Nach Luftangriffen auf Abu Dhabi zeigen sich religiöse Führer solidarisch

Die humanitäre Lage im Jemen ist fortdauernd katastrophal. Inzwischen greift der Konflikt auch durch Luftangriffe auf die Vereinigten Arabischen Emirate über. Doch die internationale Gemeinschaft schaut nur wenig hin. Von Gerhard Arnold

Abu Dhabi (KNA). Schon drei Mal seit dem 17. Januar wurde Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), von Huthi-Rebellen im Jemen mit Raketen beschossen. Beim ersten Angriff unter anderem auf das Treibstofflager der staatlichen Erdölgesellschaft Adnoc in Musaffah, einem südwestlichen Vorort von Abu Dhabi, wurden drei ausländische Gastarbeiter getötet und sechs weitere verletzt.

Die Emirate befinden sich zusammen mit Saudi-Arabien seit 2015 in faktischem Kriegszustand mit den schiitischen Huthi-Rebellen, die seit 2014 im bevölkerungsreichen Westen des Jemen in weiten Teilen die Macht übernommen haben. Die staatlich gelenkten Medien verbreiteten nach den ersten Angriffen Berichte, in denen ausländische Gastarbeiter Zuversicht ausdrückten, die Regierung werde mit der neuen Herausforderung gut zurechtkommen; sie fühlten sich weiter sicher.

Auch der katholische Bischof Paul Hinder in Abu Dhabi sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), unter den vielen christlichen Gastarbeitern gebe es nach seiner Kenntnis keine große Beunruhigung. Hinder leitet das Apostolische Vikariat für Südarabien, zu dem neben den VAE auch der Oman und Jemen gehören. Als Oberhirte hat er in diesem Gebiet die geistliche Verantwortung für eine knappe Million ausländischer Gastarbeiter vor allem aus asiatischen Ländern, insbesondere aus Indien und den Philippinen.

Die Regierung der Emirate erfuhr schon nach den ersten Luftangriffen breite Solidaritätsbekundungen aus der Arabischen Welt und den USA. Auch religiöse Führer und Institutionen schlossen sich an. Der koptische Papst Tawadros II. in Ägypten bekundete laut Medienberichten Solidarität seiner Kirche mit der Bevölkerung der VAE und „tiefe Trauer und Schmerz“ über die Opfer. Er wünschte den Verletzten rasche Genesung und betete für die Bevölkerung um Schutz, Sicherheit und Frieden.

Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin telefonierte Ende Januar mit dem Außenminister der Emirate, Sheikh Abdullah bin Zayed Al Nahyan, und sprach in gleicher Weise Solidarität und Beileid aus. Der Vatikan und die Regierung der VAE unterhalten seit Jahren sehr gute diplomatische Beziehungen, vor allem seit dem Besuch von Papst Franziskus in Abu Dhabi im Februar 2019.

Der Außenminister der Emirate erhielt auch einen Anruf von Großimam Ahmed al-Tayyeb von der Al-Azhar-Universität in Kairo, der führenden Institution des sunnitischen Islam. Er betonte, die VAE seien „immer eine Oase von Toleranz, Sicherheit und Schutz sowie ein Leuchtturm für die Verbreitung der Werte menschlicher Brüderlichkeit in der Welt“.

Im Jemen gab es bis 2015 in vier Städten katholische Gemeinden. Die Zahl der Katholiken, die trotz des Krieges im Land bleiben konnten, dürfte schätzungsweise die 1.000 kaum überschreiten. Sie werden von einem einzigen Priester unter schwierigen Rahmenbedingungen seelsorglich betreut, in der Hauptstadt Sanaa und der umkämpften Hafenstadt Hodeidah zudem von acht Ordensfrauen. Hodeidah, Sitz einer kleinen katholischen Gemeinde, wurde von emiratischen und saudischen Kampfflugzeugen als Reaktion auf die Luftangriffe der Huthis auf Abu Dhabi bombardiert.

Foto: WAM

Seit Jahren verfolgt Bischof Hinder in seiner kirchlichen Zuständigkeit für die Emirate und den Jemen den schweren militärischen und politischen Konflikt im Krisengebiet mit Aufmerksamkeit und Sorge. Immer wieder schilderte er in Interviews die andauernde humanitäre Katastrophenlage, politische Hintergründe und die Situation der dortigen katholischen Christen, zuletzt Mitte Januar im Gespräch mit der spanischen Kirchenzeitung „Alpha & Omega“.

Darin beklagte er, die Welt interessiere sich derzeit mehr für die Pandemie als für die Katastrophe im Jemen. Hinder weiter: „Es gibt immer weniger sichere Gebiete und immer mehr Binnenvertriebene, die aus ihren Häusern fliehen, selbst in Gebieten, die bisher relativ friedlich waren. Alle Beteiligten beschuldigen sich gegenseitig; es besteht kein wirklicher Wille zu einem ehrlichen Waffenstillstand.“