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Zerstörungen nach Erdbeben werden sichtbarer: Opferzahl steigt auf mehr als 37.500

Erdbeben
Suche nach Überlebenden in Gaziantep (Foto: Islamic Relief Deutschland).

Istanbul/Damaskus (dpa/IZ/KNA). Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben im syrisch-türkischen Grenzgebiet ist die Zahl der Opfer auf mehr als 37.500 gestiegen. Alleine in er Türkei gebe es inzwischen 31.643 Todesopfer, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf die Katastrophenschutzbehörde Afad. Mehr als 80.000 Menschen wurden demnach verletzt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Opferzahl in Syrien mindestens 5.900; tausende Personen werden vermisst.

Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte die erste Erschütterung der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr (MEZ) die Region erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Erdbeben (7,6). Das Epizentrum lag in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Die Katastrophenschutzbehörde Afad registrierte bislang mehr als 2.400 Nachbeben. In der Türkei sind zehn Bezirke von dem Beben betroffen – dort gilt inzwischen ein dreimonatiger Ausnahmezustand.

Insbesondere in Syrien ist es schwierig

Inzwischen berichten HelferInnen von wachsender Verzweiflung. Viele Menschen könnten nicht in ihre Gebäude zurück, „weil sie stark einsturzgefährdet sind. Es gibt nur eine rudimentäre technische Ausstattung und Gerätschaft, um die Häuser zu stabilisieren und den Schutt wegzuräumen“, sagte der Projektkoordinator des katholischen Hilfswerkes missio Aachen in Syrien, Robert Chelhod, am Sonntag.

Zudem fühlten sich viele Menschen nach den Jahren des Bürgerkriegs in Syrien „einfach kraftlos“, sagte er. „Wir hatten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, aber die Verzweiflung greift nach dieser Katastrophe immer mehr um sich. Wer kann, verlässt Aleppo und flieht.“ Die HelferInnen wollten dennoch weitermachen „und gegen alle Hoffnung hoffen“.

„Wir hoffen, dass weitere Grenzübergänge für Hilfslieferungen geöffnet werden und mehr Hilfe in die Region gebracht werden kann“, sagte Oliver Hochedez, der die Nothilfe von Malteser International koordiniert. „Unsere syrischen Partnerorganisationen haben von uns finanzielle Hilfe bekommen, um auf dem syrischen Markt verfügbare Güter wie Lebensmittel und Decken einkaufen und schnell verteilen zu können.“ In Syrien gestalten sich Hilfsprojekte und Rettungsaktionen schwierig, weil das Erdbebengebiet im Norden von unterschiedlichen Seiten kontrolliert wird.

Corinne Fleischer, Regionaldirektorin für den Nahen Osten, Nordafrika und Osteuropa beim Welternährungsprogramm, sagte, das WFP sei in der Türkei und Syrien vor dem Beben stark präsent gewesen. Dies habe ermöglicht, eigene Mitarbeiter, Logistikkapazitäten und Partner sofort zu mobilisieren. Im Nordwesten Syriens hängen laut dem UN-Hilfswerk 4,1 Millionen Menschen von humanitärer Hilfe ab – 90 Prozent der Bevölkerung. Fast drei Millionen lebten als Vertriebene des Syrien-Konflikts trotz eisiger Temperaturen in Zelten, Behelfsunterkünften oder verlassenen Gebäuden. Die Beben hätten die akute Krise weiter verschlimmert.

Schnelle Hilfen aus dem Ausland

Auch Teams von mehreren Hilfsorganisationen aus Deutschland sind seit Tagen in dem Erdbebengebiet im Einsatz. 43 Prozent der Menschen in Deutschland haben laut einer Umfrage für die Opfer in den Erdbebenregionen gespendet oder wollen es tun.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am 2. Februar in einem Telefonat die Lieferung von weiteren Zelten, Decken und Heizvorrichtungen zu. Über das sogenannte EU-Katastrophenschutzverfahren wurden der Türkei nach Angaben vom Sonntag schon jetzt 38 Rettungsteams mit 1.651 Helfern und 106 Suchhunden angeboten. Zudem hätten zwölf EU-Staaten 50.000 winterfeste Familienzelte, 100.000 Decken und 50.000 Heizgeräte zur Verfügung gestellt. Hinzu kämen 500 Notunterkünfte, 8.000 Betten und 2.000 Zelte, die die Kommission mobilisiert habe.

Bundesregierung will Einreisebestimmungen erleichtern

Die Bundesregierung kündigte an, die Visavergabe über ein unbürokratisches Verfahren zu vereinfachen, damit Betroffene zeitweilig bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. Betroffene des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Verwandten in sollen offenbar erleichtert mit Visa einreisen dürfen: Das berichtet die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt. „Es geht um Hilfe in der Not“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der Zeitung.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, Gökay Sofuoglu, rief die Behörden im Redaktionsnetzwerk Deutschland dazu auf, bei der Vergabe tatsächlich schnelle Entscheidungen zu treffen. „Es wird für alle ein Aufwand sein, aber in dieser schwierigen Lage sollten die Behörden sowohl in Deutschland, aber auch in der Türkei alles daran setzen, dass diese Menschen reisen können.“

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte „die Zusage, weitere Finanzmittel bereitzustellen und alle mit der Flüchtlingsaufnahme verbundenen Kosten zu erstatten“. Für den kommenden Donnerstag hat Ministerin Faeser einen Flüchtlingsgipfel angekündigt. Eingeladen seien unter anderen die kommunalen Spitzenverbände und die Länder.

UN-Agentur will bis zu 500.000 Betroffene versorgen

 Nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien hat auch das Welternährungsprogramm WFP seine Nothilfe mobilisiert. Bis zum 4. Februar habe man fast 64.000 Menschen in beiden Ländern erreicht, teilte die UN-Organisation mit Hauptsitz Rom mit. Geplant sei, eine halbe Million Menschen zu versorgen. Das Hilfswerk forderte, ungehinderten Zugang nach Nordwest-Syrien zu gewähren, und rief die Staatengemeinschaft zu Spenden in Höhe von umgerechnet 43 Millionen Euro auf.

Im Südosten der Türkei nahe dem Epizentrum koordiniert das WFP der Mitteilung zufolge gemeinsam mit den Behörden die Verteilung von Familien-Nahrungsmittelpaketen in provisorischen Camps, in denen neben syrischen Flüchtlingen nun auch türkische Erdbebenopfer leben. In Gebieten, in denen Versorgungsketten und die Belieferung von Supermärkten unterbrochen ist, könne man für ein bis zwei Wochen Lebensmittel bereitstellen, bis sich die Lage stabilisiere.