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Reiseblog Westbalkan: Abschied von Sarajevo

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Fotos: Autor

IZ-Herausgeber Abu Bakr Rieger auf den Spuren von Evliya Çelebi: Abschiedsbetrachtungen aus Sarajevo und einen bedrohten Frieden.

(iz). Abends, wenn wir aus der Altstadt hoch hinauf in die Berge in unser Camp fahren, benutzen wir ein Taxi. Die Gilde hat sich gut abgesprochen, es gilt ein Einheitspreis, der nicht zu verhandeln ist. Auf der Strecke entwickeln sich interessante Gespräche über Land und Leute. 

Beeindruckend ist die Fahrt mit einer freundlichen Taxifahrerin, die sehr gut Deutsch spricht. Als junge Frau während des Krieges lebte sie zwei Jahre in Deutschland und kehrte später zurück. Es war eine harte Zeit, seufzt sie. „Ich hatte schreckliches Heimweh und Angst um meine Eltern, die weiter in Sarajevo lebten.“

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Ich frage sie, ob sie es für möglich hält, dass sich die schrecklichen Ereignisse eines Tages wiederholen könnten. „Ja, ich glaube das. Wir alle glauben das“, antwortet sie mit einem gequälten Lächeln, das ein Achselzucken begleitet. In ihrem Ausdruck spiegeln sich Sorge und Schicksalsergebenheit. Wir sprechen über die ökonomische Lage. Sie beklagt sich, dass ihre gut ausgebildeten Kinder kaum Arbeit finden. Wir verstehen. Welche Mutter hat schon gerne, dass ihre Lieben die Heimat verlassen?

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Und sie deutet etwas an, das wir in Gesprächen mit Slowenen, Kroaten und Bosniaken öfters hören: „In Jugoslawien waren die Verhältnisse bescheiden, aber immerhin gab es keine so extremen sozialen Unterschiede.“

Wir glauben nicht, dass es sich hier um Nostalgie handelt, oder gar um eine Sehnsucht nach der Rückkehr des Kommunismus. Die Botschaft ist einfacher: Es gibt in dieser Region nicht nur ökonomische Gewinner, sondern auch Armut und Zukunftsängste. Diese Phänomene sind immer der Nährboden für politische Unruhestifter.

Wir verabschieden uns herzlich von der Frau und das Gespräch wirkt nach.

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Am nächsten Morgen besuchen wir die Markthalle in Sarajevo. Hier sitzen Frauen vor ihren Ständen mit Obst und Gemüse, wirken gelangweilt. Die Geschäfte scheinen schleppend zu laufen und es ist ruhig an diesem Morgen. In der Ecke des Marktes sehen wir die Spuren des Einschlages einer Granate. Am 5. Februar 1994 starben hier viele Menschen. Wie bei jedem Krieg, kann man sich als Außenstehender nicht vorstellen, was eine Belagerung über so lange Zeit und das Leben in ständiger Todesgefahr bedeutet. Man kann hier eigentlich nur schweigen. 

Es gibt Gründe für Optimismus. Keine Frage, das Land entwickelt sich: In vielen Städten Bosniens sieht man Neubauten, moderne Geschäftshäuser und neue Straßen. Trotz des pulsierenden Lebens entdeckt man noch immer die Narben vergangener Tage an den alten Häusern.

Man lernt hier, dass Frieden etwas Wertvolles ist und dass man diese Zeit nutzen muss, um Brücken zu schlagen zu den gutwilligen Anderen. Ihre Kultur und Religion ebenso achten sollte, wie die eigene. Selbstredend gesellt sich zu dieser Praxis die Verpflichtung, den Nationalismus und jedes andere Extrem abzulehnen.

Die Existenz von Moscheen, Synagogen und Kirchen an diesem Ort erzählen von einer Tradition: die Kunst des Zusammenlebens auf engstem Raum.

Das ist etwas, was man aus Bosnien mit nach Hause nimmt.