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Die Resonanzkatastrophe oder Räume für Jugendliche

Resonanzkatastrophe

Resonanzkatastrophe: Gerade für Jugendliche ist die Orientierung im Zeitalter endloser Wahl schwierig. Hierfür brauchen sie dialogische Räume. Deshalb ist es wichtig, wenn Gemeinschaften Brücken nach außen bauen.

Von außen betrachtet wirkt unsere Gegenwart wie das Zeitalter größtmöglicher Freiheit. Nie zuvor standen Menschen so viele Optionen offen: unzählige Lebensentwürfe, Glaubensrichtungen, Ernährungsstile und politische Bewegungen. Tausende Influencer, Apps und Streamingdienste konkurrieren um die Aufmerksamkeit ihrer Nutzer.

Doch in diesem Überfluss an Möglichkeiten steckt eine paradoxe Erfahrung. Wo alles wählbar ist, verliert die Wahl selbst an Tiefe – sie wird zum Zwang, zur endlosen Wiederholung des „Du kannst alles sein“, eine Formel, die keine verbindliche Antwort mehr gibt.

Foto: Shutterstock/Monkey Business Images

Resonanzkatastrophe : Die Paradoxie der Freiheit

Slavoj Žižek (Was verrät uns die Psychoanalyse über den Cyberspace?) beschreibt diese Situation als eine subtile Form der Beherrschung. Medien und digitale Plattformen fordern uns permanent auf, zu wählen: „Drücken Sie A, wenn Sie dies wollen, drücken Sie B, wenn Sie das wollen.“ Dieser permanente Aufruf erzeugt erst das Begehren, dem wir folgen sollen. Die Subjekte, die sich frei fühlen, sind zugleich völlig formbar – sie müssen sich immer wieder sagen lassen, was sie wollen.

Unter den Verhältnissen grenzenloser Reichweite wissen immer weniger wer sie wirklich sind. Žižek greift hier ein Diktum des Psychoanalytikers Jacques Lacans auf: Wenn keine substanzielle Orientierung das Feld der freien Möglichkeiten eingrenzt, verschwindet die Freiheit selbst. Mit anderen Worten: Gerade, weil niemand mehr vorgibt, was wir wollen sollen, geraten wir unter den unsichtbaren Zwang, uns selbst immer neu zu erfinden.

Dieser Mechanismus durchdringt längst auch die Sphäre persönlicher Beziehungen. Die Digitalisierung, so Žižek, hebt den Unterschied zwischen Nachbarn und Fremden auf, indem sie alle in eine „gespenstische Bildschirmpräsenz“ verwandelt.

Das Reale der Begegnung – das Unmittelbare, Widerständige, Ansprechbare – wird in den virtuellen Raum suspendiert. Wir scrollen durch Gesichter und Meinungen, die alle gleich nah und gleich fern erscheinen. Es fehlt an realen Räumen, wo wir unser Wissen oder unsere Vorurteile über den Anderen im konkreten Gespräch überprüfen können.

Das moderne Subjekt ringt heute nicht zuletzt um seine religiöse Identität. Der Philosoph Charles Taylor beschreibt in „A Secular Age“ ein Phänomen, das er „Nova-Effekt“ nennt: Nach dem Zerfall religiöser Gewissheiten explodiert eine unüberschaubare Zahl an Sinnangeboten – von Achtsamkeitspraktiken bis zu Konsum-Lifestyles, von esoterischen Strömungen bis zu politischen Ideologien. Der Glaube verschwindet nicht aus der Welt, das Religiöse findet auf „neuen Pfaden“ weiterhin statt.

Mit dem Begriff „Säkularität“ umschreibt Taylor dabei „eine neue Gestalt der zum Glauben veranlassenden und durch Glauben bestimmten Erfahrung“. Taylor unterteilt die Entwicklung in drei Dimensionen: Rückzug und Abtrennung der Religion aus dem öffentlichen Raum, Niedergang der Bindung an die Lehre der monotheistischen Religionen; Veränderung der Bedingungen des Glaubens als Priorität und Entstehen der säkularen Option.

Allerdings tauchten viele religiöse Motive in der säkularen Welt in veränderter Form wieder auf, zum Beispiel in der Suche nach neuer, andersartiger Spiritualität, in der Selbstoptimierung oder in der Welt des Sports. Die klassische Lehre verliert gegenüber den fortschrittlichen, unendlich wachsenden spirituellen Angeboten an Boden.

Dieses kulturell-religiöse Panorama verschränkt sich mit den ökonomischen und technologischen Dynamiken der Moderne, die der Soziologe Hartmut Rosa als „gesellschaftliche Beschleunigung“ beschreibt. In seiner Soziologie der Weltbeziehung versteht er gelingendes Leben als Resonanz: ein wechselseitiges In-Beziehung-Treten von Menschen und Welt, bei dem wir berührt werden und Antworten bekommen – sei es in Naturerfahrungen, Musik, Freundschaft oder politischem Engagement. Doch die Logik der Beschleunigung – immer schneller, immer effizienter, immer mehr – zerstört jene stillen Räume, in denen Resonanz wachsen könnte.

