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Historikerin Terhoeven: „Opfer sind unbequem für die Gesellschaft“

Opfer Terror Rassismus Hanau Kurtović

Gesellschaftliche Hierarchien spiegeln sich auch im Umgang mit Opfern. Es gibt Betroffene, die eine größere Lobby haben und erfolgreicher für ihre Belange werben können.

Göttingen (KNA). Terroranschläge, Amokläufe oder Mordserien: Immer wieder haben schwere Verbrechen die Gesellschaft in den vergangenen Jahren erschüttert. Während sich die breite Aufmerksamkeit schnell wieder verschiebt, bleiben solche für Überlebende und Hinterbliebene eine Zäsur. Im Umgang mit ihnen hat sich viel verbessert, sagt die Historikerin Petra Terhoeven. Im Interview der KNA spricht sie darüber, welche Probleme dennoch weiterhin bestehen. Von Paula Konersmann

Umgang mit Opfern hat sich verbessert

Frage: Frau Professorin Terhoeven, wie bewerten Sie den gesellschaftlichen Umgang mit Menschen, die von gravierenden Verbrechen betroffen sind?

Terhoeven: Das lässt sich so allgemein schwer beantworten. Tendenziell hat sich der Umgang mit Opfern in den vergangenen Jahrzehnten verbessert – was allerdings nicht bedeutet, dass nicht nach wie vor massive Fehler gemacht werden. Dafür spielen unterschiedliche Rahmenbedingungen eine Rolle, zum Beispiel das Internet.

Foto: Tinnakorn, Shutterstock

Frage: Inwiefern?

Terhoeven: Online wird Menschen, die Leid erfahren haben, bisweilen übel mitgespielt, und es ist viel schwieriger, sie zu schützen. Nach jedem Autounfall gibt es Leute, die Bilder davon im Netz veröffentlichen. Dagegen ist die Sensibilität für das Thema sowohl in der Politik als auch in den seriösen Medien und in der Wissenschaft gewachsen. Manche Fachleute sprechen von einem „turn to the victim“: Sie sehen diese Hinwendung zu den Opfern als entscheidenden Wendepunkt.

Frage: Kann man diesen Wendepunkt zeitlich verorten?

Terhoeven: Jan Philipp Reemtsma, der durch seine Entführung selbst Opfer einer fürchterlichen Gewalttat war, vertritt die These, dass der Wandel eingesetzt hat, als man begonnen hat, den Überlebenden der Schoah zuzuhören.

1976 ist das Opferentschädigungsgesetz in Kraft getreten, in den 80er Jahren wurde in der Folge auch der Status von Opfern vor Gericht stark aufgewertet. In dieser Zeit sind zudem zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Weiße Ring entstanden. 1980 erfolgte der Eintrag von posttraumatischen Belastungsstörungen in das internationale Manual für psychische Probleme, das DSM. Seither werden Traumata viel stärker anerkannt.

Foto: ZUMA Press, Inc. / Alamy Stock Photo

Folge vergangener Terroranschläge

Frage: Welche Rolle spielen die Anschläge der vergangenen 20, 25 Jahre?

Terhoeven: Im Anschluss an den 11. September 2001, wo 3.000 Menschen gleichzeitig Opfer eines terroristischen Anschlags wurden, haben Angehörige für ihre Belange gestritten – und waren dabei erfolgreich. Was die Opfer rechter Gewalt angeht, muss man die Zäsur deutlich später setzen. Da hat es eine sehr lange Missachtung gegeben, eine gesellschaftliche Nicht-Anerkennung. Das hat sich erst nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 teilweise geändert.

Frage: Durch die Terror-Anschläge der jüngeren Vergangenheit ist das Thema näher gerückt …

Terhoeven: Deswegen ist es so wichtig, dass es einen Opferschutzbeauftragten der Bundesregierung gibt, an den sich Betroffene mit ganz konkreten Anliegen wenden können. Oder auch Gedenktage: Ich befasse mich vor allem mit den Opfern von Terrorismus, ihnen ist der 11. März als europäischer Gedenktag gewidmet. Seit 2022 wird der Tag auch bei uns begangen. An diesem Tag im Jahr 2004 wurden Vorstadtzüge in Madrid angegriffen, dabei starben 193 Menschen, und über 2.000 wurden verletzt.

Foto: Pixnio, Amanda Mills

Was sich ändern muss

Frage: Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Terhoeven: Die Entwicklungen, die ich beschrieben habe, sind in vielerlei Hinsicht zwiespältig. Es ist auf jeden Fall ein zivilisatorischer Fortschritt, dass es weniger Misstrauen gibt, dem Opfer über Jahrhunderte ausgesetzt waren.

