Netanjahu verspricht weitere Annektierung

Jerusalem
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Tel Aviv (dpa). Israel sollte nach Ansicht von Regierungschef Benjamin Netanjahu Teile des Westjordanlands annektieren. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler in mehr als 200 Siedlungen. „Ich werde nicht eine einzige Siedlung räumen. Und ich werde natürlich dafür sorgen, dass wir das Gebiet westlich des Jordans kontrollieren“, sagte der Parteichef des rechtskonservativen Likud am Samstagabend. Die Äußerungen kommen vor der Parlamentswahl am Dienstag. Netanjahu hofft, das in Umfragen führende Oppositionsbündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Ganz noch zu überholen.
Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Vor allem der erzkonservative Erziehungsminister Naftali Bennett dringt seit längerem darauf, weite Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete indes für einen eigenen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.
Die israelische Organisation Peace Now teilte am Sonntag mit, ein zuständiger Ausschuss habe den Bau von mindestens 4615 weiteren Wohnungseinheiten im Westjordanland gebilligt. Viele davon befänden sich in isolierten Siedlungen, die Israel im Rahmen einer Friedensregelung mit den Palästinensern vermutlich räumen müsste.
Israel unterscheidet selbst zwischen illegalen Siedlungen und mit israelischer Genehmigung gebauten. Aus Sicht der internationalen Gemeinschaft sind alle Siedlungen rechtswidrig. Sollte Israel sie annektieren, wäre dies ein weiterer Schlag für Bemühungen um eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung.
Der mit Korruptionsvorwürfen konfrontierte Likud-Parteichef sagte, die nächste Legislaturperiode werde schicksalhaft sein. „Werden wir in der Lage sein, unsere Sicherheit zu gewährleisten und die Kontrolle über das essenziell wichtige Gebiet von Judäa und Samaria (Westjordanland)? Wir haben gesehen, was wir nach einem Abzug aus dem Gazastreifen bekommen haben“, sagte Netanjahu. Im Falle eines weiteren Abzugs sei ein „Gazastreifen in Judäa und Samaria“ zu befürchten. Israel hatte den Gazastreifen 2005 geräumt, 2007 übernahm dort die Hamas gewaltsam die Kontrolle, nachdem ihr Wahlsieg 2006 nicht anerkannt worden war.
Netanjahu sagte, er habe erreicht, dass US-Präsident Donald Trump die Golanhöhen als israelisches Gebiet anerkenne. Man wolle nun „zur nächsten Phase“ und die israelische Souveränität auch auf das Westjordanland ausweiten. Dies war bisher vor allem eine Forderung ultrarechter Koalitionspartner Netanjahus. Der seit 2009 amtierende Regierungschef hatte sich in der Vergangenheit für die Einrichtung eines entmilitarisierten Palästinenserstaates ausgesprochen.
Saeb Erekat, Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, nannte Netanjahus Äußerungen kaum überraschend. „Israel wird das Völkerrecht weiterhin und so lange schamlos brechen, wie die internationale Gemeinschaft Israel mit Straflosigkeit belohnt“, schrieb er auf Twitter.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu twitterte: „Das Westjordanland ist palästinensisches Gebiet, das von Israel in Verletzung internationalen Rechts besetzt gehalten wird. Die verantwortungslose Äußerung von Regierungschef Netanjahu, mit der er kurz vor der allgemeinen Wahl in Israel Stimmen fangen will, kann und wird diese Tatsache nicht ändern.“
Netanjahu strebt nach einem emotional geführten Wahlkampf eine fünfte Amtszeit als Ministerpräsident an. In den jüngsten Umfragen lag das Oppositionsbündnis Blau-Weiß von Ganz knapp vor Netanjahus rechtskonservativem Likud. Es ist jedoch fraglich, ob sich Ganz – bis 2015 Chef der israelischen Streitkräfte – mit einem Links-Mitte-Block die Regierungsmehrheit im Parlament sichern kann.
Ganz kritisierte Netanjahus Äußerungen als Wahlkampfstrategie. „Es ist nicht echt“, sagte er dem „Er hatte 13 Jahre Zeit, es zu tun, und er hat es nicht getan.“ Es sei „dass er ausgerechnet jetzt entschieden hat, es zu tun“.
Netanjahus Partei würde sich im Falle eines Wahlsiegs um eine Koalition mit anderen rechten Parteien bemühen, zu deren Wählerklientel auch israelische Siedler gehören. Ganz hat sich im Wahlkampf für den Erhalt der großen Siedlungsblöcke im Westjordanland ausgesprochen, aber auch von der israelischen Besatzung distanziert.
Der Oman rief die anderen arabischen Staaten dazu auf, Israel die Existenzängste zu nehmen. Israel erhalte politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, fühle sich in der Region aber nicht sicher, sagte Außenminister Jusuf bin Alawi bin Abdullah am Samstag beim Weltwirtschaftsforum für den Nahen Osten und Nordafrika am Toten Meer in Jordanien. „Ich denke, dass wir Araber in der Lage sein müssen, uns mit dieser Frage zu befassen und uns darum zu bemühen, diese Ängste zu zerstreuen.“
Die meisten arabischen Staaten sind mit Israel verfeindet und erkennen den israelischen Staat nicht an. Zuletzt hatte es hinter den Kulissen aber eine Annäherung zwischen Israel und einigen Golfstaaten wie Saudi-Arabien gegeben.