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Stephan Wahl zur Drecksarbeits-Rhetorik: „Ich schäme mich für unseren Bundeskanzler“

miradsch Jerusalem wahl

Der frühere „Wort zum Sonntag“-Sprecher Stephan Wahl lebt seit Jahren in Jerusalem. Von hier erlebt er den Gaza-Konflikt und den Raketenkrieg mit dem Iran.

Jerusalem (KNA) Im Nahost-Konflikt fehlt es nach Einschätzung des in Jerusalem lebenden Trierer Priesters Stephan Wahl auf beiden Seiten an charismatischen Führungspersönlichkeiten, die das tief verwundete Vertrauen wiederherstellen könnten

 Er hoffe auf den Mut der völkerverbindenden Menschenrechtsgruppen. „Sie sind das Leuchtfeuer in diesem unheiligen-heiligen Land, dass hoffentlich nicht erlischt“, sagte der Autor und frühere Sprecher der ARD-Sendung „Das Wort zum Sonntag“ im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Frage: Herr Wahl, wie haben Sie den Krieg in den vergangenen zwei Wochen erlebt?

Stephan Wahl: Mein Alltag sah vermutlich wesentlich entspannter aus als der von Menschen in Tel Aviv oder Haifa. Die Gefahr eines Raketeneinschlags ist geringer in Ostjerusalem, wo ich wohne und wo fast nur Palästinenser wohnen. Ein möglicher Einschlag in die Al-Aksa-Moschee oder den Felsendom wäre ein Desaster für die islamische Welt.

Während ich bei Luftalarmen immer in meinen Schutzraum gegangen bin, hat sich das Leben auf der Straße manchmal nicht merklich verändert. Trotzdem hat sich an diesem Freitag, den 13., an dem ein grässlicher Ton am Handy, den ich bis dahin nicht kannte, den Ausnahmezustand erklärte, mein Radius verkleinert.

Ich gehe gern auch längere Wege zu Fuß – das fiel komplett weg. Immer wenn ich nach dem Alarm in den Schutzraum ging, wusste ich: Das machen jetzt andere im ganzen Land genauso wie ich – aber manche überleben es nicht.

Gleichzeitig gibt es viele in diesem Krieg, die keine Schutzräume haben. Wie in Gaza. Jeden Tag wurde in Gaza weiter getötet, aber der Fokus lag allein auf Israel und Iran. Gaza hat die Welt nicht mehr interessiert.

Frage: Sie haben zuletzt auch Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz zu Nahost scharf kritisiert, warum?

Stephan Wahl: Merz sagte in einem Interview, Israel mache die Drecksarbeit für die westliche Welt. Das hat mich schockiert. Ich dachte erst, vielleicht sei es ihm rausgerutscht, aber er hat das widerliche Wort sehr bewusst gewählt und hat sich auch später dafür nicht entschuldigt.

Ich kenne Palästinenser, die sich für Palästinenser schämen, die sich immer noch hinter den Hamas-Angriff stellen, und Israelis, die sich für ihre Regierung schämen. Ich schäme mich für unseren Bundeskanzler.

Zwar glaube ich, dass das Verständnis für diesen Krieg weitaus größer war als für andere Kriege. Aber so eine Formulierung ist für einen Politiker und für einen Bundeskanzler absolut nicht opportun. Es wurden im Iran nicht nur Nuklearanlagen angegriffen, es sind auch Hunderte Menschen getötet worden. 

Ist das auch „Drecksarbeit“? Und war diese Militäraktion wirklich so ein Erfolg, wie er jetzt gefeiert wird? Oder eine der vielen Lügen von US-Präsident Donald Trump und Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die in sich zusammenstürzen, wenn man genauer hinschaut?

Frage: Was waren Ihre Gedanken, als ein Waffenstillstand verkündet wurde?

