In Zeiten der Pandemie und der Reisebeschränkungen nimmt man gerne ein Buch zur Hand. Ein ganzes Genre der Reiseliteratur widmet sich dabei der sogenannten „Zimmerreise“, eine Art der Entfernung, die abrückt von dem Raum der Gewohnheit und diesen neu beschreibt.
(iz). Xavier de Maistre nutzte 1794 einen 42-tägigen Hausarrest, um in seinem Zimmer zu reisen. Die Beschreibung seines inneren Abenteuers wurde weltberühmt. Ob es sich wirklich lohnt, in die Ferne zu reisen, gehört zu den alten Streitfragen der Reiseliteratur.
Das neue Reisebuch des Journalisten Juan Moreno stellt seinen Weg zur Erkenntnis vor. Unter dem Titel „Glück ist kein Ort“ erzählt er von seinen Erlebnissen rund um den Globus. In seinen unterhaltsamen Reportagen geht es nicht um klassische Reiseberichte und die Darstellung touristischer Sehenswürdigkeiten.
Die Erfahrung des Reisens ist für ihn durchaus ambivalent. „Für jeden schönen Moment, den man erlebt, wird man mit mindestens einem bezahlen, der blanker Irrsinn ist. Man erarbeitet sich schöne Momente. Und oft sind sie erst schön, wenn man sie hinter sich hat“, schreibt er. Für Moreno gefährdet die Hektik des modernen Reisebetriebs den eigentlichen Sinn des Reisens. Um diesen zu erfahren, muss man ausreichend Zeit haben und wahre Interessen verfolgen.
Die Reiserouten ergeben sich für ihn aus der Motivation zu erfahren wie ein anderes Leben ist. „Hinfahren, fragen, zuhören, lernen“, darum geht es in seinen Erkundungsgängen. Die Reiseziele sind entsprechend ungewöhnlich: Der Autor folgt den Spuren Hemingways auf Kuba, besucht die gefährlichsten Orte der Welt, reist mit der transsibirischen Eisenbahn, besucht Nomaden auf der See in Indonesien oder erforscht den Großstadtdschungel am Kottbusser Tor in Berlin.
Bei jedem dieser Abenteuer geht es vor allem um die Beschreibung unterschiedlichster Charaktere, die mit einer selbstironisch-distanzierten Selbstbetrachtung einhergeht. Auf diese Weise wird man als Leser auch auf absurde Reisen mitgenommen, wie zum Beispiel eine rasante Fahrt mit einem Kleinbus von Rumänien bis Portugal.
Im Schlusskapitel des Buches schließt sich der Kreis dieser fulminanten Weltreise in einer Art Heimkehr. In der letzten Reportage wird Moreno sesshaft, kauft sich ein Landhaus und arbeitet dort auf seiner Baustelle. Die Nachbarschaft besteht aus typisch deutschen Vorzeigegärten. „Glück ist kein Ort“, denkt Moreno, während er seinen Kindern zuschaut.
Juan Moreno, Glück ist kein Ort, Geschichten von Unterwegs, Rowohlt Berlin 2021, gebunden, 304 Seiten, ISBN 3737101310, Preis: EUR 22