Zugleich gibt es den Begriff „Opfer“ weiterhin als Schimpfwort, insbesondere auf Schulhöfen. Viele Betroffene wollen nicht als Opfer bezeichnet werden, weil sie genau dieses Stigma fürchten, die Unterstellung, man versuche sich unrechtmäßige Vorteile zu erschleichen. Daher kann man nur bedingt von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

Frage: Sie haben das Thema NSU angesprochen. Was sagt das über die Wahrnehmung verschiedener Gruppen von Betroffenen aus?

Terhoeven: Gesellschaftliche Hierarchien spiegeln sich auch im Umgang mit Opfern. Es gibt Betroffene, die eine größere Lobby haben und erfolgreicher für ihre Belange werben können. Da andere weniger präsent sind, gibt es weiterhin so etwas wie eine Opferkonkurrenz. Dabei ist es ein Unding, das eine Leid gegen das andere aufzurechnen. Es sollte keine Rolle spielen, ob jemand Opfer eines rechts- oder linksextremen oder auch islamistisch motivierten Anschlags geworden ist.

Foto: DVIDSHUB, via flickr | Lizenz: CC BY 2.0

Eine Frage der Begriffe

Frage: Welchen Unterschied macht es, ob man etwa von „Opfern“, „Überlebenden“ oder „Betroffenen“ spricht?

Terhoeven: Jeder Begriff hat Vor- und Nachteile. Letztlich gilt das Veto der Betroffenen: Wenn jemand sagt, er möchte mit einem bestimmten Begriff nicht bezeichnet werden, dann sollte man das selbstverständlich respektieren. Zugleich fände ich es problematisch, auf den Begriff „Opfer“ vollkommen zu verzichten. Der Kultursoziologe Hans-Joachim Höhn argumentiert, wo auf Begriffe verzichtet wird, da werden bald auch Phänomene ignoriert. Der Begriff kann also auch dazu dienen, Gewalt als illegitim zu markieren.

Frage: Das führt auch zur Frage nach Anerkennung von Leid …

Terhoeven: … nach der Anerkennung eines Leids, das nicht wiedergutzumachen ist – oder nach der Anerkennung einen unwiederbringlichen Verlustes. Für Betroffene kann es wichtig sein, zu vergessen und sich aus dem Opferstatus zu befreien. Aber darüber darf niemand Außenstehendes entscheiden. Opfer sind unbequem für eine Gesellschaft, die lieber verdrängen möchte, wie verletzlich wir alle sind. Die mangelnde Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, kann eben auch zur Abwertung von Opfern führen: Die sind nicht ernstzunehmen, die sind nicht objektiv, die geben sich mit nichts zufrieden.

Frage: Sie sprechen auch von einem „Stigma durch Hilflosigkeit“. Was ist damit gemeint?

Terhoeven: Unter einem Opfer stellen sich viele Menschen jemanden vor, der passiv ist. Auf diese Rolle werden Betroffene zu Recht ungern festgelegt. Im Englischen wird unterschieden zwischen „victim“ und „sacrifice“, und im Begriff „victim“ steckt schon sprachgeschichtlich viel von dieser Passivität. Die lateinische Wurzel des Wortes verweist auf das besiegt- oder festgebunden werden.

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Debatte: Würde ist positiver als Ehre

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Während Ehre das Selbst ist, wie es von anderen wahrgenommen wird, wird Würde von Gott aufgrund unseres Menschseins verliehen. (Renovatio). Kinder, vor allem in den ersten Lebensjahren, nehmen die Normen […]

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Daesh-Mörder töten über 50 Menschen in Syrien

Daesh Terror Syrien Irak

Die Terrorgruppe Daesh ist zwar in Syrien militärisch besiegt, allerdings gibt es weiterhin aktive Zellen, die Anschläge verüben. So auch am Freitag im Osten des Bürgerkriegslandes.

Damaskus (dpa). Bei einem Anschlag der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien sind nach Angaben von Aktivisten und Staatsmedien mindestens 53 Menschen getötet worden. 46 der Opfer seien Zivilisten gewesen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitagabend mit. Sieben waren demnach syrische Soldaten. Der Angriff ereignete sich in der Stadt Al-Suchna im Osten des Landes.