Stephan Wahl: Es hat mich völlig überrascht. Damit habe ich nicht gerechnet, ich hatte mich auf einen längeren Krieg eingestellt. Aber natürlich bin ich froh, dass jetzt Pause ist. Denn ich befürchte, es ist nur eine Pause. Der Hauptgrund, dass beide Seiten eingewilligt haben, ist auch vermutlich, dass sie eine Pause brauchen, um ihre Kräfte wieder neu zu sammeln, ihre tödlichen Arsenale wieder aufzufüllen. Wahrscheinlich geht es bei der kleinsten Verletzung des Waffenstillstands wieder los. Hoffentlich irre ich mich.

Und: Der Krieg in Gaza tobt weiter. Gerade sind wieder sieben Soldaten und Dutzende Palästinenser getötet worden. Und während wir die Namen und oft auch die Gesichter der israelischen Opfer kennen, bleiben die iranischen Opfer und die Opfer in Gaza nur anonyme Zahlen.

Frage: Wie wird es hier in nächster Zeit weitergehen, aus Sicht eines, der hier lebt?

Stephan Wahl: Das weiß ich auch nicht. Ich befürchte, dass wir in Gaza noch lange nicht zu einem Ende kommen. Es ist mittlerweile deutlich, dass es nicht nur um die um die Bekämpfung der Hamas und die Rückführung der Geiseln geht, sondern die Palästinenser ganz aus Gaza zu vertreiben. Ich befürchte zudem, dass man sich auch nicht mehr lange scheut, das Westjordanland zu annektieren. Das wäre für mich die Rote Linie.

Es fällt jetzt schon schwer hier zu sein – aber dann würde ich das Land verlassen. Vielleicht kommt es aber – auch wenn es jetzt überhaupt nicht so aussieht – genau andersherum. Vielleicht gibt es irgendwann doch eine überraschende Wendung wie damals bei Menachem Begin oder bei Jitzhak Rabin, dass auf einmal etwas passiert, was vorher völlig unmöglich war.

Frage: Was könnten denn idealerweise die Aussichten für dieses Land sein?

Stephan Wahl: Erstmal müsste man den Willen des israelischen Volkes respektieren, den Krieg in Gaza sofort zu beenden, wenn damit alle Geiseln freikommen. Ich verstehe nicht, warum Europa nicht entsprechend massiven Druck auf Israel ausübt. Auch nicht mein Heimatland.

Frage: Was ist das Problem mit Deutschland?

Stephan Wahl: In Deutschland sollte endlich mal klar sein: Wenn ich mich kritisch zur israelischen Regierung verhalte und äußere, hat das absolut nichts mit Antisemitismus zu tun. Wenn ich den ultrarechten Finanzminister Israels einen faschistoiden Menschen nenne, dann beleidige ich doch nicht die Jüdin von New York oder von Frankfurt. Dass man das nicht auseinanderhalten kann, finde ich schlimm.

Frage: Wovon träumt Stephan Wahl für das Heilige Land?

Stephan Wahl: Ich gebe den Traum nicht auf, dass es möglich sein kann trotz aller Wunden, trotz aller Verletzungen, dass beide Völker in zwei selbstständigen Staaten nebeneinander leben. Allerdings vermute ich, dass meine Generation das nicht mehr erleben wird, weil die Wunden zu tief sind.

Es müsste auf beiden Seiten zwei charismatische Führungspersönlichkeiten geben, die genug Vertrauen ausstrahlen, damit dies möglich wäre. Das sehe ich im Moment nicht. Aber ich setze meine Hoffnung auf all die wichtigen völkerverbindenden Menschenrechtsgruppen hier im Land. Ich hoffe, dass sie nicht den Mut verlieren und trotz allem weitermachen. Sie sind das Leuchtfeuer in diesem unheiligen-heiligen Land, das hoffentlich nicht erlischt.

