Berlin (ots). In Myanmar droht rund drei Monate nach dem Militärputsch ein Bürgerkrieg. Nur internationale Maßnahmen könnten dies noch verhindern, mahnte Aktivistn Nyein Chan May im Gespräch mit dem in Berlin erscheinenden TAGESSPIEGEL (Freitag-Ausgabe). Viele Demonstranten sähen nach der langen Zeit des friedlichen Widerstands gegen die brutale Junta keinen anderen Ausweg mehr, als selbst zu den Waffen zu greifen. „Viele Myanmarer sind bereit, der Tyrannei des Militärs endgültig ein Ende zu setzen. Koste es was es wolle“, sagt die Politik-Studentin aus Yangon, die von Würzburg in ständigem Kontakt mit den Demonstranten ist.
Nyein Chan May ist überzeugt: „Sie wissen genau, dass sie ihr Leben riskieren“, weil sie „sich gegen die mächtigste Institution des Landes stellen, die noch dazu von China und Russland unterstützt wird“. Drei Bürgerkriegsarmeen des Landes hätten bereits erklärt, dass sie mit der von den gewählten Abgeordneten gebildeten Regierung der Nationalen Einheit gegen das Militär kämpfen wollten. Die neue Regierung hat den seit Jahrzehnten um Autonomie kämpfenden Ethnien gerechte Teilhabe in einem künftigen föderalen Staat zugesichert.
Nyein Chan May appelliert deshalb vor dem Krisentreffen der Asean-Staaten am Samstag in Jakarta eindringlich an die internationale Gemeinschaft, wirksame Maßnahmen gegen die Putschisten unter General Min Aung Hlaing zu ergreifen, um den Bürgerkrieg zu verhindern. Vor dem Gipfel will die UN-Sonderbeauftragte Christine Schraner Burgener offenbar Gespräche in Jakarta führen.
Die internationale Gemeinschaft muss nach Ansicht der auf eine friedliche Lösung hoffenden Aktivistin Nyein Chan May die Regierung der Nationalen Einheit anerkennen und die Generäle von ihren Einnahmen abschneiden. Die EU-Sanktionen aus dieser Woche seien dazu ein guter Schritt. Auch Russland und China sollten nicht versuchen, Myanmars Militär durch Kredite für deren Konzerne zu unterstützen: Die Vertretung der gewählten Abgeordneten, die „das weggeputschte Parlament vertritt, hat schon erklärt, dass eine zivile Regierung solche Kredite nicht zurückzahlen werde“.
Nyein Chan May rief Deutschland in dem Gespräch mit dem Tagesspiegel ausdrücklich dazu auf, den noch immer in Berlin akkreditierten Militärattaché der Junta samt seiner Entourage auszuweisen. „Die Bundesregierung muss Farbe bekennen: Demokratie oder Diktatur?“ Er sei der verlängerte Arm der Militärjunta.
Sie sieht auch die festgesetzte Wahlsiegerin, De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, kritisch. Natürlich müssten zuallererst die Wahlen vom November 2020 anerkannt werden. Aber die Partei NLD habe sehr viele konservative Mitglieder, zum Teil mit rassistischen Ansichten. „Sie müssen sich überlegen, ob sie wirklich nur Politik für die Bamar machen, oder eine Volkspartei werden wollen“, sagt Nyein Chan May. Sie macht sich keine Illusionen, dass das sehr schnell gehen wird.
Die Aktivistin Nyein Chan May hat bereits 2012 an der Universität von Yangon, der größten Stadt Myanmars, eine Studentenunion mitgegründet. Ihr Onkel war 20 Jahre als politischer Gefangener in Haft. Nyein Chan May arbeitet derzeit digital für das Goethe-Institut in Myanmar als Deutschlehrerin und studiert seit Sommer 2020 in Würzburg Politik. Direkt nach dem Putsch am 1. Februar hat sie mit Freunden die Initiative „German Solidarity with Myanmar Democracy“ gegründet, bei der auch andere Interessierte mitmachen können (www.solidarity-mynamar.de). Sie stimmen sich eng mit den Demonstrierenden in ihrer Heimat ab und unterstützen den zivilen Ungehorsam.