Angriffe auf Zivilisten

Die Terroristen seien mit Maschinenpistolen bewaffnet und auf Motorrädern unterwegs gewesen, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur. Zunächst attackierten sie demnach einen Checkpoint und töteten dabei die Soldaten. Anschließend hätten sie auf einem Feld „wahllos“ auf die Zivilisten geschossen. Die Menschen suchten den Angaben nach dort nach Trüffeln. Neben einigen Opfern gelang der Beobachtungsstelle zufolge auch allen Terroristen die Flucht.

Die Staatsagentur Sana berichtete unter Berufung auf das zuständige Krankenhaus, dass Mediziner nach dem Anschlag neben Leichen mit Kopfschüssen auch fünf aufgrund von Granatsplittern Verletzte untersucht hätten. Unklar blieb zunächst, ob die Attentäter ihre Opfer auch mit Sprengsätzen oder ausschließlich mit Schüssen töteten.

Bereits vor einigen Tagen hatten IS-Extremisten etwa 75 Trüffel-Sucher in der Region entführt und schließlich 16 von ihnen getötet, wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Dutzende werden demnach noch vermisst.

Wichtiger Stützpunkt von Daesh

Die Wüstenstadt Al-Suchna liegt in der zentralen Provinz Homs und wurde 2015 zur strategisch wichtigen IS-Bastion, bevor syrische Regierungstruppen die Terrormiliz zwei Jahre später von dort vertrieben.

Der IS kontrollierte vor Jahren weite Gebiete in Syrien und dem benachbarten Irak. Inzwischen ist der IS dort zwar militärisch besiegt, allerdings gibt es weiterhin aktive Terroristenzellen in beiden Ländern, die Anschläge verüben.

Teil regionaler Machtverhältnisse

Die Gebiete um Al-Suchna werden von den Regierungstruppen und pro-iranischen Milizen kontrolliert. Der Iran und Russland sind im Krieg die wichtigsten Unterstützer von Syriens Präsident Baschar al-Assad. Russische Streitkräfte haben in den vergangenen Monaten mehrere Verstecke des IS in der Wüste ausfindig gemacht und Dutzende Anhänger des Terrornetzwerks getötet.

Der IS sieht in Assad eine Marionette Moskaus und Teherans. In den iranischen Milizen, die zumeist Schiiten sind, sehen die sunnitischen Terroristen einen Erzfeind.

Das US-Verteidigungsministerium hatte kurz vor Bekanntwerden des Anschlags mitgeteilt, dass das US-Militär im Nordosten Syriens ein hochrangiges IS-Mitglied bei einem Hubschrauberangriff getötet habe.

In Syrien tobt seit fast zwölf Jahren ein Bürgerkrieg, in dem nach UN-Schätzungen mehr als 350.000 Menschen starben.

Der Nordwesten des Landes wurde zudem am Montag vergangener Woche von heftigen Erdbeben erschüttert, Tausende starben. Al-Suchna war von den Beben nicht betroffen. Die Mitglieder des Islamischen Staates nutzen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge aus, das sich die Öffentlichkeit derzeit mit den verheerenden Erdbeben beschäftigt, um Anschläge zu verüben.

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Zerstörungen nach Erdbeben werden sichtbarer: Opferzahl steigt auf mehr als 37.500

Erdbeben

Istanbul/Damaskus (dpa/IZ/KNA). Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet ist die Zahl der Opfer auf mehr als 37.500 gestiegen. Alleine in er Türkei gebe es inzwischen 31.643 Todesopfer, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde Afad. Mehr als 80.000 Menschen wurden demnach verletzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Opferzahl in Syrien mindestens 5.900; tausende Personen werden vermisst.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte die erste Erschütterung der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr (MEZ) die Region erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Erdbeben (7,6). Das Epizentrum lag in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Die Katastrophenschutzbehörde Afad registrierte bislang mehr als 2.400 Nachbeben. In der Türkei sind zehn Bezirke von dem Beben betroffen – dort gilt inzwischen ein dreimonatiger Ausnahmezustand.

Insbesondere in Syrien ist es schwierig

Inzwischen berichten HelferInnen von wachsender Verzweiflung. Viele Menschen könnten nicht in ihre Gebäude zurück, „weil sie stark einsturzgefährdet sind. Es gibt nur eine rudimentäre technische Ausstattung und Gerätschaft, um die Häuser zu stabilisieren und den Schutt wegzuräumen“, sagte der Projektkoordinator des katholischen Hilfswerkes missio Aachen in Syrien, Robert Chelhod, am Sonntag.

