Sulawesi: ein Jahr nach Tsunami und Erdbeben

Ausgabe 294

Foto: AusAID, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY 2.0

Ein Jahr nach den Katastrophen auf der indonesischen Insel Sulawesi herrscht ­vielerorts noch immer Zerstörung vor. Zehntausende leben weiter in Lagern. Helfer bemühen sich um eine Verbesserung der dortigen Lebensumstände. Von Michael Lenz

(KNA). Ein Jahr nach der Dreifachkatastrophe auf Sulawesi aus Erdbeben, einem Tsunami und dem geologischen Phänomen der Bodenverflüssigung bietet die Situation in der betroffenen Region ein ambivalentes Bild. Einerseits leben laut dem indonesischen Roten Kreuz und Roten Halbmond (IFRC) noch immer etwa 60.000 Menschen in Lagern. Auf dem Land liege die Infrastruktur vielerorts in Trümmern, berichtet Pastor Joy Dery von der Caritas im Sulawesi-Bistum Manado. In den Städten hingegen hat sich das Leben weitgehend normalisiert.

Yuni Amelia war auf dem Heimweg von der Universität von Palu, als vor einem Jahr die Erde bebte. „Mein Vater hatte mich mit dem Motorrad abgeholt. Durch die Erschütterungen stürzten wir“, erinnert sich die Englisch-Dozentin. Und doch hatten sie Glück: „Obwohl unser Haus direkt am Meer liegt, blieb es vom Tsunami verschont.“ Aus Angst vor Nachbeben suchten Yuni und ihre Familie zunächst einige Tage Zuflucht in einem ­provisorischen Lager, bevor sie sich den ­Tausenden Betroffenen anschlossen, die zu Freunden und Verwandten in die Großstadt Makassar flohen. „Die Flugzeuge waren ­tagelang komplett ausgebucht“, erinnert sich die 29-jährige Muslimin.

Nach drei Wochen in Makassar kehrte Yuni nach Palu zurück und leistet seitdem mit der von ihr mitgegründeten Organisation Sejenak Hening – Moment der Stille – psychosoziale Hilfe für traumatisierte Kinder in den Lagern und Dörfern. „Wir fragen die Kinder nicht danach, wie sie die Katastrophen erlebt haben. Das muss aus ihnen selbst kommen, zum Beispiel durch Malen“, sagt Yuni, deren Arbeit von der Caritas unterstützt wird. „Die Kinder malen oft Häuser, aber keine zerstörten, sondern schöne Häuser als Ausdruck ihrer Sehnsucht nach einem heilen Zuhause.“

Die schwerste Folge des Erdbebens war die Bodenverflüssigung. Das Erdreich wurde weich und wabbelig wie Pudding, verschlang wie ein gieriges Monster ganze Dörfer. Die Bilanz der Naturkatastrophen: 4.300 Menschen starben, 170.000 verloren ihre Wohnungen, Fischerboote, Geschäfte und damit ihre Lebensgrundlage, mehr als 100.000 Gebäude wurden zum Teil schwer beschädigt.

Indonesien ist aufgrund seiner Lage im Pazifischen Feuerring immer wieder Schauplatz von Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüchen. 2018 war jedoch ein besonders hartes Jahr. Von Januar bis Dezember erschütterten 1.807 Erdbeben mit Stärken höher als 2,5 den Inselstaat. 221 Beben waren stärker als 5,5, darunter die im Juli und August 2018 auf der Insel Lombok und das Beben auf Sulawesi. Am 22. Dezember forderten der Ausbruch des Anak Krakataus und der nachfolgende Tsunami an den Küsten zwischen Java und Sumatra mehr als 400 Menschenleben.

Zu den drängendsten Problemen ein Jahr nach der Katastrophe gehört auf Sulawesi der Bau von festen Unterkünften in den ­Lagern sowie die Reparatur der Bewäs­serungssysteme. „Ohne Bewässerungssysteme können die Bauern weder Reis noch andere Feldfrüchte anbauen“, sagt Pastor Joy Dery, Mitglied des Koordinationsteams ­Caritas in Palu. Jan Gelfand, Chef des ­indonesischen IFRC, hofft, dass die Behörden „ihre ­Anstrengungen verdoppeln, um für die vielen tausend Familien in den Lagern dauerhafte Häuser mit einer Infrastruktur zu bauen, die zukünftigen Katastrophen besser standhalten“.

Der internationale Dachverband der Caritas-Organisationen sowie Caritas Deutschland und Caritas Indonesien haben in den zwölf Monaten seit den Katastrophen Hilfe für mehr als 3.600 Haushalte geleistet. Zu den Schwerpunkten heute gehören laut Pastor Dery auch die Aufklärung über Disaster Risk Management sowie der Ausbau der psycho-sozialen Hilfe für die Betroffenen. Da kommt auch Yuni Amelia wieder ins Spiel. „Wir wollen in den Gesundheitszentren ­einiger Dörfer Psychologen einstellen“, sagt sie und hofft dabei auf weitere Unterstützung der Caritas. Der Bedarf an psychologischer Hilfe sei auch lange nach solchen Katas­trophen groß. Laut Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation bräuchten vier Prozent der Betroffenen einer Katastrophe langfristig psychosoziale Hilfe.