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Wie das Islamkolleg Deutschland religiöses Personal ausbildet

Foto: Islamkolleg Deutschland, Facebook

Vor gut einem halben Jahr ist in Osnabrück das neue Islamkolleg Deutschland eröffnet worden. Wie läuft die erste verbandsübergreifende Ausbildung von Imamen und Seelsorgern für die hiesigen Moscheegemeinden? Von Michael Althaus

Osnabrück (KNA). „Bruder Murhaf, könntest du das bitte mal zitieren?“, fordert Dozent Khaled Radhouani seinen Schüler auf. Der stimmt gleich darauf eine Art Sprechgesang an und trägt auf Arabisch eine Koran-Sure vor. Am Ende gibt Radhouani sein Feedback: „Bitte pass ein bisschen mehr auf die Differenzierung von hellen und dunklen Buchstaben auf“, mahnt er – jetzt wieder auf Deutsch.

Im Juni vergangenen Jahres ist das Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück offiziell eröffnet worden. Damit gibt es erstmals in der Bundesrepublik ein verbandsübergreifendes Angebot zur Aus- und Fortbildung von Imamen und anderem islamischen Personal wie Gemeindepädagogen und Seelsorgern. Der Lehrplan soll zu hiesigen Werten und Einstellungen passen.

Träger sind der Zentralrat der Muslime in Deutschland sowie vier weitere, kleinere inländische Islamverbände: das Bündnis Malikitische Gemeinde, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken, der Zentralrat der Marokkaner und der Landesverband der Muslime in Niedersachsen. Das Projekt ist zugleich das erste seiner Art, das staatlich gefördert wird: Das Bundesinnenministerium und das Land Niedersachsen stellen dem IKD eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5,5 Millionen Euro zur Verfügung.

Die angehenden Imame müssen bereits ein Studium der islamischen Theologie abgeschlossen haben. Die zweijährige Ausbildung am IKD, die an Wochenenden stattfindet, bereitet sie auf den praktischen Dienst in den Moscheegemeinden vor und ist damit dem katholischen Priesterseminar oder dem evangelischen Vikariat vergleichbar. Sie umfasst Module wie Predigtlehre, Koranrezitation, Seelsorge, politische Bildung und Soziale Arbeit.

Der erste Ausbildungsjahrgang des Kollegs besteht aus 65 Personen, davon 20 Frauen und 45 Männer. 20 von ihnen nehmen an der Imamausbildung teil, 32 an der islamischen Seelsorgeausbildung, die etwa auf den Dienst in Gefängnissen oder Krankenhäusern vorbereitet. Der Rest absolviert einzelne, ausgewählte Module.

Bei der heutigen Einheit im Bereich Koranrezitation machen acht sogenannte Kollegiaten mit, sieben Männer und eine Frau. Drei sitzen zusammen mit dem Dozenten in den Räumen des Imamkollegs in der Osnabrücker Innenstadt – zwischen meterlangen Regalwänden voller reich verzierter arabischer Bücher. Fünf weitere sind von verschiedenen Orten in Deutschland aus per Videokonferenz zugeschaltet.

Belal Almobayd, einer der Anwesenden, macht sich ununterbrochen Notizen. Der 42-jährige Syrer kam vor sechs Jahren nach Deutschland. In seinem Heimatland hat er islamische Theologie studiert und als Religionslehrer gearbeitet. In Deutschland hat er bislang keine Arbeitsstelle gefunden. Er predigt ehrenamtlich in einer Moschee in Rheine. „Als ich die Anzeige vom Islamkolleg gelesen habe, dachte ich, das ist das Richtige für mich“, beschreibt er seine Motivation. „Ich möchte als Imam oder Prediger arbeiten.“

Das IKD ist nicht die erste islamische Ausbildungsstätte in Deutschland. Größere Verbände wie die türkische Ditib, der Verband der Islamischen Kulturzentren und die Gemeinschaft Milli Görüs betreiben ebenfalls Einrichtungen. „Der wesentliche Unterschied ist, dass die Lehre bei uns ausschließlich auf Deutsch stattfindet“, erklärt IKD-Vorstandsvorsitzender, Esnaf Begic. Nur der Koran werde traditionell auf Arabisch gelesen.

„Die jüngeren Muslime, sprechen viel besser Deutsch als ihre vermeintlichen Muttersprachen wie Türkisch, Bosnisch oder Arabisch“, sagt der Theologe, der selbst vor 30 Jahren aus Bosnien-Herzegowina einwanderte und lange im Ruhrgebiet als Imam tätig war. Außerdem könnten die Moscheegemeinden nicht in sich geschlossen bleiben. „Eine Interaktion mit der deutschen Gesellschaft ist notwendig. Dafür ist die Sprache das Hauptwerkzeug.“ Auch Kollegiat Almobayd predigt in seiner Gemeinde auf Deutsch. „Durch den Unterricht am Imamkolleg kann ich meine Sprachkenntnisse weiter verbessern“, meint er.

Zur Philosophie des IKD gehört zudem, dass Frauen und Männer gleichermaßen ausgebildet werden. Ob die Frauen später als Imaminnen arbeiten können, ist jedoch von den einzelnen Moscheegemeinden abhängig. „Die Meinung, dass auch Frauen Imame werden könnten, steht im Islam noch etwas am Rande“, räumt Begic ein. „Ich rechne nicht damit, dass Frauen in einem größeren Maße als Imaminnen im klassischen Sinne beschäftigt werden.“ Eher würden sie als Gemeindepädagoginnen oder Seelsorgerinnen angestellt.

Überhaupt seien die Berufschancen für Imame – egal ob Frauen oder Männer – in Deutschland nicht vielversprechend, beklagt der Vorsitzende. In der aktuellen Debatte werde häufig gefordert, dass die Geistlichen nicht mehr aus dem Ausland geholt werden sollten. „Dem kann ich zustimmen. Aber dann muss die Politik auch die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Gemeinden die Imame finanzieren können und etwa die islamischen Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkennen“, so Begic.

Insgesamt ist er mit dem Start des Islamkollegs nach den ersten Monaten zufrieden. Das bisherige Feedback von Kollegiaten und Referenten sei durchweg positiv. Für das nächste Ausbildungsjahr gebe es bereits zahlreiche Anmeldungen. Dass der Kreis der Träger um weitere Verbände ergänzt wird, sei im Moment nicht geplant. „Für die Zukunft will ich das jedoch nicht ausschließen“, sagt Begic. Auch eine Zusammenarbeit mit den Ausbildungseinrichtungen der größeren Verbände könne er sich vorstellen. „Aber im Moment gibt es da noch nichts Konkretes.“