Alles – so das moderne Versprechen – wird plan- und verfügbar, sogar unsere sozialen Beziehungen. Die Welt verstummt, weil wir sie nur noch als Ressource behandeln. Das Ergebnis ist, was Rosa die „Resonanzkatastrophe“ nennt:

„Wer unglücklich ist und im Extremfall, depressiv ist, dem erscheint die Welt kahl, leer, feindlich und farblos, und zugleich erfährt er das eigene Selbst als kalt, tot, starr und taub. Die Resonanzachsen zwischen Selbst und Welt bleiben stumm.“

Jugendliche zwischen den Räumen

Besonders sichtbar wird diese Krise bei jungen Menschen, die am Rande der kulturellen und sozialen Räume der Mehrheitsgesellschaft leben. Viele Jugendliche mit Migrationserfahrung – ob in Berlin, Marseille oder London – stehen zwischen der Herkunftskultur ihrer Familien und der neuen Umgebung, in der sie aufwachsen. Traditionelle Resonanzräume wie religiöse Rituale oder gewachsene Nachbarschaften sind geschwächt oder weit entfernt. Zugleich prasseln globale Medienbilder auf sie ein: Kriege, Klimakatastrophen und politische Konflikte.

Im politischen Feld befürchten Sozialwissenschaftler schon länger die Entfremdung einer ganzen Generation. Zu dieser Analyse tragen die schrecklichen Bilder aus Gaza bei, die unseren Jugendlichen ständig präsent sind, ohne dass ihr unmittelbares Umfeld tragfähige Deutungen bietet.

Angesichts der Folgenlosigkeit der eigenen Empörung flüchten viele junge Muslime in ihr Privatleben oder sind für Ideologen ansprechbar, die einfache Lösungen aus dem moralischen Dilemma unserer Zeit versprechen.

In den sozialen Medien wird zunehmend die Weltverneinung als Weg angepriesen.  Diese Einstellung definiert Rosa wie folgt: „Hinter die schlechte, immanente Welt wird eine bessere transzendente Welt gesetzt, die nur durch Ablehnung und Überwindung der ersteren zu gewinnen ist.“ Ideologen offerieren im Internet das passende Phantasma: ein religiöses System, moralisch integer, perfekt organisiert, das alle Probleme der Menschheit lösen soll.

In dieser Gemengelage entsteht eine existenzielle Schwebe. Die umworbenen Jugendlichen leben auf einer Metaebene: Sie sind global informiert, doch lokal kaum verankert. Viele fragen sich weniger, wo sie leben, sondern vor allem, wer sie sind. Manche flüchten in identitätspolitische Abgrenzung, andere in Formen der Rebellion.

Das Bedürfnis nach Anerkennung bleibt, doch es findet selten Resonanz. Negative Stereotype oder subtile Ausgrenzungen, die unsere Medien verbreiten, verstärken das Gefühl, dass die Welt nicht antwortet – oder wenn doch, dann nur im feindlichen Modus.

Es sind diese jungen Leute, um die man sich vor Ort kümmern muss. Die neuen digitalen Gesprächspartner verschieben die Orientierung stattdessen auf eine virtuelle Ebene. Sam Altman, Mitgründer von OpenAI, hat öffentlich seine Sorge um den mentalen Zustand von Jugendlichen artikuliert, die künftig künstlichen Intelligenzen mehr Vertrauen schenken als Eltern, LehrerInnen oder Freunden. Wenn die KI zum bevorzugten Ratgeber wird, während reale Autoritäten verblassen, dann erscheint die „Resonanzkatastrophe“ in einer neuen, technischen Gestalt.

Der örtliche Imam oder Lehrer, verliert unter diesen Bedingungen schlicht an Relevanz. Ohne eine konkrete Ausbildung, die seit Jahrhunderten lokal organisiert wurde, werden religiöse Inhalte willkürlich zusammengestellt. Die gesellschaftliche Anerkennung des Islam, als eine respektable Lebenspraxis, rückt gleichzeitig in weite Ferne, da der eigentliche Inhalt der Lebensform nicht mehr fassbar ist.

Foto: Taaleef Collective

Die Moschee als ambivalenter Resonanzraum

Das Dilemma vieler junger Muslime verdichtet sich exemplarisch im Resonanzraum Moschee. Hier soll sich ein Ort der Klarheit und Reinheit entfalten, ein geschützter Raum, eine Oase, in dem die Regeln des Glaubens Geltung haben und sich von den vermeintlichen Verwirrungen der Außenwelt abheben. Gerade darin liegen jedoch ein unübersehbarer Widerspruch und eine doppelte Spannung.

Zum einen fehlen häufig die Möglichkeiten, Zweifel, innere Konflikte oder kritische Fragen offen zu artikulieren. Die Moschee erscheint dann weniger als dialogischer Ort, denn als Sphäre, in der Gewissheiten bestätigt, aber selten hinterfragt werden dürfen.

Zum anderen kann sich die Moschee – wenn sie nicht in lebendige Nachbarschaften und städtische Netzwerke eingebettet ist – zu einer Parallelwelt verfestigen. Jugendliche erfahren hier zwar ein starkes Wer ihres Selbst: Sie wissen, wozu sie gehören, welche Gebetsformen und Rituale ihre Identität prägen. Doch das Wo bleibt oft unbestimmt. 