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Gaza: „Die Menschen wollen keinen Krieg mehr“

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Direkt aus dem Gazastreifen dringen derzeit nur wenige Nachrichten nach draußen. Derzeit macht sich der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, ein Bild von der Lage vor Ort. (KNA/iz). Eine […]

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DITIB-Generalsekretär Eyüp Kalyon im Gespräch

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„IZ-Begegnung“ mit dem DITIB-Generalsekretär über die Kritik an seinem Verband wegen Türkeibindung, dem fehlenden Austausch mit Kritikern und zur Organisationsform der muslimischen Community. (iz). Eyüp Kalyon wurde 1990 in Wuppertal […]

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Stephan Wahl: Gazakrieg mit einem Deal beenden

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Viele kennen ihn aus dem „Wort zum Sonntag“: Ex-Sprecher Stephan Wahl. Der Israel-Experte hält ein Ende des Konflikts für möglich. Die Kriegsparteien müssen über ihren Schatten springen. Jerusalem/Trier (KNA). Für […]

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Abdassamad El Yazidi: bei vielen „negative Gefühle“

Islamismus yazidi

Der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Abdassamad El Yazidi, über seinen Verband, den Rechtsruck und den Nahostkonflikt in Deutschland. (KNA). Abdassamad El Yazidi ist vor wenigen Monaten auf Aiman […]

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„Keinerlei Freiheit“: Caritas-Expertin über Frauen in Afghanistan

afghanistan frauen

Vor drei Jahren eroberten die Taliban Afghanistan im Handstreich zurück. Vor allem für Frauen fürchteten Menschenrechtler danach schwere Einschränkungen. Eine Expertin sagt nun: Es wird sogar noch schlimmer.

(KNA). Henrike Bittermann ist Afghanistan-Referentin bei Caritas international. Die katholische Hilfsorganisation ist seit Jahrzehnten mit humanitären, psychosozialen und medizinischen Projekten in Afghanistan aktiv. Drei Jahre nach der erneuten Taliban-Machtübernahme zeichnet sie ein drastisches Bild der Unterdrückung und des Schikanierens von Frauen. Hoffnung auf einen Wandel sieht sie derzeit nicht. Und das führe zu großer Verzweiflung und Angst.

Frage: Vor wenigen Tagen haben die Taliban – drei Jahre nach ihrer Machtübernahme – ein „Tugendgesetz“ zur „Prävention gegen das Laster“ veröffentlicht. Welche Folgen hat das neue Gesetz?

Henrike Bittermann: Wir dachten schon vorher, schlimmer kann es bei den Einschränkungen für Frauen nicht werden – aber es wurde schlimmer. Frauen müssen sich jetzt am ganzen Körper verschleiern. Der bislang übliche Hijab, bei dem das Gesicht offen bleiben dürfte, ist jetzt verboten. Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht mehr laut sprechen – manche Tugendwächter könnten das als vollständiges Sprechverbot auslegen. Frauen dürfen Männer nicht mehr anschauen. Und Frauen dürfen nur noch mit ihrem „Mahram“ – einem eng verwandten männlichen Aufpasser oder ihrem Ehemann – das Haus verlassen.

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Foto: UN Photo/Eric Kanalstein, www.unmultimedia.org/photo, via flickr

Frage: Was bleibt dann noch an Freiheiten?

Henrike Bittermann: Fast keine mehr. Der Alltag von Frauen findet zu 95 bis 99 Prozent nur noch im eigenen Haus statt. Über alle diese Vorschriften wacht die sogenannte Tugendpolizei. Diese Männer kontrollieren Frauen auf offener Straße und schikanieren sie. All das zielt darauf ab, Frauen Angst zu machen, damit sie nur noch zu Hause bleiben.

Frage: Wie kann eine Gesellschaft funktionieren, wenn die Hälfte der Menschen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen ist? Mädchen nur bis zur sechsten Klasse in die Schule gehen dürfen und Universitäten für Frauen Tabu sind?