Zudem fühlten sich viele Menschen nach den Jahren des Bürgerkriegs in Syrien „einfach kraftlos“, sagte er. „Wir hatten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, aber die Verzweiflung greift nach dieser Katastrophe immer mehr um sich. Wer kann, verlässt Aleppo und flieht.“ Die HelferInnen wollten dennoch weitermachen „und gegen alle Hoffnung hoffen“.

„Wir hoffen, dass weitere Grenzübergänge für Hilfslieferungen geöffnet werden und mehr Hilfe in die Region gebracht werden kann“, sagte Oliver Hochedez, der die Nothilfe von Malteser International koordiniert. „Unsere syrischen Partnerorganisationen haben von uns finanzielle Hilfe bekommen, um auf dem syrischen Markt verfügbare Güter wie Lebensmittel und Decken einkaufen und schnell verteilen zu können.“ In Syrien gestalten sich Hilfsprojekte und Rettungsaktionen schwierig, weil das Erdbebengebiet im Norden von unterschiedlichen Seiten kontrolliert wird.

Corinne Fleischer, Regionaldirektorin für den Nahen Osten, Nordafrika und Osteuropa beim Welternährungsprogramm, sagte, das WFP sei in der Türkei und Syrien vor dem Beben stark präsent gewesen. Dies habe ermöglicht, eigene Mitarbeiter, Logistikkapazitäten und Partner sofort zu mobilisieren. Im Nordwesten Syriens hängen laut dem UN-Hilfswerk 4,1 Millionen Menschen von humanitärer Hilfe ab – 90 Prozent der Bevölkerung. Fast drei Millionen lebten als Vertriebene des Syrien-Konflikts trotz eisiger Temperaturen in Zelten, Behelfsunterkünften oder verlassenen Gebäuden. Die Beben hätten die akute Krise weiter verschlimmert.

Schnelle Hilfen aus dem Ausland

Auch Teams von mehreren Hilfsorganisationen aus Deutschland sind seit Tagen in dem Erdbebengebiet im Einsatz. 43 Prozent der Menschen in Deutschland haben laut einer Umfrage für die Opfer in den Erdbebenregionen gespendet oder wollen es tun.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am 2. Februar in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu. Über das sogenannte EU-Katastrophenschutzverfahren wurden der Türkei nach Angaben vom Sonntag schon jetzt 38 Rettungsteams mit 1.651 Helfern und 106 Suchhunden angeboten. Zudem hätten zwölf EU-Staaten 50.000 winterfeste Familienzelte, 100.000 Decken und 50.000 Heizgeräte zur Verfügung gestellt. Hinzu kämen 500 Notunterkünfte, 8.000 Betten und 2.000 Zelte, die die Kommission mobilisiert habe.

Bundesregierung will Einreisebestimmungen erleichtern

Die Bundesregierung kündigte an, die Visavergabe über ein unbürokratisches Verfahren zu vereinfachen, damit Betroffene zeitweilig bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. Betroffene des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Verwandten in sollen offenbar erleichtert mit Visa einreisen dürfen: Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt. „Es geht um Hilfe in der Not“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der Zeitung.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, Gökay Sofuoglu, rief die Behörden im Redaktionsnetzwerk Deutschland dazu auf, bei der Vergabe tatsächlich schnelle Entscheidungen zu treffen. „Es wird für alle ein Aufwand sein, aber in dieser schwierigen Lage sollten die Behörden sowohl in Deutschland, aber auch in der Türkei alles daran setzen, dass diese Menschen reisen können.“

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte „die Zusage, weitere Finanzmittel bereitzustellen und alle mit der Flüchtlingsaufnahme verbundenen Kosten zu erstatten“. Für den kommenden Donnerstag hat Ministerin Faeser einen Flüchtlingsgipfel angekündigt. Eingeladen seien unter anderen die kommunalen Spitzenverbände und die Länder.

UN-Agentur will bis zu 500.000 Betroffene versorgen

 Nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat auch das Welternährungsprogramm WFP seine Nothilfe mobilisiert. Bis zum 4. Februar habe man fast 64.000 Menschen in beiden Ländern erreicht, teilte die UN-Organisation mit Hauptsitz Rom mit. Geplant sei, eine halbe Million Menschen zu versorgen. Das Hilfswerk forderte, ungehinderten Zugang nach Nordwest-Syrien zu gewähren, und rief die Staatengemeinschaft zu Spenden in Höhe von umgerechnet 43 Millionen Euro auf.