Die fehlende Verortung erzeugt ein Vakuum. Wer in der Moschee Anerkennung findet, aber kaum in der Stadtgemeinde, in der Landschaft und in den kulturellen Rhythmen des Landes heimisch wird, lebt in einer Art Niemandsland. Die religiöse Identität bleibt auf sich selbst bezogen und kann nicht in eine gemeinsame urbane Kultur übergehen. Resonanz wird so zur Halbresonanz: ein – im besten Fall – starker Klang im Inneren, dem jedoch die entsprechende Antwort des Umfelds fehlt.

Gerade deshalb ist es entscheidend, dass Moscheegemeinden nicht nur rituelle Zentren bleiben, sondern Brücken schlagen – zur Straße vor der Tür, zur Schule nebenan, zur Stadt, die sie umgibt. Erst wenn sich das Wer mit dem Wo verschränkt, kann sich ein Resonanzraum entfalten, der junge Menschen nicht nur schützt, sondern sie in die vielfältige Kultur des Landes einbettet, in dem sie wirklich leben.

Die Notwendigkeit von Begrenzung

Philosophisch betrachtet weist all dies auf eine zentrale Einsicht: Freiheit braucht Begrenzung. Wahl wird erst bedeutsam, wenn es ein Gegenüber gibt, das uns herausfordert, dem wir zustimmen oder widersprechen können.

Wo alles gleich gültig und verfügbar ist, verflüchtigt sich die Erfahrung, dass die Welt uns antwortet. Rosas Begriff der Resonanz bietet hier mehr als Sozialdiagnose; er ist eine Einladung, das Verhältnis von Freiheit und Bindung neu zu denken. Resonanz lässt sich nicht machen, sie ereignet sich, wenn Menschen sich berühren lassen und antworten können.

Das setzt Räume voraus, die nicht der Logik von Effizienz und Kontrolle unterworfen sind – Räume, in denen Schweigen, Widerstand und gegenseitige Ansprechbarkeit möglich sind. Die Feinde der Demokratie setzen naturgemäß nicht auf das Gespräch, sondern auf Ausgrenzung von ganzen Gruppen aus dem öffentlichen Raum.

Wie also könnte eine Kultur aussehen, die neue Resonanzräume eröffnet? Drei Felder sind entscheidend:

• Beziehungsarbeit und Teilhabe: Jugendliche brauchen Orte, an denen sie selbst Gestalter werden – in kulturellen Projekten, politischen Jugendinitiativen oder gemeinschaftlichen Werkstätten. Dort können sie nicht nur reden, sondern tatsächlich Antwort finden.

• Bildung und Anerkennung: Schulen, Vereine und Gemeinden sollten Vielfalt nicht als Problem, sondern als Ressource begreifen. Wer ernst genommen wird, erfährt, dass die Welt zurückspricht.

•Entschleunigung und Selbstwirksamkeit: Reisen, Sport, Naturerfahrungen oder gemeinschaftliche Rituale eröffnen überraschende Momente, die sich der ständigen Verfügbarkeit entziehen.

Diese Schritte sind nur eine Auswahl von Bedingungen für das, was der Soziologe eine „gelingende Weltbeziehung“ nennt. Sie geben der Freiheit ein Gegenüber, schaffen Grenzen, an denen sich die eigene Substanz bewähren und bilden kann. Die Resonanzkatastrophe unserer Zeit liegt nicht in zu wenig, sondern in zu viel Wahl.

Die Gesellschaft, die sich grenzenlose Freiheit verordnet hat, verliert den Boden, der echte Freiheit trägt. Wenn wir wieder lernen, auf eine antwortende Welt zu hören und uns mit ihr auseinandersetzen, könnte aus dem Zwang zur Wahl ein Spiel der Möglichkeiten werden, das uns wirklich berührt.

Eine funktionierende Gesellschaft benötigt eine Soziologie der Resonanz. Vielleicht setzt sich ja eine Einsicht durch, die Hartmut Rosa wie folgt fasst: „Daher scheinen mir die überlieferten Religionen, jedenfalls in ihrer jüdisch-christlichen oder auch islamischen Gestalt, zumindest auch – wenn nicht sogar primär – als (möglicherweise unverzichtbare) Gegenpole zur Steigerungs- und Dynamisierungslogik der Moderne zu fungieren.“

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Angriffe auf Moscheen: Die Zahlen erreichen einen neuen Höchststand

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Hass gegen Moscheen: Wie die DİTİB-Antidiskriminierungsstelle am 3. Juni in ihrem Bericht für das letzte Jahr mitteilte, haben Angriffe auf Mitgliedsgemeinden des Verbands einen neuen Höchststand erreicht.

(iz). Die DİTİB-Antidiskriminierungsstelle veröffentlichte am 3. Juni ihren aktuellen Jahresbericht „Moscheeübergriffe – Das Jahr 2024“. Mit 175 dokumentierten Angriffen auf Moscheen in Deutschland sei nicht nur „der Rekordwert des Vorjahres“ (137 Fälle) deutlich übertroffen worden. Im Vergleich zu 2021 hätten sich Übergriffe fast vervierfacht.

