lage ist dramatisch“, sagt Marten Mylius, der bis vor kurzem für die Hilfsorganisation Care in dem Land war. Zusammen mit Syrien benötige der Jemen, der schon vor dem Konflikt als das ärmste Land im Nahen Osten galt, die meiste Hilfe.
„Es fehlt an allem“, erklärt Mylius. 82 Prozent der Bevölkerung sind auf Hilfe angewiesen, haben nicht genug zu essen, kein sauberes Trinkwasser und leben in zerstörten Häusern. Weitere Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen berichten von Angriffen auf Krankenhäuser und ihr Personal.
Neben gesundheitlichen Folgen haben Konflikte wie im Jemen langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft. Menschen, die täglich mehrere Stunden mit der Beschaffung von Trinkwasser befasst sind, haben kaum noch Zeit für Erwerbstätigkeit. „Oft sieht man Kinder, beladen mit Eimern – die gehen natürlich nicht mehr zur Schule“, sagt Mylius. „Das Leben in der Hauptstadt Sana’a läuft noch recht normal ab“, berichtet er. Städte wie die frühere Akademiker-Hochburg Taizz oder die Hafenstadt Aden seien dagegen „wie ausradiert“.
Die saudi-arabischen Luftangriffe auf das Land begannen im März 2015. Im vergangenen Juli riefen die UN die höchste Notstandsstufe aus. Die jemenitische Reporterin Amal al-Yasiri spricht von zwei Konflikten; neben den Angriffen von außen herrsche ein Bürgerkrieg. Mylius bestätigt diesen Eindruck: „Der innere Konflikt ist das Hauptproblem, doch durch die Luftangriffe hat er sich zugespitzt.“
Über 2,8 Millionen Menschen sind im Jemen auf der Flucht, etwa 178.000 haben das Land seit Beginn der Konflikte verlassen. Die meisten Flüchtlinge hat es nach Saudi-Arabien gezogen, einen kleinen Teil auch ins afrikanische Dschibuti. Für Mylius ist das ein Grund, warum der Konflikt in Europa wenig Beachtung findet: „Man sieht hier niemanden aus dem Jemen.“ Auch seien die Flüchtlingszahlen dramatisch für das Land selbst, im Vergleich zu denen aus Syrien aber gering. „Das spielt für die Entscheidung zur Berichterstattung sicher auch eine Rolle“, so Mylius.
Al-Yasiri räumt ein, dass es für Journalisten teils schwierig sei, in das umkämpfte Land einzureisen oder an Informationen zu gelangen. Die Reporterin vermutet aber auch eine falsche Rücksichtnahme auf Saudi-Arabien als Grund für die zurückhaltende Berichterstattung. Unterdessen geht der Exodus weiter. Inzwischen haben alle Juden das Land verlassen; der für Südarabien zuständige katholische Bischof Paul Hinder warnte kürzlich in österreichischen Kirchenzeitungen, die verbliebenen Christen könne man „bald an einer Hand abzählen“.
Da scheint es nur ein schwacher Trost zu sein, dass sich bei der internationalen Staatengemeinschaft ein Umdenken im Umgang mit humanitären die internationale Staatengemeinschaft inzwischen anders auf humanitären Krisen abzeichnet. Wurden sie früher hauptsächlich als Ausnahmezustand bewertet, für den kurzfristig Gelder und Personal bereit gestellt wurden, denke man nun langfristiger, sagt Care-Generalsekretär Karl-Otto Zentel. Trotzdem bleibe noch Luft nach oben: „Not- und Übergangshilfe müssen besser ineinandergreifen und langfristiger geplant werden.“
Auch das Auswärtige Amt weist in einer aktuellen Kampagne auf vergessene humanitäre Krisen hin: etwa in Myanmar, wo die muslimische Minderheit der Rohingya verfolgt wird, in Kolumbien, wo sich Armee, Rebellen und Paramilitärs bekämpfen, oder in der von Marokoo beanspruchten West-Sahara. Schnelle Lösungen gebe es nicht, sagt die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD). Aufgabe der Politik bleibe es jedoch, „nachhaltige Lösungen zu finden“.