Henrike Bittermann: Die Taliban sind so stark, dass sie ihre Regeln durchsetzen. Im Moment denken sie nicht an die langfristigen Folgen: Aber was wird künftig sein, wenn keine Ärztinnen oder Lehrerinnen mehr ausgebildet werden? Für Stellen, die nach islamischem Recht Männer gar nicht ausüben dürfen.

Frage: Könnten Frauen aus dem Land fliehen?

Henrike Bittermann: Kaum, es gibt überall im Land sehr scharfe Kontrollen und Checkpoints. Wenn überhaupt, können sich Frauen nur mit ihrem Mahram bewegen. Ich habe am Flughafen erlebt, wie alleinreisende Frauen nicht ins Flugzeug steigen durften. Und selbst wenn sie das Land mit ihrer Familie verlassen könnten – welche Perspektive hätten sie denn? Welches Land würde sie aufnehmen? Nicht nur Deutschland verschärft seine Migrationsgesetze.

Frage: Im Iran kam es nach Übergriffen der Tugendpolizei zu Massenprotesten – wäre das in Afghanistan auch denkbar?

Henrike Bittermann: Momentan auf keinen Fall! Die Taliban sind zu stark. Und es gab hier noch nie eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen das Regime. Zwar wünschen sich natürlich auch viele Männer mehr Freiheiten für ihre Ehefrauen und für ihre Töchter. Sie hoffen, dass sie eine weiterführende Schule oder Universität besuchen können. Aber dass sie dafür auf die Straße gehen, in Widerstand gegen das Taliban-Regime, das ist, auch aus Angst, jenseits aller denkbaren Möglichkeiten.

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Interview: Rita Süßmuth über den Rechtsruck

Süßmuth

Sie ist bekannt für klare Worte: Rita Süßmuth erhebt mit 87 Jahren mit der ihr eigenen Unabhängigkeit noch einmal die Stimme. Angesichts aktueller Krisen und Kriege, angesichts des Rechtsrucks, des […]

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Aiman Mazyek: „Ich habe immer Hoffnung“

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IZ-Begegnung mit Aiman Mazyek: Der gerade aus dem Amt geschiedene Ex-Zentralratsvorsitzende über seine Erfahrungen und die Lage der deutschen Muslime. (iz). Der gebürtige Aachener Aiman Mazyek war von 2010 bis […]

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Aiman Mazyek im KNA-Gespräch: „Das besorgt uns“

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Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime über die AfD und Israel: „Wir waren die ersten, die das KZ Auschwitz besucht haben“.

(KNA). Er war der bekannteste Vertreter des hiesigen Islams: Im Juni gibt Aiman Mazyek den Vorsitz im Zentralrat der Muslime in Deutschland nach 13 Jahren ab. Und warnt im Interview vor „schrillen Debatten“ um Migration. Von Joachim Heinz und Christoph Schmidt

Wenn in den vergangenen Jahren über den Islam in Deutschland gesprochen wurde, dann war Aiman Mazyek meist zur Stelle. Seit 2011 war der Sohn eines Syrers und einer Deutschen Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland ZMD. Anfang März gab Mazyek bekannt, im Juni das Amt abzugeben – auf eigenen Wunsch. „Ich werde mich sicher nicht komplett aus der Öffentlichkeit zurückziehen“, sagt der 55-Jährige im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Aber in welcher Funktion er dann das Wort ergreift? „Das werden wir schauen.“

Pressebild: Zentralrat der Muslime in Deutschland

Rücktritt auf eigenen Wunsch

Frage: Herr Mazyek, wenn Sie auf die vergangenen Jahre als Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland zurückblicken – auf was sind sie stolz?

Aiman Mazyek: Um die Jahrtausendwende herum waren die Muslime in Deutschland – vor allem nach den Anschlägen des 9. September 2001 – eine Art Angstfaktor. Ich glaube, es ist uns gelungen, durch sachliche Aufklärung und eine moderate Position, aufzuräumen mit vielen diffusen und irrationalen Ängsten. Persönlich bin ich zufrieden, dass ich als Generalsekretär ab 2002 und Vorsitzender ab 2011 meinen Job einigermaßen skandalfrei und bei Gesundheit über die Runden gebracht habe.