„Dass sich die meisten Übergriffe in Nordrhein-Westfalen ereigneten, bereitet uns zusätzliche Sorge und stellt die bisherigen Erfolge im Bereich der Teilhabe und des gesellschaftlichen Zusammenhalts infrage“, erklärte Dr. Zekeriya Altuğ, u.a. Leiter dieser Stelle.

„Die Erwartung, dass Sichtbarkeit, Transparenz und Dialogarbeit ausreichen, um Islam- und Muslimfeindlichkeit entgegenzuwirken, scheint seit dem 7. Oktober nicht mehr aufzugehen. Pauschale Antisemitismusvorwürfe treffen unsere Gemeinden und spalten unsere Gesellschaft.“

Die meisten Attacken auf muslimischen Einrichtungen im Jahr 2024 wurden in Nordrhein-Westfalen (NRW) verzeichnet, mit 82 % aller Fälle (144 Übergriffe). Dahinter folgen Baden-Württemberg mit 10 Übergriffen, Hessen mit 7 sowie Bayern und Niedersachsen mit jeweils 3 Übergriffen. 

Auch für Ostdeutschland wurden Vorfälle registriert: in Sachsen (2) und in Sachsen-Anhalt (1). Weitere ostdeutsche Bundesländer (Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern) werden für 2024 im Bericht nicht explizit mit Übergriffen genannt; das bedeutet aber nicht, dass es dort keine Vorfälle gab, sondern nur, dass sie im Berichtsjahr 2024 laut DİTİB nicht dokumentiert wurden.

Der Report dokumentiert die alarmierende Zunahme von Attacken auf Moscheen in Deutschland. Dazu gehören verbale Angriffe (60 %), Sachbeschädigungen (12 %) und andere Formen wie Vandalismus und Brandstiftung.

Die meisten Vorfälle ereigneten sich in Nordrhein-Westfalen (82 %), was auf die hohe Konzentration muslimischer Gemeinden und sichtbare religiöse Symbole zurückzuführen sei. In dem Bericht sind beinahe ausschließlich Übergriffe auf Moscheen der DİTİB selbst dokumentiert (96 %).

Die Tatmotive zeigen laut den Erstellern der Studie, dass 84 % der Übergriffe islamfeindlich und antimuslimisch motiviert waren. Sie würden begleitet von rechtsextremen und verschwörungsideologischen Inhalten. 

Besonders die Ereignisse im Nahen Osten dienten als Rechtfertigung für viele Angriffe, bei denen Muslime pauschal mit Terrorismus assoziiert wurden. Die Täter nutzten gesellschaftliche und politische Ereignisse, um Hass zu schüren. 

In den meisten dokumentierten Fällen wurden die Übergriffe von den Moscheegemeinschaften selbst oder Anwohnern umgehend der Polizei gemeldet. Sie nahm in der Regel sofort die Ermittlungen auf, sicherte Spuren und leitete Strafverfahren ein.

Zu jedem Vorfall wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies betrifft sowohl Sachbeschädigungen, Brandstiftungen, Einbrüche als auch Bedrohungen und Hassbotschaften.

In Einzelfällen konnten Tatverdächtige durch Zeugenaussagen, Überwachungsvideos oder durch die schnelle Reaktion der Polizei (z.B. bei Brandstiftungen) ermittelt und verhaftet werden. Im Bericht wird beispielhaft ein Fall genannt, bei dem zwei mutmaßliche Täter bei einer versuchten Brandstiftung noch vor Ort festgenommen wurden (siehe S. 12).

Der Bericht stellt fest, dass es in einigen Verfahren zu Anklagen kam. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass viele sich über Monate hinziehen oder eingestellt werden, wenn die Beweislage nicht ausreicht. 

Die DITIB-Antidiskriminierungsstelle kritisiert, dass viele Gemeinschaften das Gefühl haben, von den Behörden nicht ausreichend unterstützt zu werden. Häufig würden Ermittlungen eingestellt oder Täter blieben unbekannt.

Die Auswirkungen auf muslimische Gemeinden seien demnach gravierend: Angst, Unsicherheit und Isolation würden den Alltag der Betroffenen prägen. Verbale Angriffe werden oft bagatellisiert, obwohl sie langfristige psychische Belastungen verursachen.

Der Bericht fordert eine bessere Sicherung von Moscheen, verstärkte Präventionsarbeit gegen rechtsextreme Ideologien, Förderung des interreligiösen Dialogs und eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien.

Die Analyse legt nahe, dass die Übergriffe Ausdruck tiefer gesellschaftlicher Probleme sind, die durch Polarisierung und rechtsextreme Ideologien verstärkt werden. Er unterstreicht die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens von Staat, Gesellschaft und Medien, um antimuslimischen Rassismus wirksam zu bekämpfen und ein respektvolles Miteinander zu fördern.

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Mehr Naturschutz für Moscheen

Umweltethik Islam welt moschee Bewegungen

Naturschutz: Die IGMG bietet Fortbildung und praktische Schulung für ihre Moscheegemeinschaften an.

