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Muslimische Gemeinden brauchen eine Strategie für explodierende Energiekosten

Heizungsgesetz
Foto: Pxhere

(iz). Bereits jetzt erleben wir eine neue Krise, welche die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie in den Schatten zu stellen droht. Auf Deutschlands Haushalte, Firmen und die Kommunen kommen seit Monaten erhöhte Ausgaben für Treibstoffe und Energieträger zu. Ergänzend dazu gibt es befristete Abgaben wie eine „Gasumlage“.

Für Moscheen mit wesentlich mehr Fläche im Vergleich zu Privathaushalten und die beheizt werden müssten, können sich Gasumlage, Inflation und Preissteigerungen für Energie (auch für Warmwasser und Licht) zu einem erheblichen Problem ausweiten.

Tanju Doğanay ist Wirtschaftsingenieur. Er ist derzeitiger Vorstandsvorsitzender der Initiative NourEnergy e.V., die sich für nachhaltigere Lebensweise von Muslimen sowie die Anwendung von erneuerbaren Energien in Moscheen und anderen Einrichtungen einsetzt. Er sieht erhebliche Mehrkosten auf Moscheegemeinschaften zukommen und rät ihnen zu mittelfristigen Umbauten sowie zu kurzfristigen Maßnahmen der Energieeinsparung.

Islamische Zeitung: Deutschlands Verbraucher stehen wahrscheinlich vor einem harten, kalten Winter, wenn die aktuelle Preisentwicklung sowie die Gasumlage ihre volle Wirkung entfalten. Gibt es bei NourEnergy Einschätzungen bzw. Kalkulationen, was für zusätzliche Kosten auf Moscheegemeinschaften und muslimische Einrichtungen zukommen?

Tanju Doğanay: Die Einrichtungen, die ihre Gebäuden mit Gas heizen, werden mit bis zu 600 % (!) Preissteigerungen rechnen müssen. Dies betrifft allerdings zunächst nicht die Einrichtungen, die sich noch innerhalb einer vertraglichen Preisgarantie von ihrem Energieanbieter befinden.

Diejenigen, die beispielsweise mit Öl heizen, sind aktuell zwar nicht im selben hohen Maße von den Preissteigerungen betroffen. Doch meines Erachtens wird dies mittelfristig aufgrund von internationaler und nationaler Klimapolitik sowie geostrategischen Herausforderungen zu ähnlichen Preiserhöhungen für Endverbraucher führen. 

Spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass Einrichtungen – wenn sie es nicht bereits vorher getan haben – über eine langfristige Strategie für ihre Gebäude zu überlegen, die Faktoren wie Immobilienwert, wirtschaftlichen sowie autarken Betrieb und Umweltschutz in Einklang bringen.

Islamische Zeitung: Muslimische Gemeinschaften mit eigenen Immobilien haben mehr Spielraum für zukünftige Umbauten und Einsparmaßnahmen. Wie sehen Sie deren Lage und was können diese tun?

Tanju Doğanay: Es gibt viele Gewerke an Immobilien, die in Deutschland aus Effizienzgründen verbessert werden können. Hierzu zählen bspw. Dachdämmungen, isolierte Fenster, sparsame Verbraucher wie LED-Leuchtmittel, intelligente Steuerungen von Licht und Heizung, effizientes Heizen beispielsweise durch Erdwärme, Luft-Wärmepumpe und PV-Solaranlagen zur Erzeugung elektrischen Stroms.

Der Themenkomplex ist stets objektspezifisch zu betrachten. Ich rate dazu, mit einem fachkundigen und erfahrenen Energieberater dieses Thema anzugehen. Erfreulich für den Bauherren ist, dass Energieberaterkosten prinzipiell bis zu 80 % gefördert werden.

Islamische Zeitung: Jenseits von Umbauten oder Aufrüstungen – was können Moscheen und andere Einrichtungen jetzt konkret tun, um ihren Energieverbrauch sowie rapide Preissteigerungen zu vermeiden?“

Tanju Doğanay: In Heizmonaten können beispielsweise die Raumtemperaturen um ein paar Grad reduziert werden (auf ca. 19 Grad), wodurch bis zu ca. 20% Energie eingespart werden können. Wir müssen die Räume nicht so aufheizen, dass wir uns mit einem T-Shirt in unseren Gebäuden aufhalten können.

Die warme Kleidung an der Garderobe oder im Kleiderschrank erfüllt dann nicht ihre Funktion, wofür sie produziert wurde. Auch sollten die Türen geschlossen gehalten werden, damit kein Durchzug entsteht und die Wärme im Raum gespeichert werden kann. Gleichzeitig wird durch Stoßlüften kontrolliert be- und entlüftet.

Einrichtungen sollten zudem ihre Verträge auf Vertragslaufzeit und Preisgarantie überprüfen. Etwa drei Monate vor Vertragende sollten die Vertragskonditionen verglichen werden, z.B. über Vergleichsportale wie Check24 und Verivox. Zu empfehlen sind hierbei Energieverträge mit Zertifikaten von ok power, TÜV Süd oder TÜV Nord, womit ein wichtiger Beitrag für echten Klimaschutz geleistet wird – eine ernst zu nehmende Verantwortung als Muslime im 21. Jahrhundert.

Für Mieter, die selbst keine eigenständige Wahl des Energieversorgers haben, gilt es, sich mit dem Vermieter schnellstmöglich abzustimmen und eine wirtschaftliche Lösung zu finden.