(KNA). In Zentralnigeria tobt ein blutiger Kampf zwischen Viehhirten und sesshaften Farmern. Doch obwohl jedes Jahr mehr als 1.000 Menschen sterben, schauen Regierungen und Politiker weg.
Eine neue Welle der Gewalt erschüttert seit dem Wochenende Zentralnigeria. In den Bundesstaaten Taraba und Plateau kamen Medienberichten zufolge Anfang Mai offenbar zwischen 80 und 100 Menschen ums Leben. Verantwortlich dafür sollen bewaffnete Viehhirten gewesen sein, die mindestens vier Dörfer überfielen. Unter den Opfern ist demnach auch der Pastor einer Freikirche. Der Angriff wird als Racheakt für 400 gestohlene Kühe gewertet – von denen allerdings 300 wieder aufgetaucht sein sollen.
Damit hat sich der Konflikt in der Region erneut zugespitzt. Bereits in der vergangenen Woche starben im Bundesstaat Benue mindestens 13 Menschen. Und es wird längst nicht über alle Ausschreitungen berichtet; niemand zählt die Opfer. Anders als die Terrorgruppe Boko Haram waren die anhaltenden Auseinandersetzungen auch schon vor den Präsidentschaftswahlen Ende März kein Thema. Dabei gehen Beobachter in Nigeria davon aus, dass es ein Pulverfass ist, das nur noch schwer zu beherrschen ist.
Überraschend ist diese Entwicklung nicht. Schon vor Jahren bezeichnete der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ignatius Kaigama von Jos, das Problem als ein altes, für das bislang keine Lösung gefunden wurde. In Plateau gibt es seit langer Zeit Auseinandersetzungen zwischen Viehhirten, muslimischen Fulani, und den Birom, zumeist christlichen Farmern.
Gerade diese ärgern sich oft über Kühe, die über bestellte Felder trampeln und so manchmal eine ganze Ernte vernichten. Die Viehzüchter beklagen wiederum, dass Weideland immer knapper wird. Alte Wege für das Vieh, die so genannten Korridore, würden von den Farmern in Beschlag genommen. Auch wird es immer schwerer, Wasserstellen zu finden.
Häufig wird der Konflikt so dargestellt, als ob es sich um einen Kampf zwischen Christen und Muslimen handelte. Tatsächlich sind die Hirten Muslime, während sich die sesshaften Dorfbewohner nicht nur in Plateau in aller Regel zum Christentum bekennen. Doch eine religiöse Erklärung greift deutlich zu kurz.
Gerade radikalchristliche Organisationen nennen die Viehhirten gern in einem Atemzug mit Boko Haram, unterstellen ihnen gute Kontakte zu der Terrorgruppe und bezeichnen sie als Terroristen, die so viele Christen wie nur möglich töten wollten. Beobachter in Nigeria lehnen eine solche Interpretation aber vehement ab. „Man stellt sich vor, dass jeder Viehhirte ein Muslim ist und jeder Bauer ein Christ. Da sich viele Konflikte in vorwiegend christlichen Gegenden abspielen, geht man automatisch von einem Religionskampf aus“, sagt etwa Sambo Dasuki, nationaler Sicherheitsberater des abgewählten Präsidenten Jonathan.
Doch vielmehr als das ist es der Kampf um Land. Überall in Nigeria wird es immer knapper – was den Zugang zu Ressourcen massiv einschränkt. Grund dafür ist das massive Bevölkerungswachstum. Verschiedenen Statistiken zufolge leben mittlerweile zwischen 173,6 und 183,5 Millionen Menschen im Land. Weltweit gesehen liegt der Riese Afrikas – wie Nigeria gern bezeichnet wird – auf Platz sieben der Rangliste der Bevölkerungsanzahl; und es hat gute Chancen, sich künftig noch weiter nach oben zu arbeiten: Das jährliche Wachstum liegt bei etwa 2,8 Prozent.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich. So ist es im muslimisch geprägten Norden bis heute üblich, mehrere Frauen zu heiraten, die oft noch sehr jung sind. Vor allem in ländlichen Regionen gelten Kinder zudem als Arbeitskräfte und als Altersversorgung. Dabei gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, das Bevölkerungswachstum stärker einzuschränken, was aber nie auch nur ansatzweise ernsthaft diskutiert oder gar umgesetzt wurde. Und so wird Land in Nigeria immer kostbarer.
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