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Mehr Panzer an den Persischen Golf

Foto: Derwatz, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

BERLIN/DOHA (GFP.com). Die Bundesregierung genehmigt neue Waffenlieferungen an das Emirat Qatar. Wie aus einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervorgeht, hat der Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) die Erlaubnis erhalten, 15 Flugabwehrpanzer des Typs Gepard an Qatar zu verkaufen.

Sie sollen bei der dortigen Fußball-WM im Jahr 2022 bereitstehen, um im Falle eines Terrorangriffs mit bewaffneten Drohnen diese abschießen zu können. Beobachter urteilen, die Lieferung diene KMW zugleich dazu, in Qatar einen „Fuß in der Tür“ zu behalten: Das Emirat, dessen Armee zuletzt mit einer milliardenschweren Lieferung von Kampfpanzern und Dutzenden Militärfahrzeugen aus der Produktion von KMW aufgerüstet wurde, wolle weitere kostspielige Waffenkäufe tätigen, heißt es.

Die deutschen Rüstungslieferungen erfolgten – und erfolgen – trotz heftiger Spannungen nicht nur zwischen den arabischen Golfstaaten und Iran, sondern auch zwischen Qatar auf der einen sowie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der anderen Seite.

Drohnen abschießen
Die Münchner Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann (KMW) verkauft 15 Flugabwehrpanzer des Typs Gepard an das Emirat Qatar. Wie aus einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervorgeht, hat die Bundesregierung den Deal unlängst genehmigt. Demnach werden die qatarischen Streitkräfte neben den Panzern weiteres Gerät und Ersatzteile erhalten, etwa vier Maschinenkanonen, 16.000 Patronen Munition, 30 35-Millimeter-Rohre sowie 45 Verschlüsse. Der Kaufpreis beläuft sich, wie berichtet wird, auf 31,4 Millionen Euro.

Unmittelbarer Zweck des Geschäfts sind Vorkehrungen zum Schutz der umstrittenen Fußball-WM 2022, die in Qatar stattfinden wird. So sollen die Gepard-Panzer während des Events bereitstehen, um im Falle eines etwaigen Terrorangriffs mit bewaffneten Drohnen diese abschießen zu können. Der Gepard, der im Kalten Krieg zur Abwehr sowjetischer Tiefflieger konzipiert wurde, gilt als durchaus geeignet dafür. In der Tat hatte auch Brasilien im Vorfeld der Fußball-WM 2014 zwecks Abwehr etwaiger Attacken aus der Luft 37 Gepard-Panzer gekauft, drei davon als „mobile Ersatzteillager“. Der Preis wurde damals mit 30 Millionen Euro beziffert.

Zwei Bataillone ausgerüstet
KMW hat in den vergangenen Jahren das bislang größte deutsche Rüstungsgeschäft mit Qatar abgewickelt. Dabei ging es im Kern um die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7+, die die Bundesregierung im Jahr 2012 genehmigte. Beide Seiten stockten den Deal auf, bis er schließlich neben 62 Leopard-Kampfpanzern 24 Panzerhaubitzen 2000, sechs Bergepanzer Wisent, 13 Militärtransporter vom Typ Dingo sowie 32 Spähwagen des Modells Fennek umfasste. An die qatarischen Streitkräfte ausgeliefert wurden die Militärfahrzeuge in den Jahren 2015 bis 2018. Der Kaufpreis, der, wie berichtet wird, „auch die Ausbildung“ qatarischer Soldaten sowie „weitere Dienstleistungen“ umfasste, wird mit 1,89 Milliarden Euro beziffert.

Mit den Panzern und den Transportern wurden letztlich zwei Bataillone der qatarischen Landstreitkräfte ausgerüstet. Ende 2017 entschied Doha darüber hinaus, 24 Eurofighter zu beschaffen; in diesem Fall wurde der Preis des Geschäfts, das von Großbritannien eingefädelt wurde, mit fünf Milliarden Pfund angegeben. Deutsche Unternehmen sind seit je am Bau des Eurofighter beteiligt und verdienen gut an dessen Export, auch wenn er über den britischen Rüstungskonzern BAE Systems abgewickelt wird.

