(iz). Muhammad Ali ist eine Legende. Das braucht man den wenigsten lebenden Menschen zu erklären. Die Zeitschrift „Times“ zählte ihn zu den 100 bedeutendsten Personen des 20. Jahrhunderts. Ohne Frage, er prägte Generationen und wurde durch seine Art zu einem Symbol für Hoffnung und Mut.
Boxgrößen wie Mike Tyson oder Joe Frazier gaben mit Überzeugung den Titel des „Greatest“ an den geborenen Cassius Clay ab. Die Welt kennt ihn vorrangig als den Boxer Muhammad Ali. Immer öfter auch spricht man vom Bürgerrechtler oder Aktivisten Muhammad Ali. Es scheint aber, dass man selten über den Muslim Muhammad Ali spricht.
Dabei spielte Islam im Leben der schillernden Figur eine große Rolle. Natürlich auch erkenntlich an seiner Namensänderung. Für die wenigen, die sich auf Alis Engagement rund um den islamischen Glauben beschäftigen, verliert sich der Fokus nicht selten auf seine Zeit bei der Nation of Islam.
Die Sekte, die unter anderem einen Konterrassismus gegen „Weiße“ propagierte, erlangte durch die Mischung aus Darbietung einer messiasartigen Führung, Gemeinschaftlichkeit, Bürgerprotest und Religion unter der afroamerikanischen Bevölkerung einiger Städte große Bekanntheit.
Inspiriert durch Malcolm X, der Muhammad Alis Werdegang noch entscheidend mitprägen würde, schloss das junge Boxtalent sich der Bewegung an. In der Zeit legte er auch seinen vorherigen Namen ab, mit der Begründung, dieser sei ein Sklavenname.
Nur wenige Wochen danach brach Malcolm X mit der Nation of Islam öffentlich. Vorausgegangen waren Reisen in diverse muslimische Länder, unter anderem auch nach Mekka und Medina, sowie der Anschluss an einen sunnitichen Sufi-Schaikh aus dem Sudan, der ihm den Namen Malik al-Schabazz gab und später auch die Bestattung des berühmten Wortführers durchführen sollte.
Muhammd Ali tat es Malik etwas später gleich. Ebenfalls geprägt durch die Begegnung mit Muslimen verschiedenster Herkunft erkennt er die Unterschiede zwischen der Ideologie der Nation of Islam und dem Mehrheitsislam. Alis Bruch ist weniger öffentlich, wie auch sein Auftreten nach der Zeit allgemein.
Während seines Aufenthalts in Libyen wurde der in Louisville geborene Sportler vom deutschen Muslim Baschir Dultz bewirtet, der zu der Zeit, vor der Machtergreifung Gaddafis vom einflussreichen Sanoussi-Clan immer wieder mit der Betreuung europäischer oder amerikanischer Gäste beauftragt wurde. Dultz, der nach seiner Rückkehr nach Bonn die Deutsche Muslimliga mitleiten wird, empfing auch schon zuvor Malcolm X.
Die Pilgerfahrt nach Mekka war besonders bedeutsam für den schlagfertigen Visionär. Das gemeinsame Umrunden der Kaaba mit Menschen aller Ethnien und Hautfarben bestätigte ihn im Glauben, dass jeder Mensch unabhängig von solchen Zugehörigkeiten bei Gott den gleichen Wert habe. Einer der Biographen Muhammad Alis, David Remnick sagte später: „Dass er den Inhalten der NOI (Nation of Islam) abschwor, war den Funktionären bekannt, man scheute sich aber, sich deswegen von ihm zu distanzieren. Er war zu populär.“
Als Wallace D. Muhammad 1975 die Führung der NOI übernahm, versuchte er stückweise die Inhalte an die traditionellen Lehren des Islam anzunähern. Später führte das zu einer Aufspaltung der Bewegung, wobei Muhammad Ali mit dem Flügel Wallaces weiterhin im Kontakt blieb.