(IGMG/IZ). „Mülltrennung, Energiesparen, Solarenergie – Klimaschutz beginnt in der Moschee: Die IGMG startet eine Webinar-Reihe für Moscheegemeinden – mit praktischen Lösungen und islamischer Verankerung“, erklärt Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG).

Anlass war der Start der Bewerbungsphase für ein neues IGMG-Klima-Bildungsprogramm für Mitgliedsgemeinschaften des Verbands. 

Mit dem Naturschutz-Bildungsprogramm für Moscheen wolle der Verband ein umfassendes Projekt für die Gemeinschaften beginnen, das Theorie in gelebte Praxis übersetzen soll. Wir wolle zeigen, dass Klimaschutz nicht bei Konferenzen beginnt, sondern vor Ort – in Gemeindeküchen, Gebetsräumen und Moscheegärten.

Denn der Islam verpflichte die Muslime zur Bewahrung der Schöpfung. „Diese religiöse Verantwortung nehmen wir ernst – und machen sie zum Ausgangspunkt für konkretes Handeln.“

Das Programm richtet sich an Ehrenamtliche in Moscheegemeinden. Es solle sie dazu befähigen, Umwelt- und Klimaschutz in ihren Gemeinden umzusetzen. In elf Webinaren und zwei Modulen werden Themen wie Energiesparen, Wasser- und Flächenmanagement, Mülltrennung, Biodiversität oder die Organisation umweltfreundlicher Veranstaltungen behandelt. Statt theoretischer Vorträge setzt das Projekt auf interaktive Formate: Workshops, Rollenspiele und Gruppengespräche mit starkem Praxisbezug.

Nach Angaben der IGMG bestehe das Ziel in dem praxisorientierten Programm nicht nur im Wissenserwerb. Die TeilnehmerInnen sollen auch „Multiplikatoren und Umweltverantwortliche“ in ihren lokalen Gemeinschaften werden.

Sie sollen lokale Naturschutzziele formulieren, diese öffentlich kommunizieren und Schritt für Schritt umsetzen – begleitet von der IGMG-Klima- und Naturschutzkommission.

Im Falle eines erfolgreichen Abschlusses wird die Teilnahme zertifiziert. „Damit schaffen wir Bewusstsein und Veränderung zugleich.“ Das Programm soll offen für alle sein – denn Klimaschutz sei „kein Spezialthema, sondern betrifft uns alle“.

Damit wolle man Verantwortung übernehmen, muslimisches Umweltbewusstsein zugunsten sämtlicher Lebewesen stärken und deutlich machen, dass Moscheen Teil der Lösung seien.

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Inmitten der Migrationsdebatte: Angriffe auf Moscheen und Sammelunterkünfte nehmen zu

moscheen

Angriffe auf Moscheen und Unterkünfte geflüchteter Menschen nehmen offenbar zu. Beobachter warnen vor einer gefährlichen Entwicklung und fordern ein entschiedenes Gegensteuern. Köln/Berlin (KRM, KNA, iz). Sowohl Moscheen als auch Flüchtlingsunterkünfte […]

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Zur Bedeutung der Moscheen

moschee zensus

Allah machte Moscheen zu einem Zuhause und Trost für die Seele, zur Ruhe für das Herz, zur Zuflucht für diejenigen, die sich erinnern, und zu einem Versammlungsort der Muslime. (iz). […]

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Moscheen müssen sich öffnen

moschee

Das Beispiel Kanada zeigt: Ohne Jugend und Frauen verlieren Moscheen weiter an Relevanz.

(The Conversation). Ich wurde relativ jung Witwe. Als Muslimin und alleinerziehende Mutter hatte ich die Pflicht, die Kinder – einen Sohn und eine Tochter – freitags in die Moschee zu bringen, um Trost zu finden und zu beten. Von Tamer Gaber

Doch jedes Mal wurde ich von meinem Sohn getrennt. Er ging in den größeren Gebetsraum für Männer, während meine Tochter und ich in den abgetrennten Bereich für Frauen gingen. Er war noch ein Kind, und ich hatte keine Möglichkeit zu erfahren, wie oder wo er war, bis das Gebet zu Ende war.

Ich suchte ihn in der Menge der Männer, die den Gebetsraum (arab. musalla) verließen. Der Stress und die Angst, von ihm getrennt zu sein, führten dazu, dass ich eine Zeit lang nicht mehr mit ihnen in die Moschee ging.

Moscheen: Genügend Platz für Frauen und andere?

Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich damit verbracht, den Platz und den Raum von Frauen in der Moscheearchitektur zu erforschen. Im Buch „Beyond the Divide. A Century of Canadian Mosque Design“ dokumentiere ich 90 Einrichtungen in meiner Heimat sowie die Räume, die Frauen darin zur Verfügung stehen.

Die Gebäude, in denen ich in Kanada aufwuchs, waren anders als die historischen Einrichtungen und die Große Moschee in Mekka, die ich als junge Gelehrte besuchte.

In den wenigen kanadischen Bauten, die ich in meiner Jugend betrat, war der Raum für Frauen stets eine Überraschung und in ständiger Veränderung begriffen: ein Nebenraum, ein Keller, ein Hinterzimmer – immer mit niedriger Decke und minderwertiger Ausstattung.