Millionenschwere Provisionen
Das KMW-Milliardengeschäft mit Qatar hat im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht: Berichte von „Handelsblatt“-Journalisten deuten darauf hin, dass der deutsche Konzern ungewöhnlich hohe Provisionen zahlte, um den Auftrag zur Lieferung der Kampfpanzer zu erhalten. Um ihn bemüht hatte sich auch das französische Unternehmen Nexter, das Qatar seinen Kampfpanzer Leclerc verkaufen wollte. Laut „Handelsblatt“-Recherchen hat KMW vermutlich 100 Millionen Euro, gut fünf Prozent des Geschäftsvolumens, an eine Briefkastenfirma in Doha mit dem Namen „Kingdom Projects“ überwiesen, zu deren Gesellschaftern Scheich Ahmed Nasser al Thani gehörte – ein Brigadegeneral sowie stellvertretender Stabschef des Militärgeheimdiensts des Emirats Qatar.

Involviert gewesen ist demnach auch General Thani Abdulrahman al Kuwari. Der Mann hatte von 2003 bis 2013 die Finanzen der qatarischen Armee verantwortet und war von 2011 bis 2014 als „Head of the Tenders and Auction Committee“ des Verteidigungsministeriums in Doha tätig gewesen; damit hatte er führenden Einfluss auf sämtliche bedeutenden Auftragsvergaben.

Das Geschäft hatte freilich unabhängig von den Provisionen hohe Bedeutung für Doha: „Die modernen Panzer und Haubitzen“, wird ein Experte zitiert, der von 2013 bis 2017 an der Führungsakademie des qatarischen Verteidigungsministeriums wirkte, „trugen dazu bei, Saudi-Arabien von einem Einmarsch 2017 abzuhalten“.

Machtkampf auf der Arabischen Halbinsel
Im Jahr 2017 war ein schon länger schwelender Konflikt zwischen Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain auf der einen sowie Qatar auf der anderen Seite eskaliert. Kern des Konflikts war – und ist -, dass Qatar in seiner Außenpolitik in erheblichem Maß auf Strukturen der international weit vernetzten Muslimbruderschaft setzt; so förderte es in den Jahren 2012 und 2013 die Regierung der Muslimbrüder in Ägypten und kooperiert bis heute eng mit der Türkei, die sich ihrerseits außenpolitisch auf die Organisation stützt, beispielsweise in Libyen.

Umgekehrt betrachten Saudi-Arabien sowie die Vereinigten Arabischen Emirate die Muslimbruderschaft als ärgsten Feind, der potenziell die Herrschaft der arabischen Feudalclans am Golf bedroht; sie haben den ägyptischen Militärs 2013 bei deren Putsch gegen die Muslimbrüderregierung den Rücken gestärkt und fördern den ostlibyschen Warlord Khalifa Haftar, weil er ebenfalls erbittert gegen die Muslimbruderschaft kämpft.

Um Doha zu einer Preisgabe seiner abweichenden Außenpolitik zu zwingen, starteten Riad, Abu Dhabi und Manama – unterstützt von den nun in Kairo herrschenden Militärs – am 5. Juni 2017 eine Totalblockade des Emirats Qatar und brachen alle Beziehungen zu ihm ab.[10] Ankara wiederum stellte sich auf Qatars Seite und beschleunigte den Aufbau seiner bis heute bestehenden Militärbasis in dem Emirat.

Waffen für beide Seiten
In dem Konflikt hat sich Deutschland dadurch hervorgetan, dass es beide Seiten stark aufrüstete: Während Qatar von KMW Kampfpanzer und Militärfahrzeuge für zwei Bataillone erhielt, erlaubte die Bundesregierung zugleich milliardenschwere Waffenlieferungen an die Vereinigten Arabischen Emirate und bis vor kurzem auch an Saudi-Arabien.

Aktuell finden am Golf intensive Verhandlungen mit dem Ziel statt, die Totalblockade Qatars zu beenden und den Konflikt einer Lösung zuzuführen. Die Aussichten sind ungewiss: Schließlich besteht die Ursache des Zwists, die intensive Kooperation Qatars mit der Muslimbruderschaft, die Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate erbittert bekämpfen, fort. Unabhängig davon ist KMW bemüht, mit der Lieferung der Flugabwehrpanzer, wie Beobachter urteilen, einen „Fuß in der Tür“ zu behalten: Auf der „Einkaufsliste des Emirats“ stünden, so heißt es, „in naher Zukunft auch Schützenpanzer mit einem Auftragsvolumen im Milliardenbereich“; zugleich stehe „eine ähnliche Summe“ in Aussicht, falls Qatar seinen Plan realisiere, „eine zweite Panzerbrigade mit neuen Panzern auszurüsten“. An einem entsprechenden Auftrag wäre KMW fraglos interessiert.