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Pakistan zahlt die Zeche

Ausgabe 328

Foto: Abdul Majeed Goraya / IRIN | www.irinnews.org

Saisonale Regenfälle sind in den Ländern Normalität, die vom Monsun erreicht werden. Was Pakistan vor einigen Wochen an Niederschlägen nach einer Phase enormer Hitze erlebte, stellt nach Ansicht von Experten eine Folge des Klimawandels dar.

(IZ/IPS/KNA/IRD). Pakistan hat die schlimmste Zeit seiner jüngeren Geschichte hinter sich. Grund dafür sind beispiellose kolossale Monsunregenfälle und verheerende Überflutungen. Die jüngsten Überschwemmungen hätte man weniger als einmal pro Jahrhundert erwartet, aber Klimaexperten gehen davon aus, dass die jüngsten Wetterereignisse nur ein „Vorgeschmack“ auf das seien, was uns drohe, wenn dem Klimawandel keine Beachtung geschenkt werde.

Seit Ende August sind in Pakistan Millionen Menschen direkt und indirekt von den Rekordniederschlägen der Monsunsaison betroffen. Nach Darstellung von Experten und Beobachtern handelte es sich bei den Fluten um die „schwerste Hochwasserkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte“. Drastisch beschrieb es die englischsprachige Tageszeitung „The Dawn“ am 29. August: „Machen wir uns nichts vor, wir erleben aktuell die größte Naturkatastrophe, die es je bei uns gab.“

Kurz nach Bekanntwerden der Überschwemmungen gingen internationale Hilfsorganisationen von deutlich mehr als 1.000 Toten sowie unzähligen Verletzten aus. Insgesamt sollten 33 Millionen direkt betroffen sein. Dabei wurde eine bisher unbekannte Zahl an Gebäuden und öffentlichen Einrichtungen zerstört oder beschädigt. Hinzukommen erhebliche Schäden an der lokalen Infrastruktur wie Straßen, Brücken oder die Stromversorgung.

Unklar ist des Weiteren, wie die mittelfristigen Folgen für die Ernährungssicherheit des Landes aussehen wird. Angesichts der Verzerrungen auf den globalen Getreidemärkten wegen des Ukrainekrieges sind zusätzliche Belastungen zu erwarten. Mehr als 3,6 Millionen Hektar Ernten und Obstplantagen wurden durch die Überschwemmungen zerstört und mehr als 800.000 Tiere getötet. Isabel Bogorinsky von der Welthungerhilfe erwartet eine Verschlechterung der Lebensmittelversorgung.

Insbesondere in den Landesteilen abwärts der Fließgewässer seien die Ernten von Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Reis nahezu vernichtet worden. In Pakistan wurden bei der Rekordniederschlägen 375,4 Milliliter Niederschläge gemessen. Das war nach Medienberichten fast dreimal mehr als der nationale 30-Jahres-Durchschnitt von 130,8. Am heftigsten betroffen von den Regenfällen, die die Flüsse anschwellen ließen, waren Sindh und Belutschistan und Teile des Punjab.

Helfer riefen zu massiver Nothilfe sowie Wiederaufprogrammen auf. Ein besonderer Fokus für die Hilfsorganisation CARE International ist dabei die Lage von Frauen und Mädchen. Sie warnte vor schwerwiegenden Gefahren für sie. „Wir wissen aus Erfahrung, dass Gewalt gegen Frauen nach Katastrophen zunimmt. Die Flut riss Familien auseinander, viele Menschen müssen draußen schlafen und die üblichen sozialen Strukturen und Schutzmechanismen fallen weg. Für Frauen und Mädchen kann das sehr gefährlich sein“, erklärte Adil Sheraz, Länderdirektor von CARE Pakistan. Man benötige „40 bis 50 Millionen Euro“, um in den kommenden drei Jahren ausreichend Hilfe leisten zu können.

Auch die Helfer von Islamic Relief Deutschland riefen zur sofortigen Unterstützung für die Menschen auf. Es werde dringend mehr weltweiter Beistand benötigt. „Die Menschen hier sind die Hauptleidtragenden des globalen Klimawandels. Pakistan produziert weniger als ein Prozent des weltweiten Kohlenstoff-Fußabdrucks, aber seine Menschen leiden unter den größten Folgen. Dies sind die schlimmsten Überschwemmungen, die Pakistan je erlebt hat“, berichtete ihr internationaler Geschäftsführer Waseem Ahmad auf einer Reise in der Provinz Pakhtunkhwa. „Ich habe gesehen, wie ganze Dörfer weggeschwemmt und überflutet wurden. Ich sah kilometerweit nichts als Wasser, wo noch vor wenigen Tagen ganze Gemeinden und Häuser standen.“

Die Organisation initiierte einen weltweiten Spendenaufruf für die Nothilfe und will mit 34,6 Millionen US-Dollar rund eine halbe Millionen von den Überschwemmungen betroffene Menschen unterstützen. Neben Nothilfe setzt die Organisation auf einen „nachhaltigen Wiederaufbau der Infrastruktur und Lebensgrundlagen“. Ihr neuer und erweiterter Einsatzplan für das nächste Jahr besage, dass die Menschen vor weiterem Schaden bewahrt werden und durch die Wiedererrichtung notwendiger Strukturen und Grundlagen des Lebensunterhalts in Würde leben können.

Wie lange Pakistan angesichts zukünftiger Wetterereignisse dieser Art auf ausländische Hilfen angewiesen sein wird, ist noch unklar. Helfer und Klimaforscher gehen von einem langfristigen Bedarf aus. Der Potsdamer Klimaforscher Jacob Schewe sieht direkte Zusammenhänge zwischen solchen extremen Wetterereignissen und dem Klimawandel. Ohne auswärtige Unterstützung könne es sich nicht den geänderten Bedingungen anpassen. Isabel Bogorinsky betonte ebenfalls die Notwendigkeit zum internationalen Handeln. Am stärksten seien diejenigen von Klimaveränderungen betroffen, die am wenigsten dazu beitrügen.

Pakistan und seine Bevölkerung zahlen die Zeche für etwas, das sie nicht zu verantworten haben. In den letzten 20 Jahren rangierte das Land auf dem Klimarisiko-Index stets unter den zehn gefährdetsten Staaten. Es ist einer derartigen Aggression und Verwüstung durch den Klimawandel ausgesetzt, obwohl es nur 0,8 Prozent der Treibhausgasemissionen zur globalen Erwärmung beiträgt. Seine Menschen sitzen in der Klemme, da sie geografisch zwischen den Titanen China und Indien liegen, die die beiden größten Treibhausgasemittenten sind. Dies wirkt sich auf die Himalaya-Gletscher aus. Da das ganze Land im Unterlauf des Gebirges liegt, sind schwere Überschwemmungen zur Regel geworden.

Ein Kommentar zu “Pakistan zahlt die Zeche

  1. Vielen Dank liebe IZ, dass ihr regelmäßig über die schlimme Lage in Pakistan berichtet. Leider, leider geht diese unvorstellbare Katastrophe an vielen Menschen hier in Deutschland vorbei….

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