In den Gebäuden der Vergangenheit, die ich in Kairo, Istanbul, Tunis, Córdoba und anderswo besucht habe, kam ich dagegen in weite, offene Innenräume, in denen ich alles sehen konnte – auch den Mihrab, die Nische, die die Richtung nach Mekka anzeigt.

Wenn es in diesen historischen Moscheen Räume für Frauen gab, waren sie meist provisorisch und aus neuen Materialien gebaut: eindeutig moderne Anbauten an jahrhundertealte Gebäude, die ursprünglich beide Geschlechter ohne getrennte Räume beherbergt hatten.

In Mekka betete ich während meiner Pilgerreise und führte die Rituale durch, wie es Muslime seit über 1400 Jahren tun, ohne Geschlechtertrennung. Diese Diskrepanz zwischen dem Historischen und dem Modernen war real und verwirrend. In den zeitgenössischen Räumen, in denen ich Gemeinschaft finden sollte, fühlte ich mich architektonisch zweitklassig.

Beim Lesen des Qur’an werden Männer und Frauen aufgefordert, sich in Innenräumen der Niederwerfung vor Gott zu verneigen. An keiner Stelle schreibt Allahs Buch einen baulich abgetrennten Raum für sie vor.

Tradition

Foto: Tyrone Tower, Diyanet USA

Kaum Grundlagen für separate Räumlichkeiten

In sekundären Quellen, den Hadithen, haben Gelehrte im Laufe der Jahrhunderte die Handlungen des Gesandten Allahs interpretiert: Es gibt Beispiele dafür, dass er Männer aufforderte, ihren Blick zu senken, gemischtgeschlechtliche Gruppen in einer spezifischen Weise anzuordnen oder sogar die Gebete zu verkürzen, um die Unannehmlichkeiten von Müttern, die ihre Kinder betreuen, zu mindern.

Die Idee, dass es für Frauen besser sei, zu Hause zu beten, tauchte erst spät im 13. Jahrhundert auf, als kulturelle Interpretation von Rechtsgelehrten wie Ibn Jauzi – und nicht von einer religiösen Anordnung. Im ersten Jahrtausend des Islam wurden Moscheen ohne Geschlechtertrennung gebaut. Zahlreiche historische Texte belegen, dass Frauen in den Gebäuden lernten und lehrten.

Tatsächlich begann die Verbreitung von speziellen, vorgesehenen separaten Räumen in den Bauten erst in der osmanischen Ära. Im 15. Jahrhundert, mit der Eroberung von Konstantinopel (dem heutigen Istanbul), wurde die 1.000 Jahre alte byzantinische Kirche Hagia Sophia in eine Moschee (dann: Aya Sofya) umgewandelt.

Wie viele andere byzantinische Kirchen verfügte sie über separate Gebetsräume für Frauen, darunter den Balkon oder Gynäzeum, ein Element, das in späteren Epochen der Kirchenarchitektur nicht mehr übernommen wurde.

Nach ihrem Vorbild wurden osmanische Moscheen unter Verwendung vieler byzantinischer Elemente erbaut, darunter die Kuppel, die heute am meisten mit Moscheen in Verbindung gebracht wird. Dazu gehörte der separate Balkon, der in einem spezifischem Umfang oder einer bestimmten Größe für Frauen reserviert war.

Foto: Unsplash

Ambivalente Erfahrungen

Während meiner Forschung besuchte und untersuchte ich 90 Moscheen in 53 Städten in ganz Kanada – von Victoria bis St. John’s und von Inuvik bis Iqaluit. Ich habe Moscheebesucher, Vorstandsmitglieder und Architekten befragt. Ich habe jedes Gebäude fotografiert (von außen und innen), mit meinen Forschungsassistenten architektonische Zeichnungen angefertigt, die die Geschlechtertrennung zeigen, und die Geschichte jedes Raumes recherchiert.

In den meisten Moscheen wurde ich herzlich empfangen. In anderen stieß ich auf Vorbehalte oder Zweifel. Im Großen und Ganzen neutralisierte meine akademische Laufbahn mein Geschlecht und „erlaubte“ mir den Zugang zu Räumen, die Männern vorbehalten waren. Mein Geschlecht ermöglichte mir wiederum das Betreten zu Innenräumen für Frauen, die in baulichen Texten so gut wie nie erwähnt oder analysiert werden.

Frauen in Kanada (und in vielen anderen Teilen der Welt) betreten Moscheen oft mit der Unsicherheit, was sie dort erwartet. Gibt es genug Platz zum Beten? Ist der Raum gut beleuchtet und gepflegt? Diese Fragen behindern die Integration und stellen ein ernsthaftes soziales und architektonisches Problem dar.

Offenen Moscheen brauchen angepasste Architekturen

Architekten und Designer zögern vielleicht, die ihnen vorgegebenen Richtlinien für den Entwurf einer Moschee in Frage zu stellen, aus Angst, unsensibel zu sein. Wenn jedoch ein Baumeister beauftragt wird, Räume zu planen, die Mitglieder der Gemeinschaft ungleich behandeln, ist dies ein Problem, das professionelle Kritik erfordert. Wenn ein Architekt eine Turnhalle oder eine Bibliothek entwerfen soll, in der Frauen nur ein Viertel des Raumes mit schlechteren Einrichtungen zur Verfügung steht, würde er das nicht in Frage stellen?