Im Südosten der Türkei nahe dem Epizentrum koordiniert das WFP der Mitteilung zufolge gemeinsam mit den Behörden die Verteilung von Familien-Nahrungsmittelpaketen in provisorischen Camps, in denen neben syrischen Flüchtlingen nun auch türkische Erdbebenopfer leben. In Gebieten, in denen Versorgungsketten und die Belieferung von Supermärkten unterbrochen ist, könne man für ein bis zwei Wochen Lebensmittel bereitstellen, bis sich die Lage stabilisiere.

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Neuköllns Bezirksbürgermeister: Migranten waren auch Opfer der Gewalt

Silvester Vorname jahresrückblick

Berlin (dpa). Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) hat nach den Silvester-Krawallen davor gewarnt, Menschen mit Migrationshintergrund in dem Berliner Bezirk pauschal zu Tätern zu erklären.

In Teilen Neuköllns hätten bis zu 90 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte, sagte Hikel am Mittwochabend in den ARD-„Tagesthemen”. „Ein Großteil der Menschen lebt hier friedlich, und ein Großteil ist auch unter den Betroffenen, die Opfer von dieser Gewalt geworden sind“, sagte er.

Entscheidend sei stattdessen, die ermittelten Täter schnell vor Gericht zu stellen und zu verurteilen, betonte Hikel. Angesichts der begangenen Straftaten seien dabei Haftstrafen von bis zu fünf Jahren möglich. Der Bezirksbürgermeister hatte sich zuvor auch für ein Verkaufsverbot von Feuerwerk ausgesprochen.

Teile des Bezirks Neukölln waren einer der Schwerpunkte bei den Vorfällen in der Silvesternacht. In mehreren Städten kam es zu Krawallen, bei denen auch Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr angegriffen wurden.

In Berlin wurden 145 Menschen vorläufig festgenommen, die meisten davon Männer. Laut Polizei wurden 18 verschiedene Nationalitäten erfasst: 45 der Verdächtigen hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, danach folgten 27 Verdächtige mit afghanischer Nationalität und 21 Syrer.

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Amnesty dokumentiert Gewalt im Iran und fordert Untersuchung

Währung

Schläge, Tritte und scharfe Munition: Amnesty International spricht von massiver Gewalt von Sicherheitskräften gegen Demonstranten im Iran und fordert eine UN-Untersuchung. Für Journalisten wird es derweil immer schwerer, über die Proteste zu berichten.

Teheran/Berlin (dpa). Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Gewalt gegen Demonstranten im Iran dokumentiert und fordert eine internationale Untersuchung. Sicherheitskräfte setzten etwa scharfe Munition, Schrotkugeln und andere Metallgeschosse ein. Es gebe zudem Berichte über massive Schläge sowie geschlechtsspezifische und sexualisierter Gewalt gegen Frauen, teilte die Organisation am Donnerstag mit.

Amnesty habe zudem den Tod von Dutzenden Frauen, Männern und Kindern dokumentiert, gehe aber von einer noch höheren Zahl von Todesopfern aus. Staatsmedien berichten bislang von mehr als 40 Toten. Die Tötung von Demonstranten müsse im Rahmen eines UN-Mechanismus untersucht werden, forderte Amnestys Generalsekretärin Agnès Callamard.

Im Iran dauern die Proteste derweil an. Sie waren vor mehr als zehn Tagen durch den Tod der 22 – jährigen Mahsa Amini ausgelöst worden und richten sich inzwischen gegen das islamische System im Iran. Eine weitere Journalistin, die über die Demonstrationen berichten wollte, wurde festgenommen, wie am Donnerstag bekannt wurde. Die reformorientierte „Hammihan“-Zeitung berichtete im Nachrichtenkanal Telegram, dass Elahe Mohammadi zunächst von der Justizbehörde einbestellt, aber schon auf dem Weg dorthin festgesetzt worden sei.

Genaue Angaben zur Anzahl der inhaftierten Journalisten gibt es nicht, aber die Rede ist von Dutzenden. Darunter ist Nilufar Hamedi  –  die Reporterin der Reformzeitung „Shargh“ war die erste, die den Tod von Masha Amini publik gemacht hatte.

Die Sittenpolizei hatte Amini wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ festgenommen. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften für Frauen. Was genau nach Aminis Festnahme geschah ist unklar. Die junge Frau war ins Koma gefallen und am 16. September in einem Krankenhaus gestorben. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück und spricht von Herzversagen.

