
Berlin hat mit 37 Prozent bei den Einstellungen am meisten Polizist*innen mit Einwanderungsgeschichte. Ihr Anteil liegt über dem Gesamtbevölkerungsanteil. Danach folgen die Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen. Von Joe Bauer & Julia Mergenschröer
(Mediendienst Integration). Eine Recherche des Mediendienstes Integration zeigt: Mehr und mehr Menschen mit Migrationshintergrund gehen zur Polizei. Aber nur wenige arbeiten in Führungspositionen. Das geht aus einer Befragung unter den Innenministerien der Bundesländer und der Bundespolizei hervor. Am vielfältigsten ist die Berliner Polizei, wo zuletzt 37 Prozent Personen mit Migrationshintergrund eingestellt wurden.
7 von 16 Bundesländern führen Statistiken zum Migrationshintergrund von Polizist*innen. In fünf davon ist der Anteil der neu Eingestellten mit Migrationshintergrund zuletzt gestiegen (Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz). In NRW, Sachsen-Anhalt und bei der Bundespolizei ist der Anteil im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich geblieben.
Zu den Daten: Die Zahlen basieren auf freiwilligen Angaben. Nur die Bundespolizei und die Landespolizei Niedersachsen befragen alle Mitarbeiter*innen. Einige andere Landespolizeien befragen neu Eingestellte und Bewerber*innen. Die Daten haben deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Zum fünften Mal hat der Mediendienst Integration Daten zu Menschen mit Einwanderungsgeschichte bei der Polizei ausgewertet. Seit Jahren steigt ihr Anteil kontinuierlich. Aber: In fast allen Landespolizeien und bei der Bundespolizei liegt er deutlich unter dem Anteil in der Gesamtbevölkerung. Ein Repräsentationsproblem, sagt Savaş Gel, Kriminaloberrat bei der niedersächsischen Polizei: „Die Polizei muss die Bevölkerung widerspiegeln und Vielfalt als Stärke betrachten – daher ist es so wichtig, dass die Polizei Nachwuchsgewinnung bei Menschen mit Migrationshintergrund betreibt.“
Besonders selten sind Führungskräfte mit Einwanderungsgeschichte: Daten der Bundespolizei und der Polizei Niedersachsen zeigen, dass nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund in Führungspositionen arbeiten (2,4 Prozent beziehungsweise 4 Prozent).
„Polizist*innen, die eine zweite Sprache sprechen, sind sehr gefragt“, sagt Soziologin Alexandra Graevskaia. Sie forscht aktuell zu Vielfalt in Polizeistationen: „In bestimmten Situationen ist die Polizei zwingend darauf angewiesen, dass Polizist*innen mit Migrationshintergrund übersetzen.“ Im Alltag würde es zu lange dauern, Dolmetscher*innen einzubestellen. Auch deshalb sei es so wichtig für die Polizei, Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu werben.
Die Mehrheit der Bundesländer und die Bundespolizei sprechen in ihrer Werbung gezielt Menschen mit Migrationshintergrund an. Die meisten dieser Werbemaßnahmen gibt es in Berlin, wie etwa Informationsveranstaltungen bei Migrant*innen-Organisationen.
Andere Landespolizeien setzen auf andere Maßnahmen. Nordrhein-Westfalen verwendet zum Beispiel „Targeted Advertising“ (gezielte Werbung, Anm.d. Red.) in sozialen Medien: Werbungen, die nur bestimmten Zielgruppen angezeigt werden, etwa „junge Menschen mit Migrationshintergrund in NRW“. Die Bundespolizei führt Informationsveranstaltungen durch an Schulen, in denen der Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund besonders hoch ist.
Führt mehr Vielfalt in der Polizei auch zu weniger Rassismus in der Polizeiarbeit? Astrid Jacobsen, Polizeiforscherin und Professorin an der Polizeiakademie in Niedersachsen ist skeptisch. „Die Organisationskultur in der Polizei ist sehr homogen. Das bedeutet: Sie sorgt eher für angepasstes Verhalten als für Vielfalt.“ Deshalb führe ein höherer Anteil an People of Color in der Polizei nicht unbedingt dazu, dass weniger Racial Profiling stattfinde. Aus der Forschung wisse man nämlich: „Menschen mit Migrationshintergrund müssen ihre Loyalität zur Polizei stärker unter Beweis stellen als ihre Kolleg*innen ohne Migrationshintergrund – und sich stärker anpassen.“
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