Moscheen mit Mauern, Schranken und getrennten Eingängen senden eine klare Botschaft an muslimische Frauen: Diese Räume sind nicht für uns. Damit sie auch für kommende Generationen relevant und wichtig bleiben, müssen sie sich anpassen und aus den historisch gewachsenen geschlechtsneutralen Normen lernen.

Unter solchen Bedingungen ist Teilhabe und Partizipation nicht möglich – vor allem nicht für jüngere Menschen, die sich sonst überall gleichberechtigt fühlen, nur nicht dort.

Anfang 2023 wurde ich gebeten, als Designberater für islamische Architektur an einem großen Moschee- und Schulprojekt in Edmonton mitzuwirken. Die Schule und die Moschee sollen Platz für 1.500 bis 2.000 Menschen bieten. Schüler, Lehrer, Eltern und andere, die sie nutzen werden, brachten ihre Ideen in das Projekt ein: ein Entwurf ohne Geschlechtertrennung, der eine Reihe von Themen berücksichtigt, die für die Gemeinde und die Region relevant sind.

* Übersetzt und veröffentlicht im Rahmen einer Creative Commons-Lizenz.

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Moscheen: IGMG sieht mögliche Überforderungen durch Heizungsgesetz

Heizungsgesetz

Das neue Heizungsgesetz könnte nach Ansicht von IGMG-Generalsekretär Ali Mete manche Moscheen finanziell überfordern.

Köln. Anlässlich des nun beschlossenen und vorab debattierten Heizungsgesetz erklärte Ali Mete, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), sein Verband begrüße das neue Regelwerk „aus Gründen des Klimaschutzes“. Gleichzeitig herrschten Sorgen, sie würde manche Moscheen finanziell überfordern.

Seit den rapiden Preissteigerungen als Folge des Ukrainekrieges, Inflation und Gewinnmitnahmen ab Anfang 2022 wurden viele Moscheegemeinschaften in ganz Deutschland von erheblichen Mehrbelastungen geplagt.

Das führte nicht nur zu mehreren Initiativen für weitreichende Maßnahmen für Energieeinsparungen in Moscheen sowie dem Aufruf nach innovativen Lösungen. Beim letztjährigen Tag der Offenen Moschee (TOM) 2022 standen die Themen Energie- und Klimakrise auf der Tagesordnung.

Pressebild: IGMG

Heizungsgesetz: IGMG legt Wert auf Klimaschutz

„Die Islamische Gemeinschaft legt großen Wert auf Umwelt- und Klimaschutz. Wir prüfen im Rahmen der Möglichkeiten stets sorgsam, dass Moscheen möglichst klimafreundlich sind“, erläuterte Mete am 14. Juni. Bei Neubauten oder bei Um- und Nachrüstungen sei die Devise der IGMG, auf möglichst umweltfreundliche Alternativen zu setzen. Vor diesem Hintergrund begrüße man das geplante Heizungsgesetz.

Foto: Deutscher Bundestag, Tobias Koch

Sorge um mögliche Mehrbelastungen

Parallel würde laut seiner Erklärung Sorge entstehen, dass einige Moscheegemeinschaften die sich ergebenden Mehrkosten „nicht stemmen“ könnten. Als in ihrer Mehrheit als eingetragene Vereine hänge die Mehrheit von Spenden- und Mitgliederbeiträgen ab.

Mete forderte die Bundesregierung auf, „die Sorge ihrer Bürgerinnen und Bürger vor finanziellen Mehrbelastungen bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen und Lösungen zu erarbeiten“. Auch die MuslimInnen in Deutschland wollten ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das würden zahlreiche erfolgreiche Umweltschutzprojekte belegen. „Es wäre schade, wenn diese Motivation durch ein überforderndes Regelwerk konterkariert werden würde.“

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Mehr Hassverbrechen in 2022 gegen Kirchen, Moscheen und Muslime

Hassverbrechen Polizei muslime

Hassverbrechen gegen Kirchen, Moscheen und Muslime sind laut BKA 2022 im Vergleich zu 2021 gestiegen. (IZ/KNA). Die Zahl der Straftaten gegen Kirchen, Moscheen und religiöse Symbole ist im vergangenen Jahr […]

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Mehr Hassverbrechen in 2022 gegen Kirchen, Moscheen und Muslime

Hassverbrechen kurzmeldungen Weihnachtsmarkt

Hassverbrechen gegen Kirchen, Moscheen und Muslime sind laut BKA 2022 im Vergleich zu 2021 gestiegen.

Berlin (KNA/iz). Die Zahl der Straftaten gegen Kirchen, Moscheen und religiöse Symbole ist im vergangenen Jahr gegenüber 2021 gestiegen. Zugleich gab es weniger Angriffe auf Synagogen. Das geht aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Statistik „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022“ des Bundeskriminalamts (BKA) hervor.