Die Familie Amini soll die mutmaßlich involvierten Polizisten nach Angaben ihres Anwalts inzwischen angezeigt haben. Seit dem Tod der 22-Jährigen demonstrieren landesweit Menschen gegen den repressiven Kurs des islamischen Systems. Als Reaktion hat die Regierung den Zugang zum Internet stark eingeschränkt  –  Informationen dringen nur schwer nach außen.

Präsident Ebrahim Raisi stimmte in einem Fernsehinterview am Mittwochabend einerseits versöhnliche Töne an, kündigte aber zugleich erneut ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten an. Man sollte die „Toleranzschwelle“ auch mit Blick auf Proteste erhöhen, so Raisi. Er sprach zudem von einer möglichen Reform von Gesetzen, ließ dabei jedoch offen welche. Raisi warnte aber auch: Die Polizei werde konsequent gegen „Randalierer“ vorgehen.

Die Proteste finden landesweite Unterstützung, viele befürchten aber auch langfristig Chaos oder gar einen Bürgerkrieg. Wegen der Situation müssen Händler ihre Läden ganz oder früher schließen. Hinzu kommt die Internetsperre, die de facto alle Online-Geschäfte lahmgelegt hat. Das schadet der iranischen Wirtschaft, die ohnehin schon unter internationalen Sanktionen leidet. Unklar ist bislang, was das Ergebnis der Proteste sein könnte. Der Umsturz des Systems scheint bislang unrealistisch, auch weil weder im In –  noch im Ausland eine ernstzunehmende Opposition existiert.

Zahl der Toten bei Flutkatastrophe in Pakistan steigt weiter

Klima-Extreme

Islamabad (dpa).- Die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan haben jüngsten Angaben der Behörden zufolge bereits mehr als 1160 Menschen das Leben gekostet. Seit Mitte Juni sei die Zahl der Toten auf 1162 gestiegen, darunter befänden sich auch 384 Kinder, teilte die nationale Katastrophenschutzbehörde am Mittwoch mit. Es werde mit weiter steigenden Zahlen gerechnet.

Die UN und Pakistans Regierung stellten am Dienstag in Genf einen ersten Hilfsplan für sechs Monate vor, für den nun 160 Millionen Dollar (rund 160 Mio Euro) benötigt werden. UN-Generalsekretär António Guterres werde kommende Woche zu einem Solidaritätsbesuch nach Pakistan reisen, sagte ein UN-Sprecher.

Das südasiatische Land mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern leidet seit Mitte Juni unter ungewöhnlich starkem Monsunregen. Mehr als 33 Millionen Menschen in 116 der 160 Bezirke Pakistans sind den Angaben zufolge von den Überschwemmungen betroffen.

Vor allem in der Provinz Belutschistan im Südwesten zerstörten Überschwemmungen Ackerland mit Ernten, Häuser und Infrastruktur. Auch der Nordwesten hat wegen der Fluten inzwischen mit großen Schäden zu kämpfen. Naturkatastrophen wie Fluten, Dürren und Erdrutsche haben in Pakistan in den vergangenen Jahren zugenommen. Experten schreiben dies dem Klimawandel zu.

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Eine Bilanz des „Anti-Terror-Kriegs“

20 Jahre nach dem 11. September 2001 ist der Westen mit seinem „Anti-Terror-Krieg“ gescheitert, hat aber Millionen Menschen umgebracht und ganze Länder zerstört. BERLIN/WASHINGTON (GFP.com). Millionen Todesopfer, grassierende Armut, Dutzende […]

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Nach Xaver: Die Naturgewalten sind offenkundige Zeichen der Macht Allahs

(iz). Ein Wintersturm zog im Dezem­ber über Deutschland hinweg. Stürme sind ein religiöses Ereignis. Solch eine Naturerscheinung ist – egal wie groß – ein Hinweis auf etwas größeres. Es ist […]

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Wie ist die Lage der Menschen in Gaza? Interview mit dem humanitären Helfer Dr. Mahmoud Almadhoun von Islamic Relief

(iz). Während die Zivilbevölkerung im Gazastreifen unter einem erneuten sinnlosen Krieg zu leiden hat, bemühen sich verschiedene internationale Organisationen zumindest um die Linderung der schwierigsten Versorgungsengpässe und der bedrohlichsten Mängel. Dabei müssen sie, wie unabhängige Journalisten, darauf achten, dass sie nicht selbst in die Schusslinie dieses Konfliktes geraten, der sich zu einem Bodenkrieg ausweiten könnte.

