Nach fast drei Jahren Kampf um die Rettung des Atomabkommens mit dem Iran keimt Hoffnung auf. Sind Washington und Teheran bereit, wieder aufeinander zuzugehen? Die Vorzeichen standen selten so gut.
Wien (dpa). Mit neuer Dynamik startet am Dienstag der Versuch, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten. In Wien treffen sich unter Führung der EU Spitzendiplomaten der fünf verbliebenen Partner der Vereinbarung mit der Islamischen Republik. Zwar sitzen die 2018 unter Donald Trump aus der Vereinbarung ausgestiegenen USA nicht direkt mit am Tisch, allerdings werden sie nach bisherigen Plänen unmittelbar über den Verlauf der Gespräche informiert. Es geht zunächst darum, für die nächsten Wochen einen Fahrplan für Arbeitsgespräche von Experten zu technischen Details festzulegen.
Ziel aller diplomatischen Bemühungen ist die Rückkehr der USA zu der Vereinbarung, die Aufhebung der US-Sanktionen gegen den Iran und eine überprüfbare Einhaltung aller nukleartechnischen Auflagen durch den Iran. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Verletzungen der Vereinbarung das gegenseitige Misstrauen deutlich wachsen lassen.
Das Abkommen von 2015 gilt als ein wichtiger Baustein zur Rüstungskontrolle. Es soll die Islamische Republik am Bau einer Nuklearwaffe hindern. Die in Aussicht gestellte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Iran kam aufgrund des Kurswechsels unter Trump aber nie zustande. Stattdessen setzten die USA wieder Sanktionen ein, weil sie dem Iran zutiefst misstrauten. Teheran verstieß daraufhin gegen immer mehr Auflagen und hat seine Uranvorräte, die zum Bau einer Bombe nötig sind, erheblich aufgestockt.
Die neue Runde ist der erste ernsthafte Dialog seit der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump das Abkommen wiederbeleben will. Teheran hat bereits positive Signale gesendet. „Wir sind dabei, aus der Sackgasse rauszukommen“, hatte Irans Atomchef Ali Akbar Salehi lobend über die neuen Gespräche gesagt. Auch Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow zeigte sich vor den Beratungen optimistisch. „Kann das über Nacht gelingen? Wahrscheinlich ist es möglich, wenn es den politischen Willen dazu gibt“, sagte er am Montag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Alle Parteien müssten aber aufeinander zugehen. „Das ist durchaus machbar.“
Die fünf verbliebenen Partner des Deals – Russland, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien – haben in den vergangenen Jahren in seltener Eintracht versucht, das Abkommen am Leben zu halten. Der neue Anlauf steht unter Zeitdruck. Im Iran wird im Juni ein neuer Präsident gewählt. Amtsinhaber Hassan Ruhani darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Sowohl der Wahlkampf als auch der neue Präsident oder eine Auswechslung des Verhandlungsteams nach der Wahl könnten Gespräche zur Lösung des Atomkonfliktes viel schwieriger gestalten.
Nach Angaben der US-Regierung wird es zunächst nicht zu direkten Kontakten zwischen Teheran und Washington kommen. Die indirekten Gespräche seien aber ein „Schritt in Richtung Diplomatie“, was das erste Ziel der US-Regierung sei, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Montag. Die USA blieben nach wie vor offen für mögliche direkte Gespräche mit Teheran. Eine Vorhersage, wie lange der Prozess dauern könnte, wollte Psaki nicht wagen.
Irans Vizeaußenminister Abbas Araghchi sagte am 4. April: „Wir werden in Wien weder direkt noch indirekt mit den USA sprechen.“ Den aus iranischer Sicht geplanten Ablauf des Treffens in Wien beschrieb Araghchi wie folgt: „Wir werden nur mit der 4+1 (die verbliebenen Vertragspartner) rein technische Gespräche über eine Rückkehr der USA zum Deal führen.“ Die Vertreter der fünf Staaten sollen dann die Ergebnisse an die USA weiterleiten. Ein EU-Vertreter rechnet mit einer Dauer der Bemühungen von mehr als zwei Wochen, aber weniger als zwei Monaten.
Wesentlicher Kritikpunkt der alten US-Regierung an dem Abkommen war dessen zeitliche Beschränkung. Zum Misstrauen trugen auch das ballistische Raketenprogramm des Iran und dessen Rüstungsexporte an schiitische Gruppen in der Region sowie an die syrische Führung bei. Das „Wall Street Journal“ berichtete, dass die Biden-Regierung zu diesen Punkten ein Folgeabkommen mit der Führung in Teheran aushandeln wolle.