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Russlands Nachbarn und die Religion – Eine Übersicht

Foto: kremlin.ru, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY 4.0

Bonn (KNA) Die konfessionellen bzw. religiösen Spannungen in der Region Osteuropa und Vorderasien bilden vielfach auch politische Bindungen und Verflechtungen ab. Religion und Ethnie gehen oft einher und wirken identitätsstiftend. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gibt einen religionssoziologischen und geostrategischen Überblick. Von Alexander Brüggemann

Finnland: Das skandinavische Land ist kein Nato-Mitglied, aber seit 1995 in der EU. Von seinen 5,5 Millionen Einwohnern sind rund zwei Drittel evangelisch-lutherisch, allerdings mit immer geringerer Kirchlichkeit. Finnlands orthodoxe Kirche ist relativ stabil bei 1 Prozent der Bevölkerung. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine gibt es plötzlich hohe Umfragewerte für einen Nato-Beitritt.

Polen: Unser östlicher Nachbar ist seit 1999 Nato- und seit 2004 EU-Mitglied. Das 38-Millionen-Einwohner-Land ist trotz der kommunistischen Vergangenheit noch stark katholisch geprägt und in seinen heutigen Grenzen seit dem Zweiten Weltkrieg ethnisch sehr homogen.

Slowakei: Die Slowakei gehört seit 2004 Nato und EU an. 70 Prozent der 5,5 Millionen Einwohner hängen dem Christentum an; konfessionslos sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung. Den größten Anteil hat die römisch-katholische Kirche (56 Prozent); nahe der ukrainischen Grenze gibt es auch griechisch-katholische Ruthenen (4 Prozent).

Baltikum: Die drei kleinen baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen gehören ebenfalls seit 2004 zur Nato und zur EU. Hier ist die Sorge vor den Aggressoren Russland und Belarus besonders groß, auch mit Blick auf die Weltkriegsvergangenheit und die Zeit der sowjetischen Besetzung. Religionssoziologisch zeigen die drei Länder ein disparates Profil.

In Polens Nachbarland Litauen mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern liegt der Katholikenanteil bei gut 79 Prozent. Unter den 1,9 Millionen Letten bilden Lutheraner mit etwa einem Drittel Bevölkerungsanteil die größte Glaubensgemeinschaft, gefolgt von den Katholiken mit rund 21 Prozent und einer etwas kleineren Gruppe von Orthodoxen. Lettland hat eine große russische Minderheit von etwa 27 Prozent der Bevölkerung. In Estland ist die Mehrheit konfessionslos. Insgesamt bekennen sich dort weniger als 30 Prozent zu einer christlichen Kirche, vor allem zur lutherischen und zur orthodoxen.

Belarus: Das diktatorisch regierte Belarus mit seinen 9,4 Millionen Einwohnern ist eng mit Russland verbunden und Mitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Jeder zwölfte Einwohner von Belarus ist russisch. Rund 60 Prozent der Bevölkerung bezeichnen sich als gläubig; davon wiederum sind 82 Prozent russisch-orthodox.

Ukraine: Bis noch vor wenigen Jahren war die Ukraine strategisch zwischen West- und Russlandbindung zerrissen; bis 2018 war das 44-Millionen-Einwohner-Land GUS-Mitglied. Die aktuelle ukrainische Regierung wünscht sich allerdings eine Nato- und neuerdings auch eine EU-Mitgliedschaft. Auch christlich-konfessionell spiegelt sich die Bipolarität zwischen West und Ost wider: Es gibt zwei orthodoxe Kirchen (nationalkirchlich bzw. russisch-orthodox); die griechisch-katholische, also mit Rom verbundene Ostkirche sowie die römisch-katholische.

Rumänien: Das postkommunistische Rumänien ist seit 2004 Mitglied der Nato und seit 2007 in der EU. Mit rund 85 Prozent Bevölkerungsanteil (19,4 Millionen Einwohner) ist das Land stark rumänisch-orthodox geprägt.

Moldau/Moldawien: Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau mit ihren 2,6 Millionen Einwohnern ist zu über 90 Prozent orthodox, allerdings verteilt auf moldauische, russische, ukrainische und bessarabische Orthodoxie. Amtssprache ist Rumänisch. Obwohl Mitglied der GUS, besteht ein sogenannter eingefrorener Territorialkonflikt mit Russland in Transnistrien, einem schmalen östlichen Streifen Moldaus an der Grenze zur Ukraine, der zu rund 30 Prozent von ethnischen Russen bewohnt ist. Seit 2014/16 gibt es ein Assoziierungsabkommen Moldaus mit der EU. Im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine sprang auch die Republik Moldau auf den Zug auf und beantragte wie diese und Georgien einen EU-Beitritt.

Georgien: Von den 3,7 Millionen Einwohnern sind 84 Prozent georgisch-orthodox. Die ehemalige Sowjetrepublik, bis 2009 GUS-Mitglied, ist seit dem sogenannten Kaukasus-Krieg 2008 um Südossetien Feindstaat Russlands. Eine Nato-Mitgliedschaft wurde 2008 zwar avisiert, liegt aber wegen der Spannungen um Südossetien und Abchasien auf Eis. Im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine beantragte auch Georgien einen EU-Beitritt.

Armenien: Das „älteste Land des Christentums“, christianisiert Anfang des 4. Jahrhunderts, ist armenisch-orthodox geprägt. Mitglied der GUS und nominell mit dem ebenfalls orthodoxen Russland verbündet, wurde es aber im jüngsten Krieg mit dem muslimischen Aserbaidschan 2020 von Moskau erst sehr spät unterstützt.

Aserbaidschan: Ausschließlich muslimisch geprägt (85 Prozent Schiiten, 15 Prozent Sunniten), steht Aserbaidschan in einem Dauerkonflikt mit seinem christlichen Nachbarn und GUS-Partner Armenien. 2020 eroberte das Zehn-Millionen-Einwohner-Land mit überlegenen türkischen Waffen namhafte Teile der umstrittenen Region Bergkarabach, ehe Russlands Präsident Wladimir Putin als Friedensstifter auftrat.

Türkei: Das vorderasiatische Land mit 84 Millionen Einwohnern ist zu 99 Prozent muslimisch (82 Prozent Sunniten, 16 Prozent Aleviten). Seit 1952 ist die Türkei Nato-Mitglied; die jahrelangen Verhandlungen über einen EU-Beitritt landen immer wieder auf Eis, zuletzt seit spätestens 2016. Das Verhältnis der beiden regionalen Großmächte Russland und Türkei ist über die Jahrhunderte und auch gegenwärtig schwierig und schillernd, nicht zuletzt wegen Rivalitäten um die Einflusssphäre Kaukasus.