Dr. Mahmoud Almadhoun von Islamic Relief ist einer von ihnen. Almadhoun ist seit 2008 als Manager für das Personalwesen und die Qualitätssicherung sowie im Komitee für die Geschäftsführung aktiv. Während er mit einem Team der Hilfsorganisation in deren Kairoer Räumlichkeiten auf Grünes Licht für eine sichere Einreise nach Gaza wartete, sprachen wir mit ihm über die Lage, die Menge der bisherigen Opfer und den Mangel an wichtigen Gütern.

Islamische Zeitung: Sie stehen kurz davor bereit, mit Ihrem Team der Hilfsorganisation Islamic Relief nach Gaza einzureisen. Wie sieht die dortige Lage aus?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Ich bin seit drei Tagen in Kairo damit beschäftigt, die Lage in Gaza zu beurteilen. Eigentlich wollten wir heute mit einem Team nach Gaza fahren, aber wir konnten nicht. Die Sicherheitslage ist so brenzlig geworden, dass es bisher nicht möglich war. Auch aus Telefonaten mit meiner Familie in Gaza wurde deutlich, dass die momentane Lage mit dem Gazakrieg 2009 [die israelische Operationen „Gegossenes Blei“] zu vergleichen ist. Unser Palästina-Büro in Gaza hat uns kontaktiert und uns absolut von einem Kommen abgeraten. Die Lage ist vollkommen unübersichtlich und es bestehen keinerlei Möglichkeiten, den Schutz unserer Sicherheit zu gewährleisten.

Islamische Zeitung: Wie erlebte die Zivilbevölkerung die Angriffe der letzten vier Tage?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Die Situation ist sehr schwierig. Das Leben hat total aufgehört zu funktionieren. Die Kinder gehen nicht zur Schule. Die Leute bleiben zu Hause. Alle Menschen haben Angst und können überhaupt nicht schlafen, weil der kontinuierliche Beschuss aus der Luft und von See seit fünf Tagen sehr stark ist. Die Häuser wackeln genau wie bei einem Erdbeben.

Islamische Zeitung: Ist die Lage mit dem israelischen Angriffen bei der Operation „Gegossenes Blei“ im Jahre 2009 zu vergleichen?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Ja, unbedingt. Ich habe diese Frage mehrfach gestellt, auch unserem Büro von Islamic Relief in Gaza, und es sieht bisher genauso aus wie im Jahre 2009. Es ist noch nicht ganz so stark, aber die Gesamtlage sieht vergleichbar aus.

Islamische Zeitung: Es gibt in Deutschland Medienberichte, die von einem Ende der Aktion sprechen, da Israel angeblich beinahe sämtliche Raketendepots zerstört haben soll. Ist das glaubwürdig oder rechnen die Menschen in Gaza mit einem Einmarsch israelischer Bodentruppen?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Die arabische Webseite von Al Jazeera behauptete heute morgen so ziemlich das Gegenteil. Die israelische Regierung wolle noch weitermachen und hätte zusätzliche Einheiten mobilisiert. Laut Al Jazeera würde sich Israel auf eine Ausweitung der Operationen vorbereiten.

Islamische Zeitung: Gibt es verlässliche Zahlen zu Getöteten und Verletzten der ersten fünf Tage?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Wir wissen von 52 Personen, die bei den Angriffen getötet wurden. Darunter waren 15 Kinder, wobei das jüngste elf Monate als war. Über die Verletztenzahlen habe ich keine genauen Angaben.

Islamische Zeitung: Während der Operation „Gegossenes Blei“ funktionierten ja noch die Krankenhäuser vom Roten Kreuz und vom UNHCR teilweise. Arbeiten sie dieses Mal immer noch?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Doch, sie arbeiten jetzt immer noch.

Islamische Zeitung: Welche Projekte unterhielt Islamic Relief bis jetzt in Palästina?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Islamic Palästina wurde 1998 gegründet und momentan haben wir 102 Mitarbeiter. Augenblicklich betreiben wir 39 Projekte, davon 19 dienen der Nothilfe. 14 widmen sich der Entwicklungshilfe und sechs sind spezifisch auf die Betreuung von Kindern ausgerichtet. Dazu zählt ein Programm für 6.000 Waisen in Gaza. Islamic Relief hat in den letzten Tagen dieser Krise verschiedene Aktionen gestartet. So hat Islamic Relief Worldwide in diesem Zeitraum 1,2 Millionen Euro gesammelt und nach Gaza überwiesen. Dort besteht ein großer Bedarf an Medikamenten und medizinischer Versorgung. Mittlerweile ist eine Spendenkampagne angelaufen, die bis Ende November eine weitere Millionen Euro ergeben soll. Bis zum Ende des Jahres wollen wir diese Summe auf fünf Millionen steigern. Und bis zum Juni des kommenden Jahres soll das Endziel dieser Kampagne bei 20 Millionen Euro liegen. Insbesondere auf dem palästinensischen Gesundheitssektor gibt es einen großen Bedarf. Dieser ist in einem unglaublichen Zustand. Dabei ist nicht nur diese Krise das Problem, sondern wir müssen immer noch mit den Folgen des letzten Krieges fertig werden. Von 2009 bis heute wurde das Ziel der Entwicklung des Gesundheitssektors noch nicht erreicht.

