(iz). Ein Thema, das mich seit einiger Zeit beschäftigt, ist der Umgang mit Plagiaten und die Einstellung der Gesellschaft zu dieser Thematik. Damit hängt auch das Herunterladen von Liedern, Videos, Filmen oder Programmen aus dem Internet zusammen, das mit Diebstahl gleichzusetzen ist; es sei denn, der Rechteinhaber hat die Datei zu diesem Zweck freigegeben. Die Dateien werden beim Herunterladen auf einer Festplatte oder einem USB-Stick gespeichert und gedankenlos an weitere Personen verteilt. Der Begriff „Raubkopie“ bringt die urheberrechtswidrige Tat dieser Vorgehensweise auf den Punkt. Vor allem für Muslime gilt es, Vorsicht walten zu lassen, weil schnell das Recht eines anderen Menschen verletzt werden kann und wir dafür Rechenschaft ablegen müssen.
Stattdessen werden immer wieder Erzählungen verbreitet, in denen mit Stolz wie von Heldentaten berichtet wird. Betroffene erzählen, wie sie an den Zollbeamten am Flughafen unauffällig und ohne mit der Wimper zu zucken, vorbei gelaufen sind. Es werden sogar vorher langfristige Pläne geschmiedet, wie man mögliche Durchsuchungen durch Behörden geschickt und raffiniert umgehen könnte.
Verbreitet ist das Ganze vor allem bei Jugendlichen, die ihre Sommerferien in ihren Herkunftsländern verbringen und nach ihrer Rückkehr zum Beispiel mit den neuesten Markenklamotten posieren. Von der Allgemeinheit wird kaum gegen diese Praxis argumentiert, geschweige denn etwas dagegen unternommen. Bei Diskussionen mit Bekannten wird deutlich, dass man als Gegner dieser Praxis eine Minderheitenmeinung vertritt und man wird durch die Befürworter sogar schnell als Außenseiter abgestempelt. Kein Wunder, gibt es doch muslimische Elternhäuser, in denen die Kinder dazu animiert werden, die mitgebrachten Produkte an ihre Freunde weiter zu verkaufen, damit die Kinder so ihr Taschengeld aufbessern können.
Ist es jedoch islamisch ethisch vertretbar, dass man im Urlaub Schuhe, wie die neuen Air Max für 15 Euro und den neuesten Kinofilm für einen Euro erwirbt und dabei bewusst Urheberrechte verletzt – obwohl man sich das Original hätte leisten können und diese Ersparnis noch als einen Gewinn empfindet? Und außerdem diejenigen, die sich gesetzlich korrekt verhalten, aufgrund ihrer Ehrlichkeit diffamiert und verlacht?
Manche versuchen ihren Standpunkt dann noch als islamisch zu vertreten und behaupten, dass sie sich vorgenommen haben, diese angebliche Ersparnis (im Hinblick auf den Originalpreis), einer Moscheengemeinde zu spenden.
Ob sie dies auch wirklich durchführen, ist wiederum eine andere Frage. Die Worte unseres Propheten, dass derjenige, der betrügt, nicht von ihm ist und somit nicht zu seiner Gemeinschaft zählt, werden dabei völlig außer Acht gelassen. Auch musste ich mir von einem Kommilitonen die Begründung anhören, dass er sich die neue CD eines Naschidsängers zwar illegal heruntergeladen hat, aber durch das Anhören der Lieder Allahs viel öfter gedenkt. Und diese Konsequenz würde sein Verhalten legitimieren. Denn Allah ist ja, wie wir alle es wissen, allbarmherzig und liebt es zu vergeben.
Wie ist es aber mit den zwischenmenschlichen Sünden? Müssten diese nicht zunächst durch die verletzte Person vergeben werden, bevor der Allvergebende uns vergibt? Obwohl im türkischsprachigen Kontext des Öfteren die Rede von Menschenrechten (kul hakkı) ist, wird dieses Recht im Zusammenhang mit Plagiaten völlig ausgeblendet. Auch im Internet findet man dazu nicht viele Informationen. Wie viele Menschen verdienen an der Produktion einer CD? Das Recht von wie vielen Menschen verletzen wir durch den Kauf einer Raubkopie? Wie wenig denken wir darüber nach?
Vor allem in Mitteleuropa haben wir das Privileg, in Wohlstand zu leben und sind nicht auf Plagiate angewiesen. Es mag sein, dass man bestimmte Firmen boykottiert, weil ihre Produkte in Entwicklungsländern durch Kinderarbeit hergestellt werden, allerdings scheint das oftmals nur eine weitere Ausrede zu sein, denn mit dem Tragen eines Firmenlogos wirbt man bekanntlich für dieses Unternehmen und somit ist das Verhalten eindeutig als kontraproduktiv zu bewerten. Möge der Erhabene uns zu einem moralisch bewussteren Umgang mit dieser Thematik anleiten.
Über den Umgang mit Urheberrechten
Ausgabe 232