Frage: Gibt es etwas, was in Ihrer Amtszeit nicht so gut geklappt hat?

Aiman Mazyek: Ach, da gibt es natürlich ein paar Dinge. Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, dass wir bei der strukturellen Anerkennung der muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland weiter gekommen wären. Das ist ohne Frage ein offenes Thema, das sicherlich auch die nächsten Jahre prägen wird.

Frage: Unlängst hat die Ramadan-Beleuchtung in einigen Innenstädten für Diskussionen gesorgt. Ein Zeichen dafür, dass es bei der Anerkennung der Muslime in Deutschland noch hapert?

Aiman Mazyek: Das ist eher ein Beispiel für schrille Debatten, die von den Sozialen Medien noch einmal gepusht und von Teilen der Öffentlichkeit übernommen werden.

Frage: Kritisiert wurde unter anderem, dass die Steuerzahler, also auch Nicht-Muslime, für diese Ramadan-Beleuchtungen aufkommen.

Aiman Mazyek: Damit wollen die Kritiker doch nur Aufmerksamkeit erhaschen! Muslime erfreuen sich an einem Chanukka-Leuchter oder an Weihnachtsbäumen in Städten genauso wie an der Ramadan-Beleuchtung, wohl wissend, dass sie für diesen Schmuck als Steuerzahler ebenfalls mit aufkommen. Überhaupt bin ich der Überzeugung, dass wir in unserer Medienblase dazu neigen, aus einzelnen kritischen Stimmen ein Problem zu konstruieren, dass die Allgemeinheit gar nicht als solches wahrnimmt

Posse Verteidiger Nationalmannschaft Antonio Rüdiger

Foto: Brian Minkoff, London Pixels, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0en.

Streitfall Rüdiger

Frage: Gilt das auch für die Schlagzeilen um die Tauhid-Geste, die der deutsche Fußballnationalspieler Antonio Rüdiger zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf Instagram postete? Spätestens, seitdem die Terroristen von Al Kaida oder dem sogenannten Islamischen Staat in den Sozialen Medien den erhobene Zeigefinger zu ihrem Markenzeichen gemacht haben, handelt es sich dabei doch mindestens um eine zweideutige Geste, oder?

Aiman Mazyek: Das ist Ihre Interpretation, die ich überhaupt nicht teile. Natürlich hat es in der Geschichte immer wieder Gewalttätige und Kriminelle gegeben, die religiöse Symbole und Zeichen missbrauchen. Ebenso gibt es Kriminelle, die sich zum Beispiel bekreuzigen. Aber das ist bestenfalls eine Randnotiz. Der Zeigefinger verweist auf den Glauben, an die Einheit Gottes. Die öffentliche Debatte um Rüdiger demaskiert sich selbst, indem sie den Terroristen die Deutungshoheit über diese Geste zugeschrieben hat.

Frage: Naja, diesen Zeigefinger kennt man in der westlichen Medien nun einmal ausschließlich von Fundamentalisten und Terroristen. Da ist es doch zumindest unglücklich, wenn Rüdiger so posiert.

Aiman Mazyek: Nochmals, ich mache mir die Inszenierung von Extremisten nicht zueigen und instrumentalisiere sie schon gar nicht auf Kosten des Ansehens eines deutschen Fußballstars, der durchaus auch ein Vorbild für den Zusammenhalt und die Vielfalt der Gesellschaft darstellt.

afd Rechtsextrem Bundestag

Foto: photocosmos1, Shutterstock

In Erwartung von weiteren AfD-Erfolgen

Frage: Schauen wir nach vorn. In diesem Jahr finden mehrere Wahlen statt, bei denen die in Teilen rechtsextreme AfD mutmaßlich viele Stimmen erhalten wird. Macht Ihnen das Angst?