Foto: Mimar Sinan Camii DITIB Berlin, Facebook

Kirchen und Moscheen: Hassverbrechen nahmen zu

Die Zahl der Übergriffe auf Kirchen stieg demnach von 106 auf 118 und damit um gut 11 Prozent. Darunter waren 56 Sachbeschädigungen und 28 Propagandadelikte. Gegen Moschen wurden 62 Straftaten verübt, 14 Prozent mehr als 54 im Jahr 2021. Auch hier handelte es sich vor allem um Sachbeschädigungen und Propagandadelikte, für die mehrheitlich Rechtsextremisten verantwortlich gemacht wurden.

Am deutlichsten war der Anstieg bei Hassverbrechen gegen religiöse Symbole: Hier stieg die Zahl von 46 auf 64, das heißt um knapp 40 Prozent.

Insgesamt nahmen die Straftaten mit „Oberangriffsziel Religionsgemeinschaften“ – wie es in dem Bericht heißt – leicht ab. Der Rückgang sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Straftaten gegen „religiöse Repräsentanten“ gegenüber 2021 um rund zehn Prozent – von 3.114 auf 2.804 Fälle – zurückging. Die Deliktzahl „im Zusammenhang mit Religionsgemeinschaften“ war ebenfalls rückläufig – von 283 auf 233.

Polizeischutz vor einer Synagoge in Berlin. (Foto: Tobias Arhelger, Shutterstock)

Abnahme von antisemitischen Fällen kein Grund zur Entwarnung

Am deutlichsten war der prozentuale Rückgang bei Übergriffen auf Synagogen. Hier verzeichneten die Sicherheitsbehörden im Berichtsjahr 28 Straftaten gegenüber 49 im Jahr 2021. Dabei handelte es sich vor allem um Sachbeschädigungen und Volksverhetzung, wofür ebenfalls mehrheitlich extrem rechte Täterkreise verantwortlich gemacht wurden.

Auch die Zahl der antisemitischen Straftaten ging 2022 um knapp 13 Prozent auf 2.641 zurück. BKA-Präsident Holger Münch sieht darin aber keinen Grund zur Entwarnung. Er verwies darauf, dass die judenfeindlichen Straftaten 2021 mit 3.027 Delikten einen Höchststand erreicht hatten. 

Zudem sei die Zahl der antisemitischen Gewaltdelikte mit 88 Fällen gegenüber 64 im Vorjahr sogar gestiegen. Münch ergänzte, dass ein Anstieg des „islamistisch“ geprägten Antisemitismus zu beobachten sei, auch wenn die große Mehrheit der Delikte weiterhin offenbar im rechten Spektrum zu verorten sei.

Muslimfeindlichkeit

Foto: Prostock-studio, Shutterstock

KRM-Specher Murat Gümüş beklagt drastische Zunahme bei Angriffen

„Muslime werden beleidigt, bespuckt, angegriffen, Musliminnen werden Kopftücher heruntergerissen. Und das in der Bahn, im Bus, im Supermarkt oder auf Klassenfahrt.“ Allein in den vergangenen zwei Wochen habe man mindestens sieben solcher Angriffe registriert, sagte Murat Gümüş, Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM).

Sein Gremium verzeichne derzeit „eine deutliche Zunahme“ bei Angriffen auf Muslime. Diese Würden beleidigt und angegriffen. Man reiße ihnen die Kopftücher herunter. Dabei bezog er sich auch auf den Fall muslimischer SchülerInnen auf einem Ausflug in ein Ferienlager in Brandenburg. „Und das sind nur die Fälle, die bekannt wurden. Es ist davon auszugehen, dass vieler solcher Fälle gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden.“

Der KRM-Sprecher forderte die Politik im Namen seiner Organisation auf, in allen Bereichen entschiedener zu bekämpfen. In den Bundesländern, insbesondere in Berlin. Namentlich verwies er auf Anstiege in Ostdeutschland und der Hauptstadt. So müsse die Anzahl des Sicherheitspersonals vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich erhöht werden, um Muslime und andere angefeindete Gruppierungen in ihrem Alltag zu schützen.

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Politische Kriminalität hat insgesamt zugenommen

Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat im vergangenen Jahr mit knapp 60.000 Delikten einen Höchststand seit Einführung der Statistik 2001 erreicht. BKA-Präsident Münch beklagte Radikalisierungstendenzen. Das gelte besonders für den Rechtsextremismus und die Hasskriminalität. Mit 24.080 Fällen stieg allerdings die Zahl jener Verbrechen am stärksten, die aufgrund ihrer „diffusen ideologischen Motivation“ politisch nicht eindeutig zuzuordnen waren. Allein 14.000 davon entfielen auf Proteste gegen Einschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie.

Am zweithöchsten war die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten mit knapp 23.500 Fällen und 1.170 Gewalttaten. Damit waren sie für rund 41 Prozent aller erfassten Opfer politisch motivierter Gewalt verantwortlich. Laut Münch bleibt Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die freiheitliche Grundordnung. Die Zahl linksextremer Straftaten sank um rund 31 Prozent auf gut 7.000 Fälle. Das bedeute aber keine Entwarnung, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.