Die nächsten 30 Jahre waren geprägt von Reisen und Begegnungen. Ali widmete sich dem Studium des Islam, las Bücher und besuchte wichtige Stätten. Auch bemühte er sich um die Aufrechterhaltung des Erbes seines einstigen Weggefährtens Malcolm bzw. Hadsch Malik. International wurde er empfangen wie ein Staatsmann. Präsidenten und Könige nahmen sich für ihn Zeit, zeigten sich mit ihm und hörten ihm zu. In der muslimischen Welt war er mehr als nur ein Held. Das wusste auch die US-Regierung zu nutzen. So war er beispielsweise offizieller Entsandter der Regierung um mit dem damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein die Freilassung amerikanischer Staatsbürger auszuhandeln.
Muhammad Ali wandte sich nie von seiner Heimat ab. Trotz der Nähe zur muslimischen Welt, insbesondere zu Afrika, ließ er seinen Fokus auf den USA. Auch wenn der marokkanische König Hassan II. ihn „einen der letzten Könige Afrikas“ nannte. Nicht nur in seiner Geburtsstadt Louisville setzte sich Muhammad Ali für soziale Projekte ein. „Ich glaube daran, dass es meine größte Pflicht gegenüber den Menschen ist, ihnen behilflich zu sein. Das lehrt mich der Islam“, sagte der Champion in einem Interview zu einer neu eröffneten Schule.
Stets setzte er sich für die Rechte von Minderheiten ein und plädierte gleichzeitig für Dialog und gegenseitigen Respekt. Nachdem Donald Trump im US-Wahlkampf ein Einreiseverbot für Muslime ins Gespräch brachte, erklärte er in einer öffentlichen Stellungnahme, dass Muslime gegen Terror seien und Terror prinzipiell der islamischen Lehre widerspreche. Solche Statements seinerseits waren keine Seltenheit. Für den Muhammad Ali Kenner Imam Zaid Shakir sei es kein Zufall, dass das Idol selten als repräsentativ für Muslime dargestellt wurde. „Er passt nicht ins mediale Konzept.“
Trotz seiner Parkinson-Erkrankung habe Ali bis zu seinem Tod versucht mit dem fünfmaligen Gebet „Ruhe in seinen Körper zu bringen“, beschreibt Maryum Ali ihren Vater. Im Alter spielte die Wissenschaft des Tasawwuf für ihn eine immer wichtigere Rolle. Angefangen bei Büchern indischer Sufi-Traditionen, begab sich Muhammad Ali immer wieder zu klassischen Gelehrten.
Zum Ende seines Lebens war er fasziniert von Imam Zaid Shakir und Schaikh Hamza Yusuf, zwei US-amerikanischen muslimischen Gelehrten. Er soll zu ihren großzügigsten Unterstützern gehört haben und sei fasziniert vom Zaytouna-College gewesen, einer muslimischen Universität im US-Bundesstaat Kalifornien.
Sie waren es auch, die seine Beisetzung organisierten und ausführten. Weltweit wurde das Ereignis verfolgt. Nationale und internationale Persönlichkeiten aus Politik, Unterhaltung, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft waren anwesend. Muhammad Ali habe zu Lebzeiten darauf bestanden, eine für alle als solche erkennbare muslimische Bestattungszeremonie zu bekommen. „Selbst als Toter wollte er Menschen noch zum Islam einladen“, reflektiert Imam Zaid Shakir.
Laut seiner Tochter Hana Yasmeen Ali sei es ihrem berühmten Vater immer wichtig gewesen, Menschen den Islam zu zeigen. „Er war überzeugt und glücklich und wollte, dass jeder das gleiche kennenlernt.“ In privaten Kreisen habe ihm das den Ruf eines Missionars eingebracht. Spaßend soll er darauf erwidert haben: „Der Missionar bist du, denn du hast dir die Mission gegeben, mir nicht zu glauben, aber wir werden sehen, wie lange du das schaffst.“
Als eine der zweifelsohne faszinierendsten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts bleibt Muhammad Ali im kollektiven Gedächtnis ein Sinnbild für vieles, vor allem positives. Will man sein Werk aber wirklich ehren, muss er auch als Muhammad Ali, der Muslim in Erinnerung bleiben.