Aiman Mazyek: Ja, das besorgt uns und treibt uns natürlich in erheblichem Maße um, weil wir zu den Teilen der Bevölkerung gehören, die als erste von einem Rechtsruck betroffen sind. Allerdings muss man dazu sagen, dass die AfD den Populismus und den Rechtsradikalismus nicht erfunden hat.

Sie hat lediglich am meisten politisches Kapital geschlagen aus den schrillen Debatten, die rund um die Themen Migration und Integration geführt wurden. Wären wir beispielsweise weiter bei der staatlichen Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften, dürfte es für die Rechten strategisch schwieriger sein, uns als Projektionsfläche für Hass und Ressentiments zu nutzen.

Frage: Umso erstaunlicher, dass es auch unter Muslimen AfD-Sympathisanten gibt. Wie erklären Sie sich das?

Aiman Mazyek: Vereinzelt gibt es das, es ist aber mehr eine Nach-mir-die-Sintflut-Option, die rational völlig gaga ist.

Frage: Warum rational völlig gaga?

Aiman Mazyek: Weil Muslime am Ende zu den ersten gehören, die das Nachsehen haben werden, sollte die AfD an die Macht kommen.

Zentral will Vorwürfe aufklären

Frage: Im Zentralrat der Muslime gab es zuletzt zwei Vereinigungen, die unter Extremismus-Verdacht standen: Die Deutsche Muslimische Gemeinschaft DMG, der eine Nähe zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft attestiert wird, ist zwar kein Mitglied mehr im ZMD. Aber es gibt weiterhin die ATIB, die den rechtsradikalen türkischen „Grauen Wölfen“ nahe stehen soll. Wie gehen Sie damit um?

Aiman Mazyek: Bei der ATIB erkennen wir einen starken Willen, Handeln und auch die Bereitschaft, die Vorwürfe, mit denen sie konfrontiert sind, aufzuklären und politisch wie personell die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Das sollten wir verbandspolitisch nicht auch noch bestrafen und zumindest den laufenden Prozess bis zum Ende abwarten. Dass wir am Ende in der Lage sind, auch Konsequenzen zu ziehen, wenn ein Erfolg ausbleibt, haben wir in der Vergangenheit bei einigen Ex-Mitgliedern zu Genüge bewiesen.

Frage: Im Nahen Osten herrscht nach dem Angriff der palästinensischen Hamas gegen Israel Krieg. Können Sie nachvollziehen, dass die anfängliche Zurückhaltung der muslimischen Verbände bei der Verurteilung der grausamen Terrorattacke vom 7. Oktober 2023 Fragen gerade in Deutschland aufgeworfen hat?

Aiman Mazyek: Wir haben diesen Angriff mehrfach und auch schon direkt danach verurteilt. Tatsache ist aber auch, dass der Konflikt im Nahen Osten nicht mit dem 7. Oktober beginnt, sondern an diesem Tag nur einen weiteren, schrecklichen Höhepunkt erlebt hat.

Frage: Das Existenzrecht von Israel gehört in Deutschland wegen des von den Nationalsozialisten durchgeführten Holocaust zur Staatsräson.

Aiman Mazyek: Wir waren die erste deutsch-muslimische Gemeinschaft, die das Konzentrationslager Auschwitz besucht und dort eine klare Standortbestimmung vorgenommen hat. Was bedeutet es, Deutscher und Muslim zu sein? Natürlich haben wir eine Verantwortung gegenüber den Juden und eine Verantwortung gegenüber Israel.

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Burak Yilmaz enttäuscht von der Politik

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Interview mit Burak Yilmaz über Antisemitismus und seine Bemühungen in der Jugendarbeit. (KNA). Burak Yilmaz kennt die Einstellungen muslimischer Jugendlicher gut. Der Pädagoge bekämpft Antisemitismus an der Wurzel, spricht in […]

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