Islamische Zeitung: Es ist seit mehreren Jahren schon der „Normalfall“, dass Gaza von Hilfslieferungen abhängig ist – wegen der Blockade und wegen einer nicht mehr existenten Industrie. Bei welchen Gütern wird es Ihrer Meinung nach die ersten Engpässe geben?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Gestern [Samstag, den 17. November] erhielten wir vom Gesundheitsministerium die Information, wonach 130 Medikamente für Fälle lebensbedrohlicher Krankheiten fehlen. Als Islamic Relief haben wir eine Liste von solchen Präparaten bekommen und möchten sie gerne mit Hilfe verschiedener Organisationen und Partner bearbeiten. Ein zweiter notwendiger Aspekt ist das Fehlen benzin- oder solargetriebene Notstromaggregate. Derzeit reichen die Kapazitäten nur für drei Tage. Danach können wir keinen Strom mehr bekommen. Das heißt, das die Krankenhäuser ohne Strom nicht mehr optimal werden funktionieren können. Islamic Relief unterstützt im Augenblick das Krankenhaus Asch-Schifa voll. Wenn man dort eintrifft, sieht man dort auch unser Logo. Islamic Relief Palästina hat sich insbesondere der Arbeit auf dem Gebiet der Gesundheit – allen voran den Krankenhäusern – gewidmet.

Islamische Zeitung: Wie sieht es bei der Versorgung mit Lebensmitteln aus?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Die Lebensmittelversorgung hängt von der Lage an den Grenzen ab. Wenn diese geschlossen sind, kommt keine Nahrung nach Gaza. Die Lebensmittel werden entweder in Ägypten oder stellenweise auch in Israel gekauft. Der Versorgungslage ist schwierig; auch, weil alle Leute jetzt versuchen, so viel wie möglich zu kaufen, um für eine Verschärfung der Lage gewappnet zu sein. Bereits jetzt gibt es einen Mangel.

Islamische Zeitung: Die israelische Luftwaffe hat bereits hunderte Angriffe geflogen. Inwieweit wurde auch die Infrastruktur von Gaza in Mitleidenschaft gezogen?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Egal, welche Art die Ziele der Angriffe sind, es bleibt nicht ausgeschlossen, dass alles andere mit betroffen sein wird. Ein Team von Islamic Relief war in einem Supermarkt während einer Beschießung ganz in der Nähe. Das war einer der Gründe, warum wir bisher nicht einreisten. Man weiß nicht genau, wo die Einschläge treffen werden.

Islamische Zeitung: Liegt dies auch an der Schwierigkeit, militärische und zivile Ziele auseinander zu halten, wenn beispielsweise Waffen in Wohngebieten gelagert werden?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Ja, und ich glaube, dass es sehr schwierig ist, wenn einzelne Personen das Ziel sind.

Islamische Zeitung: Wie ist die Stimmungslage in Gaza?

Dr. Mahmoud Almadhoun: Ehrlich gesagt kann ich nur von der Warte der Helfer aus berichten, habe aber einiges von meiner Familie gehört. Die Leute hoffen natürlich, dass alles gut ausgehen wird. Unsere Sorge als Islamic Relief gilt der Kampagne zur Unterstützung der Menschen in Gaza.

Islamische Zeitung: Arbeiten Sie mit internationalen Partnern in Gaza zusammen?

Dr. Mahmoud Almadhoun: In solchen Fällen, bei denen die Lage sehr schlecht ist, arbeiten wir mit UN-Organisationen und dem Roten Kreuz zusammen. Die internationalen Helfern bilden solchen Fällen Komitees, weil die Aufgaben in solchen Krisen nicht von einzelnen zu bewältigen sind.

Islamische Zeitung: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Webseite von Islamic Relief:
www.islamicrelief.de